GastbeitragFinanzreporting

Pre-Close Calls sorgen für Aufregung

Marktaufsichtsbehörden hinterfragen Gespräche zwischen Investor-Relations-Vertretern börsennotierter Unternehmen und Finanzanalysten. Das sollte Emittenten veranlassen, die Prozesse rund um Pre-Close Calls anzupassen.

Pre-Close Calls sorgen für Aufregung

Pre-Close Calls sorgen für Aufregung
im Kreis der Emittenten

BaFin und ESMA hinterfragen Gespräche der Investor-Relations-Vertreter mit Finanzanalysten

Von Marco Sustmann und Alexander Retsch *)

Im Börsenumfeld wird derzeit intensiv über sog. Pre-Close Calls diskutiert. Anlass ist ein Fragebogen, mit dem sich die BaFin vor wenigen Wochen an sämtliche Dax- und MDax-Emittenten gewandt hatte, um ein „umfassendes Bild zur Marktpraxis von Pre-Close Calls in Deutschland“ zu gewinnen. Kurz darauf meldete sich auch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zu Wort und erinnerte Marktteilnehmer an die gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Bewährte Praxis

Pre-Close Calls sind Gespräche zwischen Investor-Relations-Vertretern börsennotierter Unternehmen und Finanzanalysten. Sie finden typischerweise in gewissem zeitlichem Abstand vor Veröffentlichung der regulären Finanzberichte statt. In diesen Gesprächen werden regelmäßig Finanzkennzahlen, wesentliche Entwicklungen in der Berichtsperiode und andere bereits öffentlich bekannte Unternehmensinformationen der Berichtsperiode zusammengefasst, um den Analysten eine fundierte Basis für ihre Prognosen und Schätzungen zu bieten. Pre-Close Calls sind seit vielen Jahren geübte Praxis. Sie erhöhen die Markttransparenz und verbessern die Qualität von Analystenschätzungen. Letztere sind auch regelmäßig bei der Frage, ob Finanzkennzahlen vorab in einer Ad-hoc-Mitteilung bekannt gegeben werden müssen, heranzuziehen.

Beachtung des Rechtsrahmens

Pre-Close Calls unterliegen keiner speziellen Regulierung. Börsennotierte Unternehmen, Analysten und alle weiteren Marktteilnehmer müssen aber die Vorgaben der europäischen Marktmissbrauchsverordnung beachten. Diese untersagt im Grundsatz die Weitergabe und Nutzung von Insiderinformationen. Informationen, die Rückschlüsse auf die Geschäftsentwicklung eines Unternehmens zulassen, wie überraschende Geschäftszahlen oder Prognoseanpassungen, können im Einzelfall Insiderinformationen darstellen.

Das ist indessen nicht neu. Warum greifen die Behörden das Thema nun auf? Anlass ist laut ESMA die Beobachtung erhöhter Volatilität bei Aktienkursen einiger Emittenten kurz nach der Durchführung von Pre-Close Calls. Medien hätten sodann einen Zusammenhang hergestellt und teilweise den Verdacht einer unrechtmäßigen Weitergabe von Insiderinformationen geäußert. Das hat die ESMA auf den Plan gerufen, die in einer aktuellen Erklärung darauf hinweist, dass Pre-Close Calls häufig lediglich für einen ausgewählten Teilnehmerkreis hinter verschlossenen Türen und ohne Protokollierung stattfänden und das Risiko insiderrechtlicher Gesetzesverstöße mit sich brächten.

Empfehlungen der ESMA

Die ESMA betont, dass in Pre-Close Calls keine Insiderinformationen geteilt werden dürfen und empfiehlt eine gründliche rechtliche Bewertung und Dokumentation der weiterzugebenden Informationen. Zudem sollte die Öffentlichkeit über bevorstehende Pre-Close Calls informiert und die im Rahmen der Calls verwendeten Unterlagen (Notizen, Präsentationen etc.) auf der Internetseite des Emittenten bereitgestellt werden.

Sowohl die ESMA als auch die nationalen Aufsichtsbehörden gehen davon aus, dass die Befolgung dieser Leitlinien das Risiko einer gesetzeswidrigen und strafbewehrten Offenlegung von Insiderinformationen minimieren kann.

Gleichlauf nicht zwingend

An der grundsätzlichen Zulässigkeit und dem Nutzen von Pre-Close Calls bestehen indes keine Zweifel. Die Grenze des zulässigen Inhalts von Pre-Close Calls wird unverändert durch den Begriff der Insiderinformation determiniert. Daran hat sich nichts geändert. Auch der kommende EU Listing Act lässt den Begriff der Insiderinformation unberührt.

Dennoch ist es üblich und empfehlenswert, dass Investor-Relations-Abteilungen in einer gewissen Zeitspanne vor der Veröffentlichung von Quartals- bzw. Gesamtjahresergebnissen nur eingeschränkt mit dem Kapitalmarkt kommunizieren. Für die Festlegung dieser sog. Quiet Periods bieten die Regelungen über gesetzliche Handelssperren 30 Tage vor Veröffentlichung des Geschäfts- und Halbjahresfinanzberichts eine gewisse Orientierung. Ein Gleichlauf ist aber nicht zwingend. Quiet Periods können auch kürzer sein. Insbesondere ab dem Zeitpunkt, zu dem nach den unternehmensinternen Regelprozessen üblicherweise vorläufige Finanzkennzahlen vorliegen, sollte die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt aber unterbleiben. Ab diesem Zeitpunkt erhöht sich das Risiko eines Verstoßes gegen das Insiderverbot.

Sorgfältig dokumentieren

Einige Emittenten haben die Empfehlungen der ESMA bereits zum Anlass genommen, ihre Prozesse rund um Pre-Close Calls anzupassen. Zugleich wird die Befürchtung geäußert, dass die Genauigkeit der Analystenschätzungen zukünftig abnehmen werde, was wiederum eine erhöhte Anzahl von Ad-hoc-Mitteilungen zur Folge haben könne. Zwingend ist dies indes nicht. Dessen ungeachtet sollte zukünftig verstärkt auf eine sorgfältige Dokumentation der Inhalte der Pre-Close Calls geachtet werden, um im Fall von behördlichen Nachfragen rechtmäßiges Verhalten nachweisen zu können. Insbesondere wenn im Kontext eines Pre-Close Calls der Verdacht einer unbefugten Offenlegung von Insiderinformationen im Raum steht, liegt es nahe, dass das Verhalten der Emittenten zukünftig an den von der ESMA veröffentlichten Leitlinien gemessen wird.

*) Dr. Marco Sustmann und Dr. Alexander Retsch sind Partner der Kanzlei Glade Michel Wirtz.

Dr. Marco Sustmann und Dr. Alexander Retsch sind Partner der Kanzlei Glade Michel Wirtz.