Sekundärmarkt für notleidende Kredite erhöht die Finanzstabilität
Sekundärmarkt für notleidende Kredite erhöht die Finanzstabilität
Darlehnsrisiken rücken verstärkt in den Blick – Ein Jahr Kreditzweitmarktgesetz
Von Jürgen Sonder und Ludwig J. Weber *)
„Das Finanzsystem steht vor akuten Herausforderungen aufgrund geopolitischer Spannungen und einer schwachen Wirtschaft“, sagte Michael Theurer, Vorstand der Deutschen Bundesbank, bei der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts 2024 am 21. November. Oberste Priorität müsse ein widerstandsfähiges Finanzsystem sein, so Theurer weiter.
Die Stabilität des Finanzmarkts ist aber auch für die Realwirtschaft ein existentieller Faktor zur Bewältigung von Krisen – gerade in wirtschaftlich und politisch unsicheren Zeiten. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen hat das Vor-Corona-Niveau erreicht – und der sich auch für 2025 abzeichnende Aufwärtstrend ist ein deutliches Zeichen für die angespannte wirtschaftliche Lage.
Gewerbeimmobilien im Fokus
Die Ergebnisse der aktuellen Ausgabe des NPL-Barometers der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) und der Frankfurt School of Finance & Management sprechen eine eindeutige Sprache: Wie auch bei den Insolvenzen dürfte sich bei den notleidenden Krediten der Anstieg fortsetzen – und das in allen Assetklassen, insbesondere aber in den Bereichen Konsumentenkredite, kleine und mittlere Unternehmen sowie Gewerbeimmobilien, ein Sektor, dem auch die Bundesbank besondere Aufmerksamkeit widmet und bei dem Banken auch im Blick haben sollten, welche Vorteile etwa eine Zwangsverwaltung für sie haben kann.
Vorsorge ist das A und O
Auf Jahressicht ist nach den Schätzungen der BKS bei deutschen Banken branchenübergreifend mit notleidenden Krediten mit einem Volumen von über 40 Mrd. Euro zu rechnen. Das bedeutet, dass Kreditrisiken für Banken weiter an Bedeutung gewinnen. Dabei ist Vorsorge das A und O, um möglichen Kreditrisiken frühzeitig und proaktiv begegnen zu können. Ein funktionierender und professioneller Zweitmarkt für notleidende Kredite (Non-performing Loans, NPL) kann die Finanzwirtschaft signifikant unterstützen und eine mögliche selbstverstärkende Abwärtsspirale verhindern.
Ein Jahr Kreditzweitmarktgesetz
Dazu trägt auch die EU-Richtlinie über Kreditdienstleister und Kreditkäufer bei, die ein wichtiger Schritt war und ist, um einen europaweit einheitlichen Rechtsrahmen für den Sekundärmarkt zu schaffen. Die Richtlinie wurde 2021 verabschiedet und ist in Deutschland in das Kreditzweitmarktgesetz (KrZwMG) überführt worden, das am 30. Dezember 2023 in Kraft getreten ist. Das KrZwMG regelt unter anderem neue Pflichten für Kreditinstitute und Käufer notleidender Kredite, Anforderungen an Kreditdienstleister sowie deren Beaufsichtigung durch die BaFin.
Im Zentrum stehen die Kreditdienstleister, die für ihre Tätigkeiten auf dem Zweitmarkt nun eine Erlaubnis der BaFin benötigen. Zugelassene Dienstleister können damit auch EU-weit als Kreditdienstleister tätig werden. Die Mitglieder der BKS, die bezogen auf das Transaktionsvolumen den größten Teil des deutschen Sekundärmarktes für NPLs widerspiegeln, haben bereits im Sommer 2024 alle Anforderungen des KrZwMG erfüllt.
Zweitmarkt hilft Banken
Durch den Verkauf von notleidenden Darlehensforderungen hilft der Zweitmarkt Banken, Sparkassen und Landesbanken, ihre Bilanzen zu bereinigen, Risikostrukturen zu verbessern, Liquidität zu sichern und letztlich Neukredite an Darlehensnehmer zu vergeben. Für Investoren sind NPL-Portfolios durch den möglichen Discount auf die notleidenden Forderungen attraktiv, den sie am Ende in eine risikoadäquate Rendite wandeln wollen. Sie haben aber auch die Möglichkeit sich zum Beispiel über einen Debt-Equity-Swap und/oder einen Insolvenzplan am schuldnerischen Unternehmen zu beteiligen. Der ausschlaggebende Erfolgsfaktor bei NPL-Transaktionen für Verkäufer und Käufer sind die Recovery-Chancen für die entsprechenden Portfolios. Um die Ertragschancen und darauf basierend den Preis für die NPL-Portfolios zu ermitteln, ist eine umfassende Due Diligence-Prüfung sinnvoll. So können die Forderungen an sich und die aus ihnen resultierenden finanziellen und rechtlichen Chancen und Risiken bewertet werden. In diesem Zusammenhang spielt eine fundierte Krisenexpertise eine gewichtige Rolle.
Bestände abgebaut
Diese ist für Banken auch für die Bewertung ihres Ausfallrisikos von besonderer Bedeutung – gerade bei Unternehmens- und Immobilienfinanzierungen, bei denen es in der Regel um hohe Beträge geht. Gerät ein Kreditnehmer in eine finanzielle Schieflage, müssen die Institute für sich oftmals eine Antwort auf die Frage „Können wir die Sanierung des Unternehmens unterstützen?“ finden. Das Risiko, aber auch die Wahl des passenden Sanierungsangangs, sollten dabei immer individuell geprüft werden.
Bei der Sanierung von Unternehmen ist es wie bei der Bearbeitung von NPL: Experten arbeiten Hand in Hand – und das sehr erfolgreich. So konnten die NPL-Bestände europäischer und deutscher Kreditinstitute in den letzten Jahren Schritt für Schritt abgebaut werden – ein wichtiger Beitrag zur Finanzmarktstabilität und sicherlich auch ein Faktor, der dazu beigetragen hat, dass das Finanzsystem nach der Pandemie auch die Phase außergewöhnlich stark steigender Zinsen gut verkraftet hat.
*) Jürgen Sonder ist Präsident der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing, Vorsitzender des Senior Advisory Board der Intrum Gruppe in Deutschland und Mitglied des Beirats des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung. Dr. Ludwig J. Weber ist Experte für Unternehmensfinanzierung und -sanierungen der Kanzlei Schultze & Braun.
*) Jürgen Sonder ist Präsident der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing, Vorsitzender des Senior Advisory Board der Intrum Gruppe in Deutschland und Mitglied des Beirats des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung. Dr. Ludwig J. Weber ist Experte für Unternehmensfinanzierung und -sanierungen der Kanzlei Schultze & Braun.