GastbeitragKryptoverwahrer

Sonderinsolvenzrecht für Krypto-Assets

Seit Jahresanfang gelten neue Regelungen für eine Insolvenz von Kryptoverwahrern. Kunden sind grundsätzlich über ein mögliches Aussonderungsrecht vor einem drohenden Totalverlust geschützt.

Sonderinsolvenzrecht für Krypto-Assets

Sonderinsolvenzrecht für Krypto-Assets

Komplexe Regulierung für komplexe Technik – Kunden grundsätzlich über ein mögliches Aussonderungsrecht vor Totalverlust geschützt

Von René Schmidt und Martin Kropp *)

In den letzten Jahren wurde auf europäischer und nationaler Ebene ein regulatorischer Rahmen für die Kryptomärkte geschaffen. Seit dem Jahreswechsel sind neue insolvenzrechtliche Regelungen mit Blick auf eine Insolvenz von Kryptoverwahrern in Kraft.

Den Regelungsort für die neuen insolvenzrechtlichen Vorschriften bilden das am 27. Dezember 2024 verkündete Finanzmarktdigitalisierungsgesetz (FinmadiG) und das im Zuge dessen verabschiedete Kryptomärkte Aufsichtsgesetz (KMAG). FinmadiG und KMAG weisen ersten Regelungen im Kreditwesengesetz (KWG), die bereits 2023 mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) in Kraft getreten sind, nun nur noch eine Auffangfunktion für bestimmte Arten von kryptografisch repräsentierten Werten oder kryptografischen Schlüsseln zu.

MiCAR wesentlich

Den wesentlichen Hintergrund hierfür bildet die „Markets-in-Crypto-Assets Regulation“ Verordnung (MiCAR) aus Brüssel, die ebenfalls zum Jahresende 2024 wirksam geworden ist. Mit der MiCAR wurde ein umfassendes und europaweit einheitliches regulatorisches Rahmenwerk für den Primärmarkt von Kryptowerten, also die Emission, sowie den Handel und die Verwahrung von Kryptowerten geschaffen.

Komplexe Regulierung für komplexe Technik

Mit dem Blick auf die aufeinander aufbauenden, mitunter sich aber auch gegenseitig ausschließenden Regelungen könnte man auf den Gedanken kommen, dass die rechtliche Regulierung des Kryptosektors ähnlich komplex geraten ist wie die den Kryptowerten zugrunde liegende Technik. Gleichwohl ist gerade auch die Bedeutung der insolvenzrechtlichen Regelungen nicht zu unterschätzen, da es bei der Verwahrung von Kryptowerten inzwischen um Milliardenwerte für Privatanleger, vor allem aber auch für institutionelle Anleger wie Fonds, Family Offices und Anbieter von Exchange Traded Products (ETP) geht. Die Auswirkungen einer Insolvenz können wirtschaftlich enorm sein, was die große internationale Aufmerksamkeit von bisherigen Kryptoinsolvenzen wie etwa die der Kryptobörse FTX, der Krypto-Leihplattform Genesis oder des Kryptounternehmens BlockFi erklärt.

Bereits seit 2020 ist für das Kryptoverwahrgeschäft in Deutschland eine Erlaubnis der BaFin notwendig. Das hat zur Folge, dass bei Kryptoverwahrern wie auch bei Banken oder Kapitalverwaltungsgesellschaften ausschließlich die BaFin einen Insolvenzantrag stellen darf. Kryptoverwahrer ihrerseits sind bei einer eventuellen finanziellen Schieflage verpflichtet, dies der BaFin anzuzeigen.

Besonderes Gefahrenpotential

Das besondere Gefahrenpotential, das mit einer Insolvenz von Kryptoverwahrern verbunden ist, hängt neben der Größe der Anlagevolumina maßgeblich mit der technischen Funktionsweise von Kryptowerten zusammen. Ein Kryptoverwahrer verwahrt nicht die eigentlichen Kryptowerte. Diese liegen vielmehr in einer zumeist öffentlichen Blockchain. Einzelne Krypto- oder Werteinheiten („Token“ oder „Coins“) werden einer Person allein über einen korrespondierenden kryptografischen Schlüssel zugewiesen, den sog. Private Key. Auch wenn gerade Kryptowährungen wesentlich auf der Idee von unmittelbaren Transaktionen durch den Inhaber der Werteinheit selbst ohne Beteiligung von Dritten wie Banken beruhen, bedient sich inzwischen nahezu jeder, der am Krypto-Trend partizipieren und in Kryptowerte investieren will, eines Kryptoverwahrers. Diese verwahren die Schlüssel in sog. Wallets, entweder individuell für einzelne Kunden in eigenen Wallets oder gemeinsam für eine Vielzahl von Kunden in einer Omnibus-Wallet.

Die stärkste Position als Gläubiger

Im Falle der Insolvenz des Kryptoverwahrers stellt sich für den Kunden die Frage, ob er eine besondere Rechtsstellung im Insolvenzverfahren hat und an die notwendigen kryptografischen Schlüssel und damit an seine Werte gelangt, oder ob er lediglich einfacher Insolvenzgläubiger ist, also ein Gläubiger ohne besondere Sicherungsrechte oder sonstige Privilegierung. Wäre Zweiteres der Fall, würde der Kunde seine Kryptowerte verlieren und er hätte lediglich Anspruch auf eine Insolvenzquote – und dies auch erst am Ende des Insolvenzverfahrens. Angesichts der durchschnittlichen Insolvenzquoten wird man in der Anlegerdiktion fast zwangsläufig von einem faktischen Totalverlust ausgehen müssen. Die insolvenzrechtliche stärkste Position genießen demgegenüber aussonderungsberechtigte Gläubiger. Sie können vom Insolvenzverwalter die Herausgabe des betreffenden Gegenstandes verlangen und sind danach vom weiteren Fortgang des Insolvenzverfahrens nicht mehr betroffen.

Not your keys, not your coins

Allerdings stellt sich bei der Antwort auf die Frage, ob sich ein Anleger gegenüber dem Insolvenzverwalter eines Kryptoverwahrers überhaupt auf ein Aussonderungsrecht berufen kann, gemäß dem geflügelten Grundsatz der Krypto-Szene „not your keys, not your coins“ ein grundlegendes Problem: Da bei Kryptoverwahrern in der Regel allein der Verwahrer über den kryptografischen Schlüssel für den Kryptowert verfügt, würden insolvenzrechtlich die Kryptowerte grundsätzlich in die Insolvenzmasse fallen, ohne dass dem Anleger ein Herausgabeanspruch zukommt.

Um zu einem privilegierten Herausgabeanspruch an den verwahrten Kryptowerten zu gelangen, bliebe Anlegern im deutschen Recht in der Regel bislang nur der Nachweis, dass bei der Verwahrung strenge und im Einzelnen auch umstrittene Voraussetzungen einer fremdnützigen Treuhand erfüllt sind. Vor diesem Hintergrund verpflichtet schon der europäische Gesetzgeber Kryptoverwahrer, für Kunden verwahrte Kryptowerte insbesondere getrennt von Eigenbeständen an Kryptowerten zu verwahren. Darüber hinaus hat der deutsche Gesetzgeber dankenswerterweise eine weitgehende Klarheit und Erleichterung für Anleger geschaffen.

Insolvenzfester Anspruch

Bereits im Rahmen des ZuFinG hat der Gesetzgeber die Frage der Zugehörigkeit von Kryptowerten in der Insolvenz eines Kryptoverwahrers im Sinne der Anleger geregelt: Kryptowerte und kryptografische Schlüssel fallen gemäß § 46i Absatz 1 KWG – und nun insbesondere auch nach § 45 Absatz 1 KMAG – grundsätzlich nicht in die Insolvenzmasse, sondern gelten regelmäßig als dem Anleger gehörend. Dies gilt auch in Fällen einer gemeinschaftlichen Verfahrung in Omnibus-Wallets.

Anders sieht es allerdings aus, wenn der Kunde ausdrücklich darin eingewilligt hat, dass die Verwahrung für Rechnung des Kryptoverwahrers oder eines Dritten erfolgt. Dies kann abhängig von der genauen Ausgestaltung beispielsweise bei besonderen angebotenen Diensten wie dem sogenannten Staking oder Lending der Fall sein.

Für Kryptowertpapiere bestand schon seit dem Jahr 2021 mehr Rechtssicherheit, da diese nach dem Wertpapiergesetz (eWpG) als „Sache“ gelten und insoweit Gegenstand eines insolvenzrechtlichen Aussonderungsrechts sein können. Auch im Hinblick auf die mit der Aussonderung der Kryptowerte verbundenen Kosten hat der deutsche Gesetzgeber zugunsten der Anleger entschieden.

Wer trägt die Kosten?

Während eigentlich gilt, dass der Insolvenzverwalter die Kosten der Bereitstellung der Sache trägt, der Gläubiger jedoch die Kosten der Abholung, hat der Gesetzgeber bereits im KWG und nun auch im KMAG insolvenzrechtlich einen besonderen Weg beschritten.

Für die Kryptoverwahrung sehen beide Gesetze jeweils ausdrücklich vor, dass der Insolvenzverwalter den verwahrten Gesamtbestand an einen von ihm – und nicht vom Kunden als Gläubiger – bestimmten neuen Kryptoverwahrer übertragen kann.

Die Insolvenzmasse – und damit alle Gläubiger des insolventen Kryptoverwahrers – haben die Kosten dieser Übertragung zu tragen. Der aussonderungsberechtigte Kunde muss der angebotenen Übertragung nicht zustimmen und kann eine Herausgabe an sich selbst oder an einen von ihm selbst ausgewählten anderen Kryptoverwahrer verlangen. Allerdings trägt er dann in der Regel auch die Kosten der Aussonderung.

Einschränkungen möglich

Zusammengefasst zeigt sich, dass im Fall einer Insolvenz eines Kryptoverwahrers Kunden aufgrund der gesetzlichen Regelungen grundsätzlich über ein mögliches Aussonderungsrecht vor einem drohenden Totalverlust geschützt sind. Gleichwohl ist es wichtig, jeden Fall individuell zu betrachten und zu prüfen. Aus den konkreten Umständen der Verwahrung, insbesondere der vertraglichen Gestaltung und etwaigen zusätzlichen Dienstleistungen, können sich durchaus Einschränkungen ergeben.

*) Martin Kropp ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht am Bremer Standort von Schultze & Braun. René Schmidt ist Rechtsanwalt der Kanzlei in Leipzig.

Martin Kropp ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht am Bremer Standort von Schultze & Braun. Zu seinen Spezialgebieten zählen das Kreditrecht und insolvenznahe Themen für Banken. René Schmidt ist Rechtsanwalt am Standort Leipzig der Kanzlei. Er ist in der vorinsolvenzlichen Beratung und als Prozessanwalt tätig.