Recht und KapitalmarktFinanzprodukte

Stabilität durch Regulierung

Der Blick in die junge digitale Finanzbranche zeigt, dass es ohne Regulierung nicht geht. Sie ist notwendig, um Marktsicherheit zu schaffen, Mindeststandards zu setzen und Vertrauen zu etablieren.

Stabilität durch Regulierung

Stabilität durch Regulierung

Digitale Finanzindustrie benötigt Gesetze, um Marktsicherheit zu schaffen und Vertrauen zu etablieren

Von Renate Prinz *)

Ist es schon wieder soweit? In der Finanzbranche machte sich zuletzt wieder Unsicherheit breit. Banken gehen in die Knie, und die (vergleichsweise) junge und gerade erst so erfolgreich emporgeschossene Krypto-Szene kommt aus den Turbulenzen nicht heraus.

Mit einer Finanzbranche, die sich einer Regulierungsdichte noch nie dagewesenen Ausmaßes gegenübersieht, tauchen ähnliche Themen wie 2008 auf. Damit stellt sich die Frage: Wenn faktische Marktmacht und Bank-Runs über die Stabilität der Finanzbranche entscheiden, was hilft uns die Regulierung?

Zu viel Regulierung, zu wenig Regulierung, falsche Regulierung? Der Blick in die junge digitale Finanzbranche zeigt jedenfalls, dass es ohne Regulierung nicht geht. Sie ist notwendig, um Marktsicherheit zu schaffen, Mindeststandards zu setzen und Vertrauen zu etablieren. Schließlich offenbaren immer wieder aufkommende Turbulenzen vor allem eines: Unsicherheit.

Vertrauensaufbau

Zugleich sehen wir dieser Tage neue Gesetze zur Regulierung des zukünftig digitalen Finanzmarktes –aktuell auf nationaler Ebene den Referentenentwurf zum Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) und auf EU-Ebene die „Market in Crypto Assets“-Regulierung (MiCA-Verordnung), die das EU-Parlament  unlängst verabschiedet hat. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz erfasst nicht nur Regelungen zum Finanzmarkt, sondern auch im Gesellschafts- (Aktien-) und Steuerrecht und soll den deutschen Finanzmarkt unter anderem durch zunehmende Digitalisierung und Entbürokratisierung attraktiver machen, vor allem für Investoren. Die MiCA-Verordnung schafft ebenfalls in diesem Sinne eine einheitliche Regulierung für Krypto-Werte und damit zusammenhängende Services.

Die Finanzbranche ist sensibel, denn sie setzt auf nichts anderes als Vertrauen. Nachdem in der Finanzkrise 2008 genau dieses zerstört wurde, wurde es mit höheren Regulierungsstandards und vor allem strengeren Kapitalanforderungen langsam und erfolgreich wieder aufgebaut. Daneben hat sich auch eine rein digitale Welt im Finanzmarkt etabliert, die auf Basis der Blockchain Vertrauen in einen Investitionsmarkt schaffen wollte, der eben nicht auf Vertrauen in Menschen baut, sondern in die Unfehlbarkeit einer Technologie.

Auch eine unfehlbare Technologie ist jedoch immer nur so gut, wie die Menschen, die sie verwenden und für sich zu nutzen wissen. Das Vertrauen in den aufstrebenden Markt der digitalen Assets schwand nicht zuletzt mit der FTX-Pleite dahin. Kritiker fühlten sich bestätigt. War es das also mit den neuen digitalen Anlageprodukten?

Sicher ist: Die Digitalisierung von Finanzprodukten wird nicht mehr zurückgefahren werden können, genauso wenig wie das Internet nach der Dotcom-Blase wieder verschwand. Kryptowährungen werden auch nicht wieder im Darknet abtauchen. Aber nachdem in den letzten Jahren sämtliche Vermögenswerte und Währungen digitalisiert, Kunstwerke und Paninibilder als Non-Fungible Token (NFT) vermarktet und Schuldverschreibungen auf Token gepackt werden sollten, geht die Entwicklung vermutlich richtigerweise wieder dahin genauer zu prüfen: Wo lohnen sich welche Produkte wirklich? Und wo sind sie in einer neuen Anlageform sinnvoll?

Großer Schritt der EU

Rein digitale Vermögenswerte und Anlageprodukte sind längst Realität und aus der Finanzwelt heute nicht mehr wegzudenken. Es ist daher ein guter und richtiger Vorstoß, dass die Europäische Union mit einem umfassenden Regulierungsvorstoß einen großen Schritt gemacht hat, auch die Krypto-Szene einer einheitlichen Regulierung zu unterstellen. Mit der MiCA-Verordnung hat die EU einen Regulierungsrahmen geschaffen, der zusammen mit weiteren Regulierungen auf EU-Ebene einheitliche Mindeststandards setzt und Erlaubnisvorbehalte einführt. Dadurch sollen bestimmte Services und Produkte in der Europäischen Union zukünftig auch in der Krypto-Szene nur noch mit einer entsprechenden Lizenz der lokalen Finanzaufsicht (in Deutschland die BaFin) ausgeführt werden können. Standards also, wie wir sie aus der Banken- und Wertpapierwelt schon kennen.

Weit voraus

Die EU ist damit anderen Ländern, insbesondere den USA, in punkto Regulierung weit voraus. Deutschland war dabei bereits im Jahr 2020 vorgeprescht und kann erste Erfahrungen vorweisen: Hierzulande wurde schon mit der Umsetzung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie (EU 2018/843) 2020 der Katalog der Finanzinstrumente im Kreditwesengesetz um Kryptowerte erweitert und ein Erlaubnisvorbehalt auch für das Kryptoverwahrgeschäft und die Kryptowertpapierregisterführung eingeführt.

Der Eindruck nach den ersten wenigen Jahren: Schon die Möglichkeit der einheitlichen Klassifizierung von digitalen Finanzinstrumenten – „was ist in der Kryptowelt ein (reguliertes) Finanzinstrument und was nicht“ – ist hilfreich und wichtig. Ein wertvoller Vorstoß für die digitale Finanzbranche in Deutschland, so sehr man die Regelungen in ihren Einzelheiten natürlich auch kritisch hinterfragen kann.

Mit der MiCA-Verordnung werden zunächst einmal Kryptowerte eingeordnet. Security Token (im Grunde klassische Kapitalanlagen in Token-Form) sind hier ausgenommen, weil sie als Finanzinstrumente bereits von der MiFID II erfasst sind. Dies soll unabhängig von der Technologie, auf der sie ausgegeben werden, auch fortgelten. Ebenso werden Zahlungsdienstleistungen nach der Zahlungsdiensterichtlinie ((EU) 2015/2366, PSD2) ausgenommen wie auch Non-Fungible Token.

Hier soll es insbesondere auf die Ausgestaltung ankommen, so dass die Geltung der MiCA-Verordnung nicht gänzlich ausgeschlossen und vor allem weiterhin unklar ist. E-Geld-Token und wertreferenzierte Token (Stablecoins) sowie Currency Token (wie Bitcoin) werden als fungible Kryptowerte jedenfalls von der MiCA-Verordnung erfasst, ebenso wie Utility Token (digitale Gutscheine), für die jedoch vornehmlich Informationspflichten des Emittenten reguliert werden (sog. Whitepaper).

Schwierige Abstimmung

Genauere Leitlinien zur Einordnung von Kryptowerten sollen dabei noch von den europäischen Aufsichtsbehörden erarbeitet werden. Die MiCA-Verordnung will für mehr Sicherheit für die Anleger und den Markt sorgen, mit Vorgaben für die Emittenten und Dienstleister in Form von Verhaltens- und Informationspflichten sowie bestimmter Mindestanforderungen an Rechtspersönlichkeit, Management und Struktur und setzt nicht zuletzt Erlaubnisvorbehalte.

Vieles ist unter der neuen MiCA-Regulierung noch unklar. Die Praxis hat in vielen Punkten Kritik geäußert, einige Kritikpunkte sind sicher berechtigt. Aber auch hier zeigt sich nicht zuletzt die besondere Schwierigkeit, die Märkte und Regulierungsinteressen der einzelnen Mitgliedsstaaten unter einen Hut zu bringen. Die Regulierung wird aber letztlich dem digitalen Finanzmarkt helfen, das Vertrauen des Marktes zurückzuerlangen und auszubauen.

Widerspricht die Regulierung der Idee der Blockchain schlechthin? Immerhin war doch die ursprüngliche Idee, das festgefahrene Bankensystem zu umgehen und Alternativen zu schaffen. Ist die Branche nun gezwungen, sich der Regulierungsmacht zu beugen und damit die eigene Innovationskraft zu verlieren? Sicher nicht. Gleichwohl muss die Regulierung mit Augenmaß erfolgen.

Internationaler Vorreiter

Eine praxisnahe Sicht der Aufsichtsbehörden wird entscheidend sein, wenn es um die Einordnung und Beurteilung von neuen Geschäftsmodellen und Produkten geht. Es ist ein erster Vorstoß, der der EU einen internationalen Vorsprung verschafft, und es ist die erste EU-weite Regulierung dieser Art für eine Branche, die hoch komplex und für den Normalverbraucher nur sehr schwer einsehbar ist. Natürlich steckt sie in den Kinderschuhen und wird noch weiter unter Kinderkrankheiten leiden.

Im besten Falle wird die Praxis ihr Übriges tun. Die Zahlungsdiensterichtlinie hat gezeigt, wie schnell Version 2 und 3 einer neuen Regulierung folgen kann.

Die digitale Wertanlage wird auch in der noch immer weitgehend konservativen Finanzbranche die Zukunft sein. Geschäftsmodelle werden sich dementsprechend weiterentwickeln; verschiedene Klassen von digitalen Anlageklassen werden sich auf dem Markt weiter etablieren. Mit dem neu geschaffenen Rechtsrahmen kann dies in einem rechtssicheren Marktumfeld erfolgen, basierend auf einem Sicherheitsstandard, der vielleicht noch nicht perfekt ist, aber auf einem sehr guten Weg.

*) Renate Prinz ist Partnerin der Kanzlei McDermott Will & Emery.

Renate Prinz ist Partner der Kanzlei McDermott Will & Emery