Steuerfreie Einkünfte durch Zwischenschaltung einer gemeinnützigen Stiftung
Steuerfreie Einkünfte über
eine gemeinnützige Stiftung
Vorübergehende Unsicherheit durch Bundesfinanzhof beseitigt?
Von Hendrik Grosse *)
Seit ca. Mitte des Jahres 2023 ist eine Steuergestaltung im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen verstärkt in den Fokus der Beratungspraxis gerückt. Dabei behält sich der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Übertragung seines Depotvermögens an eine gemeinnützige Stiftung den sog. Ertragsnießbrauch vor. Die Zuwendung an die gemeinnützige Stiftung ist dabei schenkungsteuerbefreit und die ausgeschütteten Dividenden werden später von der Stiftung aufgrund der Gemeinnützigkeit ertragsteuerfrei vereinnahmt. Die anschließende Weiterleitung der Erträge an den Nießbraucher erfüllt keinen Tatbestand der Einkünfteerzielung, sodass die Erträge diesem letztlich steuerfrei zufließen.
Hintergrund für dieses – zugegeben – durchaus sonderbare Ergebnis ist die Vorschrift des § 20 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG), wonach Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (insbesondere Dividenden) steuerlich dem Anteilseigner zugerechnet werden.
Anteilseigner ist derjenige, dem im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abgabenordnung) zuzurechnen ist. Wirtschaftlicher Eigentümer ist wiederum, wer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Der Nießbraucher gilt nur dann als Anteilseigner, wenn ihm die Anteile „wirtschaftlich“ zuzurechnen sind.
Reiner Ertragsnießbrauch
Bei einem reinen Ertragsnießbrauch, der sich auf die Vereinnahmung der Erträge beschränkt, sind dem Nießbraucher die Anteile i.d.R. somit wirtschaftlich nicht zuzurechnen. Demzufolge erzielt nicht der Nießbraucher, sondern die Stiftung als rechtliche Inhaberin die Einkünfte, denn nur sie kann im vorliegenden Fall Kapital zur Nutzung überlassen und dadurch den Besteuerungstatbestand verwirklichen. Etwas anderes gilt nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung nur dann, wenn der Nießbraucher aufgrund der getroffenen Abreden alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (insb. Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall auch effektiv durchsetzen kann.
Zwischenfazit: Es kommt hier also entscheidend auf den Inhalt der Verträge und deren tatsächliche Handhabung an. Daneben sind stiftungs- und gemeinnützigkeitsrechtliche Vorgaben zu beachten. Zu guter Letzt ist zu erwähnen, dass sich die Finanzverwaltung – soweit ersichtlich – bisher nicht zur Zurechnung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geäußert hat.
Ablösezahlung streitig
Eine gewisse Unsicherheit kam nun vorübergehend durch ein Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 29. September 2023 (Az. 7 K 1029/21) auf. Im Urteilsfall wurden von der Klägerin (Mutter) GmbH-Geschäftsanteile unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an ihren Sohn übertragen und sich dabei ein Nießbrauch, insbesondere das Gewinnbezugsrecht (sog. Ertragsnießbrauch), vorbehalten. Zudem hatte sich die Übergeberin eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht einräumen lassen, die allerdings lediglich die laufenden Geschäfte umfasste und wohl nie ausgeübt wurde; die Mutter hatte auch an keiner Gesellschafterversammlung teilgenommen.
Streitig war nun, wie die Ablösezahlung, die die Mutter anlässlich des Anteilsverkaufs durch den Sohn aufgrund der Aufhebung ihres Nießbrauchsrechts erhielt, zu besteuern ist.
Nach Ansicht des Finanzgerichts sei die Ablösezahlung von der Mutter bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu versteuern. Denn diese habe nach den vertraglichen Absprachen, insbesondere über das Bestehen einer unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht, eine Rechtsposition innegehabt, welche über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausging. Damit sei sie im Hinblick auf die laufenden Kapitaleinkünfte die Anteilseignerin i.S.d. § 20 Abs. 5 EStG.
Entkopplung
Im gleichen Atemzug stellt das Finanzgericht allerdings klar, dass das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Geschäftsanteilen bereits im Zeitpunkt der Übertragung auf den Sohn übergegangen, dieser also sowohl zivilrechtlicher als auch wirtschaftlicher Eigentümer, sei. Dadurch käme es – soweit ersichtlich erstmalig – zu einer Entkopplung der Einkünftezurechnung vom wirtschaftlichen Eigentum.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dieser Trennung im Revisionsverfahren (Az. IX R 5/24, Urteil vom 20. September 2024) zwar eine Absage erteilt. Gleichzeitig wird im Urteil allerdings die eingeräumte Stimmrechtsvollmacht als ein Beispiel für eine fortbestehende Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle des Nießbrauchsberechtigten erwähnt. Ob hierfür bereits die bloße Einräumung einer Stimmrechtsvollmacht – unabhängig von der tatsächlichen Ausübung und effektiven Durchsetzbarkeit – ausreicht, kann man der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht eindeutig entnehmen; dies dürfte m.E. auch eher zweifelhaft sein. Aus Vorsichtsgründen ist es jedoch ratsam, im Rahmen dieser Gestaltung auf Stimmrechtsvollmachten zu verzichten.
*) Hendrik Grosse ist Steuerberater und Gründungspartner von PURE Tax & Law, Frankfurt/Main.