GastbeitragInternationale Rechtshilfe

Strafverfolgung über Grenzen hinweg bleibt ein Thema

Der Bruch der Ampel-Koalition könnte auch das Aus für den Entwurf zur Neuregelung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen bedeuten. Unternehmen müssen sich dennoch darauf einstellen, dass grenzüberschreitende Ermittlungen zunehmen.

Strafverfolgung über Grenzen hinweg bleibt ein Thema

Strafverfolgung über Grenzen hinweg bleibt ein Thema

Entwurf zur Neuregelung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen droht nach Ampel-Aus zu scheitern

Von Heiner Hugger und Margarete Weiß *)

Das Ampel-Aus wird sich auf eine Reihe von Gesetzgebungsvorhaben auswirken, auch auf den Entwurf zur Neuregelung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG-Reform), den das Bundesjustizministerium (BMJ) im September veröffentlicht hatte. Noch am 30.10.2024 hatte der Deutsche Anwaltverein die „überfällige“ IRG-Reform in einer Stellungnahme ausdrücklich begrüßt und eine schnellstmögliche Umsetzung gefordert. Nun könnte das Gesetzgebungsvorhaben im Sand verlaufen.

Der nun ausgeschiedene Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte eine Schieflage darin gesehen, dass die Befugnisse von Strafverfolgungsbehörden oftmals an Grenzen halt machten, Kriminalität jedoch gerade nicht. Dem wollte er mit einer Stärkung ihrer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit durch die IRG-Reform begegnen.

Das IRG regelt den Rechtshilfeverkehr mit ausländischen Staaten, insbesondere mit EU-Mitgliedstaaten. Die Reform strebt eine weitere Stärkung der internationalen Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung an und liegt damit im Trend.

Gegenseitige Rechtshilfe

Die gegenseitige Rechtshilfe unter Staaten in Strafverfahren hat bereits deutlich spürbar zugenommen. Strafverfolgungsbehörden aus verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten gründen sogar immer öfter gemeinsame Ermittlungsgruppen (joint investigation teams). Sie ermitteln gemeinsam Sachverhalte mit Bezügen zu mehreren Ländern, führen gemeinsam Durchsuchungen in verschiedenen Ländern durch und tauschen über Ländergrenzen hinweg umfassend Informationen, Unterlagen und Daten aus, und zwar ohne dass dafür jeweils ein gesondertes Rechtshilfeersuchen nötig wäre.

Sobald eine gemeinsame Ermittlungsgruppe eingerichtet ist, ist der Austausch einzelner Informationen, Unterlagen und Datenlieferungen für die Betroffenen in der Praxis kaum erkennbar oder gerichtlich anfechtbar.

Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität

Erklärtes Ziel der nun in Frage gestellten IRG-Reform ist es, der wachsenden Bedeutung der internationalen strafrechtlichen Zusammenarbeit im globalisierten Kontext Rechnung zu tragen und eine effektive Strafverfolgung über Ländergrenzen hinweg sicherzustellen. Sie soll eine klare, systematisch konsistente, praxistaugliche und effiziente Rechtsgrundlage für internationale Zusammenarbeit schaffen. Auch neue EU-Rechtsakte zur Zusammenarbeit in Strafsachen sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts sollen durch sie in die deutsche Gesetzgebung einfließen.

Effizientere Befugnisse

Ein klarer Schwerpunkt der IRG-Reform ist die Schaffung effizienterer Befugnisse für die Strafverfolgung. Erstmals soll es ausdrückliche Regelungen für die polizeiliche Rechtshilfe geben, sodass Polizei- und Finanzbehörden selbst direkt Ersuchen stellen oder eingehende Ersuchen erledigen können, zum Beispiel zu Personenfeststellungsmaßnahmen oder Registerauskünften. In ausländischen Strafverfahren sollen in Deutschland ansässige Beschuldigte, Zeugen und Sachverständige von einer deutschen Justizbehörde nach den Regeln der deutschen Strafprozessordnung, aber unter zeitgleicher Direktübertragung in Bild und Ton in den ersuchenden Staat vernommen werden können.

Zur Vollstreckung sogenannter Europäischer Ermittlungsanordnungen von Justizbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten (außer Dänemark und Irland) können Zeugen oder Sachverständige in Deutschland sogar direkt von ausländischen Stellen nach den Regeln des ausländischen Strafprozessrechts in einer Video- oder Telefonkonferenz vernommen werden, während die zuständige deutsche Justizbehörde nur noch die Identität des Vernommenen feststellen und auf die Einhaltung der wesentlichen Grundsätze der deutschen Rechtsordnung achten darf.

In Auslieferungsverfahren mit unbekanntem Aufenthaltsort der auszuliefernden Person soll die oft zeitaufwendige Bestimmung der örtlichen Zuständigkeiten durch den Bundesgerichtshof entfallen. Stattdessen sollen in solchen Fällen künftig immer Oberlandesgericht und Generalstaatsanwaltschaft im Bezirk des Bundeskriminalamts zuständig sein. Derzeit hat es seinen Sitz in Wiesbaden, sodass stets das Oberlandesgericht und die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main zuständig wären.

Noch stärkere Privilegierung von EU-Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten

Unter EU-Mitgliedstaaten besteht grundsätzlich eine Pflicht, Entscheidungen der Justiz aus dem EU-Ausland anzuerkennen und zu vollstrecken. Für Rechtshilfeersuchen von EU-Mitgliedstaaten soll durch die IRG-Reform daher nun das Verfahren so gestrafft werden, dass alle Entscheidungen allein von der deutschen Justiz getroffen werden und das vorgeschaltete Bewilligungsverfahren entfällt, das eine Entscheidung durch das BMJ im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt vorsieht. Für Rechtshilfeersuchen von Drittstaaten soll das Bewilligungsverfahren hingegen nicht nur beibehalten werden, sondern erstmals auch gerichtliche Überprüfungsmöglichkeiten und zusätzliche Rechte für Betroffene vorsehen, und zwar ein Recht auf Anhörung und ein Recht auf Akteneinsicht in die Bewilligungsakte. Insoweit wird mit einem erhöhten Fallaufkommen gerechnet.

Rückendeckung für Betroffene

Zu begrüßen ist, dass auch Verfahrensrechte von Betroffenen gestärkt werden. So ist ein neuer Rechtsbehelf vorgesehen, mit dem verfolgte Personen gegen Fahndungen, Fahndungsmaßnahmen oder eine Auslieferung das Verbot der Doppelverfolgung geltend machen und dazu eine gerichtliche Überprüfung beantragen können. Anwendungsfälle könnten unter Umständen vorliegen, wenn eine Person wegen einer Tat ausgeliefert werden soll, wegen der sie bereits in Deutschland, einem EU-Mitgliedstaat oder einem Schengen-Staat rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist. Für den Fall der Festnahme zur Auslieferung soll ein Recht auf mündliche Anhörung vor dem Oberlandesgericht eingeführt werden, das auch über die Auslieferung entscheidet. Nach derzeitiger Rechtslage erfolgt lediglich eine Vernehmung durch den Amtsrichter, der aber nicht über die Auslieferung entscheidet. Schließlich sollen auch verfolgte Personen das Recht erhalten zu beantragen, dass für Auslieferungen relevante Rechtsfragen dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt werden.

Aufschiebende Wirkung

Bislang besteht ein solches Antragsrecht nur für den Generalbundesanwalt und die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht. Gegen Beschlüsse über die Zulässigkeit der Auslieferung soll nicht mehr nur die Generalstaatsanwaltschaft, sondern auch die verfolgte Person selbst innerhalb einer Woche eine erneute Entscheidung des Oberlandesgerichts beantragen können. Ein solcher Antrag soll erstmals auch aufschiebende Wirkung entfalten, sodass die Abschiebung bis zur Klärung durch das Gericht nicht vollzogen werden dürfte. Der Ruf nach effektiven Rechtsmitteln mit aufschiebender Wirkung gegen die Abschiebung war zuletzt angesichts von Berichten über Auslieferungen nach Ungarn lauter geworden.

Folgen der Reform

Zwar hatte sich das BMJ in seinem Entwurf ausdrücklich auf Forderungen berufen, das Rechtshilferecht grundlegend zu reformieren, um den Rechten betroffener Personen im Auslieferungsverfahren besser Rechnung zu tragen. Doch ist eine deutliche Stärkung der grenzüberschreitenden Befugnisse der Justiz das erklärte Ziel und ein klarer Schwerpunkt der IRG-Reform.

Selbst wenn die Reform trotz der öffentlichen Äußerungen zur Dringlichkeit in dieser Legislaturperiode nicht mehr zustande kommen sollte, ist damit zu rechnen, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung weiter intensiviert wird, nachdem sie bereits in den letzten Jahren spürbar zugenommen hat.

Unternehmen gefordert

Gerade auch international tätige Unternehmen sind von solchen grenzüberschreitenden Ermittlungen betroffen und sollten darauf vorbereitet sein, dass sie weiter zunehmen werden. Immer umfangreichere Anforderungen von Informationen, Unterlagen und Daten sowie andere Ermittlungsmaßnahmen der Justiz im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen führen erfahrungsgemäß zu einem erheblichen Arbeits- und Kostenaufwand bei den betroffenen Unternehmen und werfen komplexe Rechtsfragen in den jeweils betroffenen Rechtsordnungen auf. Zu hoffen bleibt in jedem Fall, dass eine effizientere Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung aber auch zu einem schnelleren Abschluss von Strafverfahren führt, nachdem sich das zusätzlich belastende Phänomen der überlangen Verfahrensdauer immer weiter ausbreitet.

*) Dr. Heiner Hugger ist Partner und Margarete Weiß ist Associate in der Praxisgruppe „White Collar, Regulatory & Compliance“ von Clifford Chance in Frankfurt. 

Dr. Heiner Hugger ist Partner und Margarete Weiß ist Associate in der Praxisgruppe „White Collar, Regulatory & Compliance“ von Clifford Chance in Frankfurt.