M&A

Transaktionssicherheit in Krisenzeiten gesucht

Im M&A-Markt sind mit Blick auf den Ukraine-Krieg wieder „Krisenklauseln“ in Kaufverträgen in den Fokus gerückt. Das könnte MAC-Klauseln in Europa zum Comeback verhelfen

Transaktionssicherheit in Krisenzeiten gesucht

Von Maximilian Schwab *)

Bereits im Rahmen der globalen Pandemie kam es dazu, dass sogenannte „Krisenklauseln“ in Unternehmenskaufverträge aufgenommen wurden. Immer wieder wurde dabei auch die sogenannte, in den USA marktübliche „Material Adverse Change (MAC)“ – Klausel diskutiert, im Ergebnis fand sie aber nur selten tatsächlich Einzug ins Vertragswerk. Dies steht jetzt angesichts des Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine und der weltwirtschaftlichen Folgen für Energieversorgung, Absatzmärkte und Lieferketten nach kurzer Zeit wieder zur Überprüfung an.

Es wird interessant sein zu beobachten, inwieweit im internationalen M&A-Geschäft der Versuch unternommen werden wird, eine entsprechende Anpassung der Vertragswerke auf den Krieg der Ukraine und dessen weltweite Konsequenzen umzusetzen. Dass dies im Rahmen neuer MAC-Regeln erfolgen wird, dürfte aber zu bezweifeln sein – was sich wie folgt erklärt: Kurz sei der Hintergrund dieser Regelung erläutert: Die MAC-Klausel im Kaufvertrag ist im Grunde ein Rücktrittsrecht des Käufers für den Fall, dass sich zwischen Vertragsunterzeichnung (Signing) und Übertragung der Unternehmensanteile (Closing) eine „wesentliche nachteilige Veränderung“ beim Zielunternehmen zeigt – genauer gesagt, wenn sich in dem üblicherweise sechs bis zehn Wochen dauernden Zeitraum zwischen Signing und Closing eine erhebliche Abwertung des Kaufgegenstandes zeigt, ist der Käufer nicht mehr an sein Wort gebunden.

Nachdem mit Beginn der ersten aus den USA kommenden M&A-Welle in Deutschland Ende der 90er und Anfang der 00er Jahre solche Klauseln noch häufiger zu finden waren, sind solche Regelungen mit der Weiterentwicklung des Transaktionsmarktes in Europa in den vergangenen 10 bis 15 Jahren mehr oder weniger verschwunden, wobei man sie in den USA weiter als marktüblich bezeichnen kann. Ein Grund für die Ablehnung dieses Konzepts in Europa ist die Transaktionssicherheit. Hier liegt der entscheidende Punkt solcher Klauseln – ihre Belastbarkeit hängt davon ab, wie detailliert und genau im Vertrag definiert wird, was eine „wesentliche nachteilige Veränderung“ ist. Je allgemeiner die Beschreibung ist, desto genauer muss sich ein Käufer überlegen, ob er wirklich von dieser Klausel Gebrauch machen will. Denn verweigert er zu Unrecht den Vollzug des Kaufvertrages, haftet er gegenüber dem Verkäufer auf Schadenersatz.

Andererseits limitiert eine solche Spezifizierung die Möglichkeit, aufgrund einer solchen MAC-Klausel den Kaufpreis unter Androhung des Rücktritts nachzuverhandeln, was nicht unüblich ist.

Hohe Unsicherheit

Nachdem im Rahmen der Coronakrise bereits diskutiert wurde, ob MAC-Klauseln nun auch in Europa zum Durchbruch kommen werden, lautete die Antwort letztlich: Nein. Die durch den Krieg in der Ukraine nun veränderte weltpolitische Lage wirft diese Frage nun erneut auf – allerdings in veränderter Gestalt, denn viele Käufer stellen sich nachvollziehbarerweise die Frage, inwieweit die Entscheidung zum Unternehmenskauf in diesen Zeiten belastbar getroffen werden kann. Da in der gegenwärtigen Situation diese Unsicherheit allerdings nicht allein unmittelbar auf das Kriegsgeschehen zurückzuführen ist, wie etwa im Falle von Produktionsstätten bzw. Zulieferbetrieben im Kriegsgebiet oder bei wesentlichen Umsätzen in Russland, lohnt es sich hier, die Frage zu stellen, was gegenwärtig eigentlich als MAC definiert wird.

Hier gibt es bis dato beim Einstieg die grundlegende Frage: „Business-MAC“ oder „Market-MAC“? Der entscheidende Unterschied liegt darin, ob auf wesentliche nachteilige wirtschaftliche Veränderungen im Unternehmen selbst – dann meist anhand von konkreten Finanzkennzahlen (business) – oder auf dem wirtschaftlichen Markt auf dem das Unternehmen agiert, und somit dann auch Faktoren wie Wirtschaftskrisen, Naturkatastrophen oder militärische Auseinandersetzungen (market), abgestellt wird. Bisher ist der „Business-MAC“, definiert über konkrete Zahlen (Umsatzverlust von x % im Zeitraum y), die Regelung, von der eigentlich gesprochen wird, wenn man über einen MAC redet. Der Market-MAC wird bis auf wenige konkrete Fälle für den Markt als solchen beschränkt, mit deren Eintreten ohnehin niemand gerechnet hat, gedanklich der „höheren Gewalt“ zugeordnet.

Blickt man nun auf die Lage angesichts des Krieges in der Ukraine, so ist festzuhalten, dass diese nur, ebenso wie bereits Covid-19, sehr eingeschränkt mit einer der beiden Regelungen erfasst werden dürfte. Der Business-MAC greift nur, wenn es tatsächlich – egal aus welchem Grund – zu einem Unterschreiten der Kennzahlen kommt. Das mag derzeit und in der nahen Zukunft bei vielen Unternehmen infolge des Krieges und der Konsequenzen für die Lieferketten, für die Energiepreise und letztlich auch durch die zu erwartende Zinsentwicklung zwar zu erwarten sein, andere Unternehmen verzeichnen im Moment aber, wie in jeder Krise, gerade keinen Einbruch oder erfahren sogar ein Wachstum – wobei sich stets die Frage stellt, wie nachhaltig dieses sein wird.

Hier zeigt die Praxis gegenwärtig aber keine Tendenzen, diese Themen auch in der Form eines Business-MAC zu adressieren, vielmehr spielt hier weiter die entsprechende Due Diligence und eigene Sicht auf den Markt die entscheidende Rolle. Auch der Market-MAC bietet keinen hinreichenden Schutz der Interessen in der aktuellen Lage. Zwar fällt ein solches Kriegsereignis typischerweise in den Anwendungsbereich des Market-MAC, erfasst sind dann aber tatsächlich nur Fälle, in denen bei Unterzeichnung des Vertrages dieses gerade noch nicht begonnen hatte. Dieser Zeitpunkt ist bereits verstrichen, ein MAC, der mögliche weitere Konsequenzen bzw. eine Ausbreitung dieses Konflikts abdeckt, würde einerseits wieder nur einen geringen Anwendungsbereich haben und andererseits eher schon im Vorfeld zur Abstandnahme bzw. zum Pausieren der Transaktion führen. Eine entsprechende Erweiterung des Market-MAC liegt vermeintlich nahe, wäre bei genauem Hinsehen aber geradezu systemwidrig.

Altbewährte Rezepte

Der Marktet-MAC deckt nach Sinn und Zweck gerade die Fälle ab, die die Parteien für sehr unwahrscheinlich bzw. unvorhersehbar halten. Nach Eintritt eines solchen Ereignisses, wie im Fall des Krieges in der Ukraine, ist dies aber eben gerade nicht der Fall. Gleiches gilt für mögliche weiter reichende Folgen. Zu erwarten ist eher, dass hier ein ähnlicher Weg wie bei Covid-19 beschritten wird und man über die altbewährten Konzepte Closing Accounts und Earn-out die entsprechende wirtschaftliche Unsicherheit erfassen wird. Für den Zeitraum zwischen Signing und Closing hilft die in Europa mittlerweile eher seltener anzutreffende stichtagsgenaue Abrechnung des Kaufpreises auf den tatsächlichen Vollzugstag – die sogenannten „Closing Accounts“. Diese haben bereits im Zuge der Pandemie ein Comeback erlebt und ersetzen wieder häufiger das marktübliche „Locked Box“-Modell, das auf den mitunter schon mehr als sechs Monate verstrichenen letzten Bilanzstichtag blickt und auf dieser Basis einen Festpreis ansetzt. Hierdurch wird die Sorge adressiert, das Unternehmen auf Basis einer Bilanz zu bewerten, die die gegenwärtige Krise noch nicht kennen und abbilden konnte.

Geht es um die Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung eines Unternehmens angesichts der Krise, ist und bleibt der Earn-out weiterhin die beste Lösung, also ein „Besserungsschein“ auf den Kaufpreis, der nachlaufend zur Transaktion gezahlt wird, wenn bestimmte Annahmen bzw. Hoffnungen über das wirtschaftliche Potenzial des Unternehmens dann eintreten. Typischerweise deckt man hierbei Zeiträume von 12 bis 36 Monaten ab, was in der aktuellen Lage auch die Interessen besser erfassen dürfte.

Aus diesen Gründen und belegt durch die Erfahrungen der Pandemie ist daher davon auszugehen, dass Lösungen für die gegenwärtige Unsicherheit vornehmlich über Closing Accounts, Earn-out und andere Regelungen im Rahmen des Kaufpreises gefunden werden. Mit diesen bestehen bereits umfassende Erfahrungen, und sie – vielleicht am allerwichtigsten – gewähren im Gegensatz zum MAC als Rücktrittsgrund gerade weiterhin Transaktionssicherheit für die Parteien. Genaue diese Sicherheit dürfte für alle Parteien in unsicheren Zeiten ein ganz besonders hohes Gut sein.

*) Dr. Maximilian Schwab ist Partner von Willkie Farr & Gallagher.