Nadine Kramer

Unternehmen tun sich schwer mit hart mess­baren ESG-Para­metern

ESG-Komponenten spielen in der Vorstandsvergütung nach Einschätzung von Nadine Kramer von der Kanzlei Willkie Farr & Gallagher gemessen an der Gesamtvergütung derzeit eine untergeordnete Rolle.

Unternehmen tun sich schwer mit hart mess­baren ESG-Para­metern

Helmut Kipp

Frau Kramer, auf welcher Rechtsgrundlage werden Umwelt-, Sozial- und Governance(ESG)-Ziele in der Vergütung berücksichtigt?

Eine explizite Rechtsgrundlage gibt es noch nicht. Aber es gibt einen ganzen Strauß von gesetzlichen Grundlagen. Schon aufgrund der EU-Taxonomie – die den Rahmen für nachhaltige Investitionen, aber auch Verpflichtungen, bislang vornehmlich bezogen auf das „E“, also Environment – geschaffen hat, sind bzw. werden ESG-Ziele für die meisten Unternehmen zwingend. Weitere Grundlagen sind bspw. das bereits 2009 erlassene Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), die zweite Aktionärsrechterichtlinie (Arug II) und das am 11.6.2021 beschlossene Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II). Gemäß dem Deutschen Corporate Governance Kodex ist sogar § 87 Abs. 1 S. 2 Aktiengesetz (AktG) so zu verstehen, dass der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Vorstandsvergütung auch soziale und ökologische Gesichtspunkte beachten muss.

Welche Indikatoren werden dabei herangezogen?

Zu den Indikatoren gibt es viele Studien, z.B. von Kienbaum und Willis Towers Watson. Danach werden als Indikatoren bisher häufig die harten Key-Performance-Indikatoren (KPIs) herangezogen. Aber es gibt eine Trendwende: Lebensmittler definieren als Ziel bspw. die Reduktion von Lebensmittelabfällen/-verschwendung und CO2-Emissionen, Immobilienunternehmen die Reduktion von CO2-Emissionen im Bestand, Steigerung der Energieeffizienz sowie Barrierefreiheit, Finanzierer suchen nach nachhaltigen Finanzierungs-Assets. Im Idealfall können mit nachhaltigen Produkten auch die klassischen KPIs angewendet werden – wenn z.B. eine grüne Finanzierung wirtschaftlich günstiger ist oder eine nicht den ESG-Zielen entsprechende Immobilie weniger Kaufpreisertrag einbringt.

Werden die Komponenten stärker in der kurzfristigen oder der langfristigen variablen Vergütung eingebaut?

ESG-Ziele werden grundsätzlich, da sie ja eben auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit zielen, als Komponenten der langfristigen variablen Vergütung vereinbart.

Welche Höhe haben die ESG-abhängigen Komponenten in der Vergütung?

ESG-Ziele spielen derzeit eine untergeordnete Rolle gemessen an allen Komponenten der Gesamtvergütung. Bspw. wurden bei einer Gesellschaft im Lebensmittelbereich 20% der gesamten langfristigen variablen Vergütung an ESG-Zielen ausgerichtet, während klassische KPIs zu 80% in die langfristige variable Vergütung einfließen.

Wie ehrgeizig fallen die ESG-Ziele aus?

Obwohl börsennotierte Gesellschaften bereits vor dem Arug II und der EU-Taxonomie ESG-Kriterien nutzten, waren diese oft nicht ambitioniert, rein freiwillig und/oder auf Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit oder Compliance fokussiert. So enthält der Siemens-ESG-Nachhaltigkeits-Index als wesentliche ESG-Ziele „Lernstunden pro Mitarbeiter“ und „Kundenzufriedenheit“. Die Unternehmen tun sich schwer, im ESG-Bereich hart messbare Parameter festzusetzen, die möglicherweise im Widerspruch zur finanziellen Performance stehen, daher ist eine Underperformance ebenfalls nicht gut feststellbar. Studien zur Häufigkeit der Zielerreichung/Zielverfehlung sind uns bezogen auf ESG-Ziele noch nicht bekannt.

Wie steht es um die Kontrolle der Zielerreichung?

Der Aufsichtsrat, der für die Vorstandsvergütung verantwortlich ist, hat bei nicht klar messbaren Zielen, z.B. pauschale Reduktion der CO2-Emissionen und Frauenquote in Führungspositionen, ein Ermessen bezüglich der Feststellung der Zielerreichung.

Werden aus Sicht von Investoren ESG-Aspekte ausreichend in der Vergütung berücksichtigt?

Das ist noch sehr unterschiedlich und kommt auf die kurz- bzw. langfristigen Investoreninteressen an. Wir haben ja gelesen, wie große Assetmanager wie BlackRock sich klar zu ESG positionieren und entsprechend auch in ihren Vergütungsstrukturen umsetzen. Es gibt aber viele Investoren, die ESG-Ziele noch als gegen ihren Gewinn laufend betrachten, die also gar kein Interesse an der Berücksichtigung von ESG-Aspekten in der Vorstandsvergütung haben.

Dr. Nadine Kramer ist Associate von Willkie Farr & Gallagher.

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