GastbeitragZweites Zukunftsfinanzierungsgesetz

Wesentliche Änderungen für das Delisting

Der Regierungsentwurf des Zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetzes modifiziert Regelungen für ein Taking Private. Die Politik hat Anregungen aus der Praxis aufgegriffen.

Wesentliche Änderungen für das Delisting

Wesentliche Änderungen für das Delisting

Regierungsentwurf des Zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetzes modifiziert Regelungen für ein Taking Private − Anregungen aus der Praxis aufgegriffen

Von Michael Schlitt
und Sebastian Biller *)

Der Rückzug von der Börse im Wege eines Delisting hat in den vergangenen Jahren stetig an Relevanz hinzugewonnen. Das Delisting ist ein fester Bestandteil von Public-to-Private-Transaktionen und schließt sich regelmäßig an ein öffentliches Übernahmeangebot an.

Der Bieter wird ein Delisting-Erwerbsangebot – häufig parallel mit der Vorbereitung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit der Zielgesellschaft – insbesondere dann unterbreiten, wenn er im Rahmen des vorangegangenen öffentlichen Übernahmeangebots nicht die notwendige Beteiligungsschwelle von mindestens 90% des stimmberechtigten Grundkapitals der börsennotierten Zielgesellschaft erreicht hat. Bei Erreichen der 90-Prozent-Schwelle könnte er die verbliebenen Minderheitsaktionäre auch im Wege eines sogenannten Merger Squeeze-Out gegen angemessene Barabfindung ausschließen. Mangels vorhandenen Streubesitzes würde die Börse im Falle eines Squeeze-Out die Zulassung der betreffenden Aktien schon von Amts wegen widerrufen.

Unternehmensbewertung

Mit dem Zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG II) sollen u.a. die im Jahr 2015 eingeführten Regelungen für das Delisting modifiziert werden. Nachdem am 27. August 2024 der Referentenentwurf veröffentlicht wurde, wurde am 27. November 2024 der Regierungsentwurf für das ZuFinG II bekanntgemacht. Viele der dahingehenden Vorschläge sind nicht völlig neu und wurden bereits bei Einführung der derzeit für das Delisting geltenden Vorschriften des Börsengesetzes (BörsG) kontrovers diskutiert.  

Zur Bestimmung des gesetzlichen Mindestpreises eines Delisting-Erwerbsangebots wird grundsätzlich auf den Börsenkurs der Zielgesellschaft (innerhalb des mindestpreisrelevanten Referenzzeitraums von sechs Monaten) abgestellt. Sollte der Börsenkurs der Zielgesellschaft ausnahmsweise nicht aussagekräftig sein, ist bereits nach geltendem Recht eine Unternehmensbewertung zur Ermittlung des Mindestpreises vorzunehmen.

Generalklausel

Nach dem Gesetzesvorschlag soll es künftig eine Generalklausel geben, nach der eine Unternehmensbewertung immer dann erforderlich ist, wenn besondere Umstände den Börsenkurs im mindestpreisrelevanten Zeitraum derart beeinflusst haben, dass der Börsenkurs zur Bestimmung einer angemessenen Gegenleistung ungeeignet ist.

Die bislang abschließend aufgeführten  Ausnahmetatbestände (insbesondere Verstoß des Emittenten gegen die Ad-hoc Publizitätspflicht im mindestpreisrelevanten Referenzzeitraum) sollen zu Regelbeispielen herabgestuft werden. Leider enthält auch die Begründung des Regierungsentwurfs keine Konkretisierung, welche weiteren Fälle der Regierungsentwurf als Anwendungsbereich für diese Neuregelung im Blick hat.

Spruchverfahren

Die Überprüfung der Angemessenheit der Angebotsgegenleistung soll zukünftig im Spruchverfahren und damit nicht mehr vor den ordentlichen Gerichten erfolgen. Erfreulich ist, dass der Regierungsentwurf nunmehr nicht, wie noch zuvor im Referentenentwurf angelegt, die Möglichkeit für Aktionäre vorsieht, das Delisting-Erwerbsangebot auch noch (ggf. Jahre später) nach Abschluss eines Spruchverfahrens annehmen zu können. Dass die Möglichkeit der Einleitung eines Spruchverfahrens nur den das Delisting-Erwerbsangebot annehmenden Aktionären offen stehen soll, wird durch eine korrespondierende Regelung im Spruchverfahrensgesetz klargestellt.

Eine nachlaufende Annahmemöglichkeit hätte demgegenüber befürchten lassen, dass es zu einem erhöhten Back-End-Aktivismus kommt: Aktivistische Hedgefonds könnten nämlich durch die Möglichkeit einer nachlaufenden Annahmemöglichkeit geneigt sein, ein Spruchverfahren auch in Fällen einzuleiten, in denen nicht mit einer Erhöhung der Angebotsgegenleistung zu rechnen ist, um sich die durch die nachlaufende Annahmemöglichkeit bestehende Put-Option für einen längeren Zeitraum zu erhalten.

Gebundene Entscheidung

Von geringer praktischer Relevanz ist die schon im Referentenentwurf vorgeschlagene und im Regierungsentwurf beibehaltene Klarstellung, nach der die Widerrufsentscheidung der Börsengeschäftsführung zukünftig keine Ermessens-, sondern eine gebundene Entscheidung sein soll. Denn das Ermessen des Börsengeschäftsführung ist bereits nach aktueller Rechtslage praktisch auf Null reduziert, wenn die (gesetzlichen) Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung aus dem regulierten Markt erfüllt sind.

KMU-Wachstumsmarkt

Von praktisch hoher Bedeutung dürften demgegenüber die Vorschläge zu einem Delisting von in einem KMU-Wachstumsmarkt notierten Aktien sein, auch wenn in Deutschland derzeit allein das Freiverkehrssegment Scale der Frankfurter Wertpapierbörse die Anforderungen an einen solchen KMU-Wachstumsmarkt erfüllt.

So soll künftig bei einem Wechsel vom regulierten Markt (z.B. General Standard oder Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse) in einen KMU-Wachstumsmarkt ein Delisting-Erwerbsangebot nicht (mehr) erforderlich sein. Als Begründung wird dabei auf das mittlerweile im Wesentlichen vergleichbare Regulierungsniveau abgestellt.

Korrespondierend damit (und letztlich konsequent) soll der Börsenrückzug aus einem KMU-Wachstumsmarkt durch eine Angebotspflicht erschwert werden. Klargestellt wird, dass eine solche Angebotspflicht nicht im Falle eines Uplistings, in dem der Emittent von einem KMU-Wachstumsmarkt in einen regulierten Markt wechselt, bestehen soll.

Der Referentenentwurf sah für den Fall eines Rückzugs aus einem KMU-Wachstumsmarkt noch vor, dass die Börsenträger bei einer durch den Emittenten initiierten Kündigung der Einbeziehung von Wertpapieren zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt Regelungen vorsehen sollten, die den Vorschriften im BörsG für einen Börsenrückzug aus dem regulierten Markt entsprechen.

Davon abweichend ordnet der Regierungsentwurf nunmehr für den Fall eines Börsenrückzugs aus einem KMU-Wachstumsmarkt im Börsengesetz selbst die entsprechende Geltung der für einen Börsenrückzug aus dem regulierten Markt relevanten Vorschriften des Börsengesetzes an. Eine diese Vorschriften nachbildende Regelung in den AGB der Freiverkehrsbörsenbedarf es daher nicht mehr.  

Offene Fragen beantwortet

Zugleich werden nach dem Referentenentwurf offen gebliebene Fragen beantwortet: So war nach dem Referentenentwurf insbesondere fraglich, ob ein Delisting-Erwerbsangebot für die Kündigung der Einbeziehung zum Handel an dem KMU-Wachstumsmarkt denselben Regeln (einschließlich der Regelungen des WpÜG), wie ein Delisting-Erwerbsangebot für einen Börsenrückzug aus dem regulierten Markt folgen sollte. Dass dies der Fall ist, ergibt sich nunmehr aus der im Börsengesetz vorgesehenen unmittelbaren Anordnung dieser Regelungen.

Zudem wird in der Begründung zum Regierungsentwurf nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass ein Delisting-Erwerbsangebot für den Rückzug aus dem KMU-Wachstumsmarkt von der BaFin geprüft werden muss. Aus dieser Systematik folgt zugleich, dass Vorstand und Aufsichtsrat eines in einem KMU-Wachstumsmarkt notierten Emittenten im Falle eines Delisting-Erwerbsangebots zukünftig auch eine (gemeinsame) Stellungnahme zu dem Delisting-Erwerbsangebot im Sinne des WpÜG abgeben müssen.    

Anlegerschutz gestärkt

Es ist nicht auszuschließen, dass Börsenneulinge die Attraktivität des KMU-Wachstumsmarkts als geschmälert ansehen, da der Rückzug von der Börse nicht mehr ohne vorangehendes Delisting-Erwerbsangebot möglich ist. Hinzu kommt, dass der Emittent für einen Börsenrückzug regelmäßig auf einen (finanzstarken) Dritten (insb. Hauptaktionär) angewiesen ist, der bereit ist, ein solches Delisting-Erwerbsangebot abzugeben. Andererseits wird der Anlegerschutz in KMU-Wachstumsmärkten gestärkt, was das Segment des KMU-Wachstumsmarkts für institutionelle Investoren letztlich doch interessanter macht.

Wichtige Anregungen aufgegriffen

Insgesamt sind die Regelungen des ZufFinG II zum Delisting begrüßenswert, zumal der Regierungsentwurf wichtige Anregungen aus der Praxis aufgegriffen hat. Ursprünglich wurde erwartet, dass das ZuFinG II im 2. Quartal 2025 in Kraft treten würde. Es dürfte aber zumindest fraglich sein, ob die derzeitige Minderheitsregierung aus SPD und Grünen vor der Neuwahl Ende Februar noch eine Mehrheit im Bundestag für das ZuFinG II findet.

*) Prof. Dr. Michael Schlitt ist Partner bei Hogan Lovells und Honorarprofessor an der Universität zu Köln, Dr. Sebastian Biller ist Counsel bei Hogan Lovells.

Prof. Dr. Michael Schlitt ist Partner bei Hogan Lovells und Honorarprofessor an der Universität zu Köln, Dr. Sebastian Biller ist Counsel bei Hogan Lovells.

Prof. Dr. Michael Schlitt ist Partner bei Hogan Lovells und Honorarprofessor an der Universität zu Köln, Dr. Sebastian Biller ist Counsel bei Hogan Lovells.