Henning Gebhardt im Porträt

Der Zauber der Trennung

Einst störte ihn die Konzernstruktur der DWS, später der Kurs von Berenberg. Fondsmanager Henning Gebhardt mag den Neuanfang.

Der Zauber der Trennung

Jan Schrader

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Sein Weg in Frankfurt steht symbolisch für seine Karriere: Im Konzern der heutigen DWS erlebte Gebhardt zuletzt den Bau des „Deutsche Bank Campus“, eines Bürogebäudes mit einer dunklen und glatten Fassade gleich an der verkehrsreichen Mainzer Landstraße in Sichtweite zur Konzernzentrale der größten deutschen Bank. Als Leiter der Fonds- und Vermögensverwaltung der Hamburger Privatbank Berenberg wechselte er in ein denkmalgeschütztes neoklassisches Gebäude auf der Bockenheimer Landstraße, mit alter Treppenrotunde und Ölgemälde an den Wänden. Für den kleinen Vermögensverwalter Hollyhedge, der gerade etwa eine Handvoll Menschen beschäftigt, wechselte er zu einer Firma südlich vom Main im Frankfurter Stadtteil Niederrad mitten in einem Wohngebiet und weit weg von den Prestigebauten in der Innenstadt. Von einem hohen einstelligen Milliardenvermögen, das er einst als Fondsmanager der DWS verantwortet hatte, ist er heute weit entfernt. Etwa 37 Mill. Euro bringt der Mischfonds „Millennium Global Opportunities“ auf die Waage.

Ein Abstieg als Neuanfang

Wer will, kann in dem Wechsel einen Abstieg lesen: vom mächtigen Konzern zur traditionsreichen Bank zum winzigen Vermögensverwalter. Freilich bevorzugt Gebhardt, der noch immer als Fondsmanager in seinem Element ist, eine positive Sichtweise: Als Führungskraft eines kleinen Unternehmens besitzt er Freiheiten, die ihm ein Konzern niemals gab. Zwar nehme ein Konzern einem Portfoliomanager vieles ab, was wegen der Finanzmarktregulierung eine wichtige Stütze sei. Zugleich fielen die komplexen Entscheidungswege weg, für alles seien er und sein Geschäftspartner, der ehemalige Citigroup-Manager Christoph Lampert, selbst verantwortlich. „Je kleiner eine Organisation ist, desto höher ist zugleich der Freiheitsgrad“, sagt Gebhardt, der sich als Angel Investor und leidenschaftlicher Portfoliomanager bezeichnet.

Dabei könnte Gebhardt auch heute noch ein viel einflussreicherer Manager der Investmentbranche sein. Bei Berenberg leitete er einen zentralen Geschäftsbereich und wäre ein naheliegender Kandidat für die Geschäftsleitung gewesen. Doch als im Jahr 2019 eine Neuordnung an der Spitze anstand, rückten zwei andere Manager auf: David Mortlock, der das Investment und Corporate Banking verantwortete, und Christian Kühn, der die Banksteuerung führte. Die beiden Manager sind heute neben Hendrik Riehmer persönlich haftende Gesellschafter der traditionsreichen Bank – Gebhardt aber verließ wenig später das Institut. Er habe zur wesentlichen strategischen Ausrichtung eine andere Auffassung gehabt, sagt er, den Konflikt habe man aber freundschaftlich gelöst. Worum es dabei ging, verrät er aber nicht. Mit seinem alten Arbeitgeber und den ehemaligen Kollegen pflege er ein gutes Verhältnis. Sein Nachfolger Matthias Born, den er einst von Allianz Global Investors zur Privatbank holte, sei ein ausgezeichneter Fondsmanager. Gebhardt zeigt sich also um freundliche Worte bemüht.

Das Handwerk ist ihm geblieben

Der 54-Jährige spricht gerne über das Handwerk eines Portfoliomanagers. Einen Beruf mit Kapitalmarktbezug wollte er schon früh ausüben, erzählt er, und schon ist er in seinem Element. Ukraine-Krieg, Russland-Sanktionen, Energiepreise und gestörte Lieferketten trieben die Wirtschaft um. „Unruhige Marktphasen sind mühsame Zeiten“, sagt er, vieles müsse man da im Blick behalten. Es lasse sich nicht völlig vermeiden, das Portfolio umzustellen, wenn die Märkte in Aufruhr seien. Dabei sei es eigentlich das Ziel, möglichst wenig mit Wertpapieren zu handeln. „In einem guten Portfolio ändert man im Idealfall nichts.“ Gebhardt zeigt sich außerdem, typisch Fondsmanager, optimistisch gestimmt. „Es gibt noch immer ausreichend viele Wachstumsthemen.“ Die anziehenden Zinsen führten zu einer Neubewertung vieler Unternehmen, doch gerade für die Anleihen in einem gemischten Portfolio sei der Wandel nach vielen Jahren Tiefzinsen positiv. „Der Rententeil wird wieder interessanter.“ Manchmal reibe er sich aber die Augen, wenn sich Kapitalmärkte anders verhielten als erwartet. „Wieso sieht der Markt das nicht?“ Es sind typische Eindrücke eines Kapitalmarktprofis.

Die Konzernstruktur der DWS, die zu seiner Zeit als Einheit der Deutschen Bank fungierte, sieht er kritisch: Als er damals, anno 1996, zu dem Unternehmen stieß, seien die Entscheidungswege kurz und die Ergebnisse rasch sichtbar gewesen. Die Deutsche Bank habe das Unternehmen zunehmend ihrer Konzernstruktur unterworfen. Die Entwicklung der DWS, die sich mit dem Börsengang 2018 ein Stück unabhängig von der Deutschen Bank machte, könne er aber nicht beurteilen. Gebhardt hatte 2016 die DWS überraschend verlassen, um bei Berenberg mit einem ähnlichen Fondskonzept zu starten.

Die Freiheit des Fondsmanagements, so sagt er, sei ihm auch als Führungskraft wichtig gewesen. Es sei ein Riesennachteil für Führungskräfte, das alltägliche Portfoliomanagement aufzugeben. Ein Chef müsse sich aber zurücknehmen, um die Verantwortung beim Fondsmanager zu lassen. Wenn ein Chef von außen zu viel reinpfusche, bliebe der Erfolg aus. Zugleich sei es wichtig, nicht immer gedanklich am Marktgeschehen zu sein. Angesichts moderner Kommunikationsmittel könne das schwierig sein. So habe er vor einigen Jahren in einer unruhigen Marktphase kurz vor Heiligabend auf seiner digitalen Uhr etliche Nachrichten erhalten, als der US-Notenbankchef Jerome Powell die Investorenschar mit einer neuen Ankündigung in Aufruhr versetzt hatte.

Eine lange Unruhephase der Aktienmärkte könne das Geschäft eines Vermögensverwalters erschweren, weil es dann schwierig sei, Kunden von einer Geldanlage in Fonds zu überzeugen. Im Konzern wäre er als Portfoliomanager nicht für die breite Marktentwicklung verantwortlich gewesen, als Unternehmer komme er da viel eher in Schwierigkeiten. Dem Neuanfang wohnt nicht nur ein Zauber inne.