„Fokus auf Qualität“
Herr Reitz, wann und womit haben Sie Ihr erstes eigenes Geld verdient?
Mit allen möglichen Ferienjobs. Ich habe auch schon mal Fischbrötchen verkauft oder Baustoffe ausgefahren.
Wofür haben Sie es ausgegeben?
Schon während meiner Ausbildung bei der Deutschen Bank in Kassel habe ich in Aktien investiert. Die Wertpapierabteilung hat mich ohnehin am meisten interessiert.
Was war Ihr erfolgreichstes Investment?
Das waren damals Belegschaftsaktien der Deutschen Bank. Bis Ablauf der Haltefrist hatte sich der Kurs nahezu vervierfacht. Später war es meine private Immobilie, die ich gekauft hatte, bevor die Notenbanken mit ihrer Liquiditätsflut die Preise in die Höhe trieben.
An welches Fehlinvestment erinnern Sie sich?
An viele. Wenn man in Aktien investiert, bleiben Verluste nicht aus.
Treffen Sie Ihre privaten Anlageentscheidungen allein, oder beraten Sie sich mit jemandem?
Ich tausche mich mit meiner Frau aus, die früher im Wealth Management tätig war und mit der ich kompetent über Geldanlage reden kann. Ein guter Gesprächspartner ist auch mein Sohn, der sein eigenes Aktienportfolio managt.
Gibt es eine bestimmte Anlagestrategie, die Sie verfolgen?
Ich habe das Glück, dass ich beruflich das tun kann, was ich auch privat für richtig halte: Ich bin ein Aktienanleger, weil Aktien langfristig die überlegene Anlageklasse sind. Das lässt sich in den USA bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Ich achte auf Qualität: nachvollziehbares Geschäftsmodell, glaubwürdiges Management, überlegene Marktstellung, krisensichere Bilanzstruktur.
Welche Kennzahlen sind für Sie wichtig, wenn Sie sich ein Wertpapier näher anschauen?
Ich schaue mir ein Unternehmen lange und gründlich an, besonders die Ertragsentwicklung und die Gewinntreiber über mehrere Jahre. Dann: Wie häufig revidieren die Analysten ihre Gewinnschätzungen? Das zeigt, wie gut das Unternehmen seine Entwicklung selbst einschätzt und den Analysten Guidance gibt. Dann setze ich die Gewinndynamik in Relation zur Börsenbewertung. Wichtig sind Dividenden; sie tragen erheblich zur langfristigen Performance bei. Sie sollten aber Luft für Investitionen lassen.
Wie wichtig ist Nachhaltigkeit beim Investieren?
Nachhaltigkeit wird immer wichtiger. Die Unternehmen, in die wir investieren, entwickeln sich in diese Richtung.
Haben Sie bei der Geldanlage ein Vorbild?
Ich habe im Laufe der Jahre viele Strategien von erfolgreichen Börsianern kennen- und schätzen gelernt. Entscheidend ist am Ende, herauszufinden, in welchem Kapitalmarktumfeld man sich befindet, und sich entsprechend anzupassen.
Ihr Motto beim Investieren lautet?
Nutze die Diskrepanzen zwischen den Erwartungen der Märkte und der Realität!
Welches Buch sollten Anleger gelesen haben?
Sehr gut gefällt mir „Vermögen bedeutet Verantwortung“, das die beiden Focam-Gründer Christian von Bechtolsheim und Andreas Rhein herausgegeben haben. Es stellt nicht die Freude am Reichsein in den Vordergrund, sondern die ethische und gesellschaftliche Verantwortung, die Vermögen mit sich bringt. Dieser Aspekt kommt oft zu kurz.
Welches Wertpapier oder welche Assetklasse würden Sie auf Jahressicht empfehlen?
Aktien. Die Anleger waren zuletzt zeitweise skeptischer, als es die Lage rechtfertigt. Die Gefahr einer Rezession ist breit thematisiert worden. Sollte eine kommen, wird sie nicht tief und lang werden. Denn wir werden eine Entspannung in den Lieferketten sehen, die Inflationsdynamik wird nachlassen, und Corona tritt in den Hintergrund.
Sie haben 1 Mill. Euro und müssen diese mit einem Anlagehorizont von zehn Jahren investieren. Wie würden Sie das Geld anlegen bzw. aufteilen?
Schwerpunkt auf Aktien mit Fokus auf Qualität. Da sich meine privaten Überzeugungen mit meinen beruflichen decken, würde ich das meiste in unserem Capital Growth Fonds anlegen. Dieser hat seinen Schwerpunkt in Europa. Deshalb würde ich amerikanische und asiatische Aktien beimischen.