Götz Albert

„Greenwashing wird auf Dauer keinen Erfolg haben“

Götz Albert, Managing Partner und CIO von Lupus alpha, zu grünen und nachhaltigen Investments, Greenwashing und wie wichtig es für Assetmanager ist, sich ein eigenes Urteil zu bilden.

„Greenwashing wird auf Dauer keinen Erfolg haben“

Herr Albert, welchen Stellenwert haben nachhaltiges Investieren und ESG für einen Spezialisten wie Lupus alpha?

Einen sehr hohen. Als Assetmanager haben wir einen treuhänderischen Auftrag gegenüber unseren Kunden. Bestandteil dieses Auftrags ist für uns nachhaltiges und verantwortliches Investieren. Um einen langfristigen Wertzuwachs zu erzielen, gilt es, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu managen. Daher berücksichtigen wir auch nichtfinanzielle Informationen im Investmentprozess. Ebenso wichtig ist für uns die Einhaltung hoher ethischer Geschäftsstandards. Ohne die geht es nicht.

Nachhaltiges Investieren ist erst in den vergangenen Jahren groß in Mode gekommen. Daher haben viele Assetmanager keine langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Historisch haben wir vor etwa 20 Jahren mit ersten ethischen Fonds für Kirchen und andere institutionelle Kunden begonnen. Das ist unsere Basis. Dabei haben wir seit jeher stark auch auf soziale Aspekte und gute Unternehmensführung, die Governance, geachtet. Denn das S und das G sind genauso wichtig wie das E, das bekanntlich für Umwelt steht.

Und wie sieht das bei Publikumsfonds aus?

Hier können wir von unseren Erfahrungen im institutionellen Segment profitieren. ESG-Kriterien sind wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmensanalyse, und wir haben bestimmte Mindestanforderungen für unsere Fonds. So schließen wir zum Beispiel Investments in kontroverse Waffen aus. Zudem haben wir den Investmentprozess und das Rahmenwerk etlicher Fonds erweitert, so dass diese nach Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung nachhaltige Produkte sind. Aber nicht alle unserer Produkte fallen in diese Kategorie.

Auf der Aktienseite sind Sie ein Spezialist für Small und Mid Caps. Wie können Sie in diesem Segment Nachhaltigkeit umsetzen?

Indem wir analytisch einen hohen Wert auf Nachhaltigkeit legen und über 1500 Gespräche im Jahr direkt mit Unternehmen führen. Wir legen großen Wert auf eine gute Governance und kennen die Firmen, in die wir investieren, sehr gut. Gleichzeitig nutzen wir natürlich mehrere externe Datenbanken zur ESG-Analyse.

Würden nicht die Datenbanken genügen?

Nein, auf keinen Fall. Die Qualität der ESG-Datenbanken ist sehr unterschiedlich, und ohne ein eigenes Urteil sowie den direkten Kontakt mit dem Management der Unternehmen ist ihre Aussagekraft sehr beschränkt. Sie müssen diese Informationen schon selektieren und zudem kritisch hinterfragen. Manche ESG-Ratinganbieter arbeiten allein vom Schreibtisch aus und sprechen gar nicht mit den Unternehmen oder machen sich kein Bild vor Ort. Auch kann bisher praktisch jeder ESG-Ratings anbieten und so in kurzer Zeit viel Geld verdienen, ohne dass verbindliche Qualitätsstandards eingehalten werden müssen. Vergleicht man dies mit den strengen Regularien für herkömmliche Ratingagenturen, ist dies geradezu skandalös.

Fordern institutionelle Investoren zunehmend eine grüne Ausrichtung ihrer Portfolios beziehungsweise bestimmte Nachhaltigkeitsstandards?

Die institutionellen Anleger sind die Treiber der Entwicklung hin zu einem verantwortungsvollen und nachhaltigen Investieren. Die Ansprüche der Institutionellen in Sachen Nachhaltigkeit haben dabei in den vergangenen Jahren zugenommen, so dass auch die Anforderungen an Assetmanager hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitskompetenz größer geworden sind. Wobei viele Institutionelle ihre persönlichen Präferenzen haben, insbesondere auch was den Ausschluss bestimmter Unternehmen betrifft. Jeder Fragebogen, den wir bei der Ausschreibung institutioneller Mandate bekommen, enthält heute auch Fragen zum Thema ESG.

Wie hoch stufen Sie die Gefahr des Greenwashings ein?

Nachhaltiges Investieren wird immer mehr zum Mainstream, und die Anleger werden Gelder von Vermögensverwaltern abziehen, die nicht entsprechend nachhaltig investieren können oder wollen. Unternehmen und auch Staaten können sich günstiger finanzieren, wenn sie bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Angesichts dieser Gemengelage mag es immer wieder einzelne schwarze Schafe geben, die ihre Investments als besonders grün darstellen, die es aber in Wirklichkeit nicht sind. Auf der anderen Seite führt der Wettbewerb zwischen den Vermögensverwaltern dazu, dass Greenwashing auf Dauer keinen Erfolg haben wird.

Droht Assetmanagern, denen Greenwashing vorgeworfen wird, nicht ein Reputationsverlust?

Das ist in der Tat so. Daher benötigen Sie als Assetmanager auch bei ESG und Nachhaltigkeit einen klaren und transparenten Investmentprozess. Das Problem ist, dass auch in nachhaltig ausgerichteten Portfolios es trotz genauer Analyse immer ein einzelnes Unternehmen geben kann, das zu einem bestimmten Zeitpunkt plötzlich gewisse Kriterien verletzt. Auch gegenüber kriminellem Handeln sind Sie nicht immer gefeit. Nur wenn Sie als Vermögensverwalter Ihre nachhaltige Ausrichtung und Ihre ethischen Standards transparent und nachprüfbar machen, wird deutlich, dass Sie keine Investments grün waschen.

In einem Zeitungskommentar wurde ESG und Nachhaltigkeit jüngst als reines Marketing der Fondsindustrie bezeichnet. Was sagen Sie dazu?

Dies trifft nicht zu, kommt doch das Thema von der Nachfrageseite. Den Wunsch, nachhaltig zu investieren, forcierten zunächst institutionelle Investoren. Inzwischen wollen auch immer mehr Privatanleger bevorzugt grün und nachhaltig anlegen. Verantwortungsvolles Handeln auch bei der Kapitalanlage ist ein gesellschaftlicher Trend, der meiner Meinung nach auch sehr zu begrüßen ist. Wir sind als Assetmanager nichts anderes als Treuhänder für unsere Kunden, die uns die Verwaltung ihrer Gelder anvertrauen.

Lohnt sich für Anleger überhaupt eine grüne Ausrichtung ihrer Investments?

Zunächst einmal senkt die Beachtung von ESG-Kriterien und insbesondere auch die der Governance von Unternehmen das Risiko eines Portfolios, was positiv zu werten ist. Eine Reihe von Studien belegt zu bestimmten Zeitpunkten eine Outperformance nachhaltiger Fonds. Es gibt aber auch andere Börsenphasen, in denen sie schwächer abschneiden. In der Portfoliotheorie sind große Anlageuniversen kleinen überlegen. Schließt man viele Branchen unter Nachhaltigkeitsaspekten als Investment aus, so mag das langfristig zu einer niedrigeren Performance als ohne Ausschlüsse führen. Sehr stark nachhaltig orientierte Investoren sollten sich dem bewusst sein und solche möglichen Performanceeinbußen auch in Kauf nehmen.

Haben nachhaltige Investments überhaupt eine Wirkung?

Ja, weil sie eine Lenkungswirkung des Kapitals hin zu mehr Nachhaltigkeit beinhalten. Unternehmen, die nicht als nachhaltig eingestuft werden können, haben es künftig immer schwerer.

Wie beurteilen Sie die zunehmende EU-Regulierung von Nachhaltigkeit?

Das sehe ich sehr kritisch. Es droht eine Überregulierung, die sehr viele externe Daten abfragt, aber damit nicht per se zu mehr Nachhaltigkeit führt. Die Regulierung dürfte zudem zu Fehlanreizen führen, die das Bauen effizienter Portfolios erschwert. Staatliche Kapitallenkung als Ersatz für unternehmerisches Handeln hat noch nie funktioniert.

Wie entwickelt sich die grüne und nachhaltige Geldanlage weiter?

Investoren werden irgendwann fast nur noch nachhaltig investieren, das wird der neue Standard sein. Greenwashing wird es dabei wohl immer geben, nur wird der Markt solche Tendenzen erkennen und bestrafen.

 

Das Interview führte Werner Rüppel.