Immobilien

"2011 sollte Jahr der Akquisitionen werden"

Kapitalmarkt und Bankenfinanzierung offen - Immobilien-AGs haben "viele Probleme noch nicht gelöst"

"2011 sollte Jahr der Akquisitionen werden"

Von Ulli Gericke, BerlinDas nahezu abgelaufene Jahr war aus Sicht von Immobilien-AG-Analysten ein gutes. Besonders bei den Bestandshaltern haben sich die Kursabschläge zum Net Asset Value (NAV) deutlich verringert. Lagen die Discounts Anfang 2010 noch bei 30 bis 50 %, haben sie sich binnen Jahresfrist auf 30 % bis null verringert – in Einzelfällen gibt es inzwischen sogar einen leichten Kursaufschlag auf den Nettoinventarwert. “Immobilienaktien hatten 2010 ein gutes Jahr gehabt”, urteilt denn auch Stefan Goronczy, Analyst bei der HSH Nordbank – verbunden mit der Einschränkung, dass wirkliche Fortschritte nur bei den Gesellschaften zu beobachten waren, die nicht allzu verschuldet sind oder die zumindest ihre Refinanzierung auf neue, weiter in die Zukunft tragende Füße stellen konnten. “Ziemlich wachgerüttelt”Den Sektor “ziemlich wachgerüttelt” habe die Hamburger TAG Immobilien, berichtet Manuel Martin, Analyst bei Close Brothers Seydler. Mit der Übernahme verschiedener Wohnimmobilienportfolios und der 15- prozentigen Beteiligung an dem Berliner Immobilienwert Estavis sowie dem jüngst veröffentlichten Übernahmeangebot für die Colonia Real Estate sei unübersehbar Bewegung in die Branche gekommen – zumal der SDax-Titel auch gezeigt habe, dass verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten wie Wandelschuldverschreibung (über 30 Mill. Euro, im Mai erfolgreich platziert), Kapitalerhöhung und die Emission einer Wandelanleihe (beide Anfang Dezember im Gesamtvolumen von 133 Mill. Euro platziert) wieder offensiv genutzt werden können. Da neue Mittel offenbar ohne große Probleme eingesammelt werden können, “sollte 2011 ein Jahr der Akquisitionen werden”, erwartet Martin. Denn wachsen könnten Immobilien-AGs nur über Zukäufe – egal, ob andere Unternehmen erworben werden oder “nur” Portfolios. Angebot wird größerBei Wohnungsbeständen sollte im neuen Jahr einiges auf den Markt kommen, erwartet der Experte von Close Brothers Seydler. Kommunen stehen unter Druck, ihre enormen Schulden abzubauen. Private Equity und Ausländer suchten einen Exit für ihre vor einigen Jahren “wie verrückt” (und meist zu teuer) eingekauften Wohnungsportfolios. Darüber hinaus sollte der Wohnungsbestand der Landesbank Baden-Württemberg im Frühjahr offeriert werden. Und schließlich gibt es noch die Berliner GSW, deren Börsengang im Frühjahr gescheitert war und deren Refinanzierung ihres umfangreichen Fremdkapitals noch immer aussteht.”Eine Übernahme der GSW würden wir uns zutrauen”, preschte Michael Zahn, der Vorstandschef des MDax-Aufsteigers Deutsche Wohnen, unlängst vor. Um die GSW mit ihren rund 50 000 Wohnungen übernehmen zu können, die mit ihrem IPO knapp 500 Mill. Euro einsammeln wollte, müsste die Deutsche Wohnen ihrerseits den Kapitalmarkt anzapfen, kündigte Zahn an – woraufhin der Kurs in der Spitze um knapp 5 % kletterte. Für etablierte Immobilien-AGs steht der Kapitalmarkt im Moment offen, wie auch die gut sechsfache Überzeichnung der jüngsten Kapitalerhöhung der Deutschen Euroshop belegt. IPO-Kandidat Prime OfficeNeue Unternehmen stoßen dagegen auf große Zurückhaltung, wie das Beispiel GSW oder der ebenfalls missglückte IPO-Versuch der hauptstädtischen Chamartín-Meermann-Gruppe zeigten. Tatsächlich geglückt ist 2010 nur der Börsengang der kleinen JK Wohnbau, eines Münchener Projektentwicklers für Wohnimmobilien. Als “Wunschkandidaten” für einen Börsengang 2011 nennt Kai Klose von der Berenberg Bank “defensive” Titel, wie den Berliner Wohnungsvermieter GSW oder den Münchener Vermieter von hochwertigen Büroimmobilien Prime Office AG, der sich in einen Reit, einen Real Estate Investment Trust, umwandeln will.Für Investoren in Immobilien-AGs “sieht momentan alles toll aus”, beobachtet Torsten Klingner. Angesichts des breiten wirtschaftlichen Aufschwungs hierzulande geht der Analyst bei Warburg Research zumindest für das erste Halbjahr von weiter steigenden Kursen aus. Darüber hinaus würden “die Leute in Aktien genötigt, weil sie keine Alternativen haben”. Hinzu kämen Inflationsängste und die Suche nach beständigen Sicherheiten, die dem gesamten Immobiliensektor neue Anlagen zutreiben.Nach den erwarteten Kursgewinnen von 10 bis 20 % in den ersten Monaten 2011 werde allerdings “die Luft dünner”, dürften dann doch fast alle großen Titel leichte Prämien auf den NAV zeigen. Ob dies gerechtfertigt ist, scheint Klingner fraglich – zumal im historischen Schnitt immer leichte Abschläge zu beobachten waren. Viel RefinanzierungsbedarfZugleich erinnert Close-Brothers-Seydler-Analyst Martin daran, dass es immer noch eine erhebliche Zahl von Immobilien-AGs gebe, die dringenden Refinanzierungsbedarf hätten und ihre Bilanzen noch erheblich säubern müssten. In den Jahren 2011 bis 2013 häuften sich auslaufende Kreditverträge, die zwingend verlängert werden müssten – “hier sind viele Probleme noch nicht gelöst”. Und das, obwohl die jüngste erfolgreiche (und vorfristige) Refinanzierung der Deutsche Wohnen zeigt, dass bei den Banken durchaus Bereitschaft für weitergehende Engagements existiert. Markt zögert bei B-LagenAuch im neuen Jahr dürften Einzelhandels- und Wohnimmobilien stabilere Erträge bringen als die kon junkturabhängigen Büroimmobilien. Wohnen muss man immer, lautet der geflügelte Satz – während Maklerhäuser bei Büroflächen auch für das kommenden Jahr eine unverändert hohe, meist zweistellige Leerstandsquote voraussagen. In diesem spätzyklischen Sektor hätten die Exporterfolge der hiesigen Industrie noch keine zusätzliche Flächennachfrage generiert, registriert Equinet-Analyst Jochen Rothenbacher – “aber vielleicht ist das kein schlechter Zeitpunkt für Investoren einzusteigen”. Allerdings muss er einräumen, dass überaus sichere “Core”-Immobilien als Ersatz für langfristige Anleihen schon sehr nachgefragt und damit teuer seien. Als Alternative blieben Objekte mit kürzeren Mietverträgen oder in B-Lagen, die bislang jedoch von Investoren links liegen gelassen werden. Dass hier der Funken überspringt, “darauf wartet der Markt”, ist sich Rothenbacher sicher. Der “Treiber” geht von BordDen breiten Optimismus stört lediglich eine Personalie: Das Ausscheiden des finanzpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Leo Dautzenberg, der beim Industrieunternehmen Evonik Leiter der Konzern-Abteilung Public Affairs und Bevollmächtigter des Vorstands wird, ist für Goronczy ein herber Schlag. “Dautzenberg war der Treiber der Reit-Gesetzgebung”, erinnert sich der HSH-Analyst, “ich kenne keinen anderen, den dieses Thema interessiert” – was umso bedenklicher wäre, als sich die schwarz-gelbe Berliner Koalition eine Reform der Reit-Regularien vorgenommen hat.