ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Absicherungsstrategie mit Schutz vor Extremrisiken

Börsen-Zeitung, 17.7.2012 In Europa hat der Countdown zu Solvency II begonnen. Das Regelwerk ändert wohl ab 2014 die Aufsichtsregeln für alle Versicherungsunternehmen. Ein besonders heikles Thema sind die Eigenkapitalanforderungen, um als solvent zu...

Absicherungsstrategie mit Schutz vor Extremrisiken

In Europa hat der Countdown zu Solvency II begonnen. Das Regelwerk ändert wohl ab 2014 die Aufsichtsregeln für alle Versicherungsunternehmen. Ein besonders heikles Thema sind die Eigenkapitalanforderungen, um als solvent zu gelten. Denn diese neuen Kapitalanforderungen werden die Attraktivität bestimmter Assetklassen für Versicherungsunternehmen verändern. Das Hauptziel von Solvency II ist es, in Europa einen einheitlichen Schutz für alle Verbraucher sicherzustellen. Dabei wird das neue Regelwerk in allen EU-Mitgliedsstaaten ökonomische und risikobasierte Solvenzanforderungen nach dem Konzept der holistischen Bilanz einführen. Solvency II soll sowohl für Versicherungen als auch für Rückversicherungen gelten.Nach der neuen Solvenzdefinition wird ein Versicherungsunternehmen, das seine Eigenkapitalanforderung oder die Volatilität seiner Solvenzkapitalanforderung verringern möchte, anfangen, extreme Risiken zu reduzieren. Versicherungen wird zugutegehalten, wenn sie Techniken wie beispielsweise Absicherungsstrategien einsetzen, sodass die Solvenzkapitalanforderungen verringert werden beziehungsweise die Stabilität dieser verbessert wird.Die Solvency Capital Requirements definieren das Eigenmittelminimum, über das ein Versicherer verfügen muss, um als solvent zu gelten. Dabei werden sowohl Höhe und Art seiner Anlagen wie auch Verpflichtungen und deren Merkmale berücksichtigt. Das Minimum an vorzuhaltenden Eigenmitteln entspricht dem maximalen Verlust, den die Bilanz im Fall eines extremen Ereignisses mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,5 % erleiden kann. Wenn dieser Betrag zur Verfügung steht, wird davon ausgegangen, dass Versicherungsnehmer auch im Fall extremer Marktverwerfungen geschützt sind.Die Versicherer können entweder die Standardformel nutzen, um alle relevanten Stresstests durchzuführen, die die extremen Marktereignisse definieren, oder ihre Bilanz mit Blick auf den Value at Risk zum 99,5%-Sicherheitsniveau über ein Jahr selbst modellieren. Für jeden identifizierten Risikofaktor wird das Extremszenario so kalibriert, dass es den maximalen Verlust darstellt, der während eines Jahres eintreten kann. Im Rahmen von Solvency II wird davon ausgegangen, dass dieser extreme Verlust auf einmal erfolgt.Solvency II wird sich auch entsprechend auf die Attraktivität bestimmter Assetklassen auswirken und hierbei einen negativen Einfluss auf reine Aktieninvestments haben. Innovativ sind hingegen Strategien, die anhand dieser regulatorischen Anforderungen darauf abzielen, eine Aktienanlage mit reduzierter Solvenzkapitalanforderung abzubilden. Investmentanbieter haben dafür einen Lösungsansatz entwickelt. Dieser Ansatz impliziert eine systematische Hedging-Strategie.Dieser Strategie liegt ein aktives Management zugrunde, sodass die technischen Kosten und die Rebalancing-Frequenz optimiert werden können. Auf den Aktienstresstest hin ist die Strategie so kalibriert, dass die Solvency-Anforderungen erfüllt werden. Den meisten Institutionellen wird so die Partizipation an Renditen aktiver Aktien-Management-Strategien bei Begrenzung der Auswirkungen eines plötzlichen Marktrückgangs in Abhängigkeit des Absicherungsgrades auf 15 bis 25 % ermöglicht. Diese Absicherung erfolgt über eine Overlay-Strategie, in der das Aktienexposure über Out-of-the-Money-Put-Optionen abgesichert wird.Da die Verringerung der Tail-Risiken eine Reduktion der Solvency-II-Anforderungen für eine bestimmte Assetklasse ermöglicht, ist der Kauf von Put-Optionen in Verbindung mit einem bestehenden Aktieninvestment der logische Weg zur Verringerung der Solvency-II-Anforderungen für das Marktrisiko. Hierbei werden Extremrisiken abgesichert und das Aufwärtspotenzial gleichzeitig beibehalten. Diese Lösung, die aus der Kombination von zugrunde liegendem Aktienexposure und Put-Optionen besteht, ist eine Strategie mit einer asymmetrischen Auszahlungsstruktur. Denn die Put-Option greift nur dann, wenn die Aktienmärkte nachhaltig fallen, und verfällt wertlos, wenn die Märkte steigen.Die anfallenden Absicherungskosten wirken hierbei performancemindernd auf die Gesamtrendite der Strategie. Diese Strategie ist aus Investorensicht dann effizient, wenn die Absicherungskosten niedriger sind als der Vorteil, der sich aus der geringeren Eigenkapitalanforderung der SolEx-Strategie gegenüber einem reinen Aktieninvestment ergibt. Somit erlaubt die Strategie institutionellen Investoren, an der Entwicklung des Aktienmarktes zu partizipieren und gleichzeitig die regulatorisch notwendigen Eigenmittel einer Aktienanlage zu kontrollieren.Bezüglich des Marktrisikos liegen die Ergebnisse des Stresstests für Aktien im Durchschnitt bei 39 % und rangieren damit unter den am stärksten belasteten Assetklassen. Das Ergebnis kann sogar bis zu 49 % hinauf- oder bis 29 % heruntergehen, je nach Dämpfungsfaktor, der durch den Regulierer eingeführt wurde, um prozyklische Effekte zu vermeiden. Dieser Rückgang wurde so kalibriert, dass er einen der schlimmsten Verluste darstellt, der während eines Jahres eintreten kann.Nach dieser Definition scheint es offensichtlich, dass die Verringerung der Solvency-II-Eigenmittelanforderungen darin besteht, die Extremverluste auf die Solvabilitätsspanne zu verringern. Dies würde aber auch eine Verringerung der Renditen bedeuten, sodass sich im Endeffekt der Solvabilitätskoeffizient nicht ändern würde. Ein zu kurzsichtiges Verhalten, das sich lediglich auf die Reduzierung der Solvency Capital Requirements konzentriert, reicht also nicht aus. Versicherungen müssen nach wie vor ihre üblichen Rendite-Risikoanalysen durchführen, bei denen das Risiko durch die Solvency-II-Anforderungen vorgegeben ist und die Rendite durch den erwarteten Cash-flow einer Investition. Ferner ist zu beachten, dass wirtschaftliche Risikomerkmale nicht vollständig durch die Solvency Capital Requirements erfasst werden und daher die Risiko-Analyse nicht allein auf die Berechnung und Überwachung der Solvabilitätsanforderungen begrenzt werden kann.