ETFs

Alleskönner ETFs. Die Assets klettern rasant

ETFs sind gefragt wie nie, und ihre Assets klettern rasant. Denn die kostengünstigen Indexfonds können mit Aktien, Smart Beta und Anleihen fast alles. Viele junge Leute sparen über Apps in ETFs.

Alleskönner ETFs. Die Assets klettern rasant

Das ist neu: In Deutschland kaufen jetzt vor allem junge Menschen verstärkt Aktien, wie das Deutsche Aktieninstitut (DAI) ermittelt hat. Und sie erwerben die Dividendentitel vor allem indirekt. Denn sie investieren über Finanzapps oder Onlinebroker in kostengünstige börsennotierte Indexfonds, die Exchange Traded Funds, kurz ETFs. Die Aktienanlage hat jetzt „über das Smartphone die Hosentasche erreicht“, kommentiert Christine Bortenlänger vom DAI. Und so hat auch die ETF-Industrie über Smartphones jetzt die Jugend erreicht, fügen Beobachter hinzu.

In den vergangenen Monaten waren ETFs weltweit und in Europa gefragt wie nie zuvor. Die Mittelzuflüsse haben Höchststände erreicht, und die verwalteten Gelder klettern rasant, nicht zuletzt unterstützt durch steigende Börsenkurse. So werden in Europa inzwischen bereits mehr als 1 Bill. Euro in ETFs verwaltet.Dabei haben die preisgünstigen „Aldi-Fonds“ in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt, dass sie praktisch alles können. Neben Smart-Beta- und Themen-ETFs wurden unter anderem auch Segmente wie Anleihen-ETFs und zuletzt nachhaltige ETFs erschlossen. „Das Entscheidende ist, dass ETFs Indizes abbilden und regelbasiert sind“, erklärt Thomas Meyer zu Drewer von Lyxor im Interview mit rendite (vergleiche Seite 24 und 25). „Dadurch können ETFs nahezu alle Anlagethemen abdecken.“ Meyer zu Drewer ist überzeugt, dass neue Produkte im ETF-Mantel hinzukommen werden – und dass sich das überdurchschnittliche Wachstum der ETFs in Europa fortsetzen wird. Denn es nutzen inzwischen nicht nur Institutionelle verstärkt die börsennotierten Indexfonds, auch Privatanleger entscheiden sich zunehmend für die Fondsprodukte mit langfristig niedrigen Kosten.

Beeindruckendes Wachstum

Die Wachstumszahlen der ETF-Branche sind beeindruckend. Laut dem unabhängigen Analysehaus ETFGI sind die weltweit in ETFs angelegten Gelder per Ende Mai auf satte 9 Bill. Dollar gewachsen. Ende 2020 waren 7,7 Bill. Dollar und Ende 2019 „nur“ 6,2 Bill. Dollar in ETFs angelegt. Ende 2015 waren es noch weniger als 3 Bill. Dollar. Dabei sind die globalen Mittelzuflüsse in die börsennotierten Indexfonds mit 559 Mrd. Dollar im bisherigen Jahresverlauf so hoch wie nie zuvor, im vergleichbaren Vorjahreszeitraum waren es nur 229 Mrd. Dollar. Der Mai dieses Jahres stellt den 24. Monat in Folge mit Nettozuflüssen für die globale ETF-Branche dar.

Auch die europäischen Ucits-ETFs sind zuletzt ungewöhnlich schnell gewachsen. So wurde die viel beachtete Marke von 1 Bill. Euro an in ETFs angelegten Geldern im ersten Quartal des laufenden Jahres genommen, so die Zahlen von ICI Global (vergleiche Grafik). Ende 2020 waren es 927 Mrd. Euro, Ende 2019 noch 828 Mrd. Euro und Ende 2018 gut 600 Mrd. Euro. Die Abflüsse aus ETFs waren übrigens im März 2020 während des Corona-Crashs relativ gering, danach wurde verstärkt in ETFs investiert. Und im laufenden Jahr lagen die Mittelzuflüsse bis inklusive Mai nach Angaben von Amundi mit mehr als 76 Mrd. Euro auf rekordhohem Niveau. Dabei waren in Europa vor allem nachhaltige Fonds und ETFs gefragt. So flossen teilweise bis zur Hälfte der Neuanlagen in ETFs in nachhaltige Produkte.

Aber was erkärt nun den sagenhaften Erfolg der ETFs, der sich nach Meinung praktisch aller Experten in den kommenden Jahren fortsetzen dürfte? Vorbild für Europa ist Amerika, wo ETFs bereits einen weitaus größeren Anteil an den von der Fondsindustrie verwalteten Geldern haben. Meyer zu Drewer weist darauf hin, dass es neben der Transparenz von Indexfonds die im Vergleich zu aktiven Produkten deutlich niedrigeren Kosten sind, die langfristig durchschlagen. Der Experte, der von Beginn im Jahr 2000 an im ETF-Geschäft tätig ist und damals natürlich auch nicht erwartete, dass ETFs in Europa langfristig so erfolgreich sind, sagt: „Untersuchungen zeigen, dass es nur die wenigsten aktiven Fonds schaffen, stetig besser abzuschneiden als der Index.“

Märkte einfach abbilden

Sebastian Külps, Chef von Vanguard in Deutschland und Österreich, erklärt hierzu: „Einer der entscheidenden Vorteile von ETFs gegenüber aktiv verwalteten Fonds sind die Kosten: Sie sind deutlich günstiger und bieten dabei in der Regel eine breitere Streuung und hohe Transparenz. Mit einem einzigen Produkt lassen sich so globale oder regionale Aktien- wie auch Anleihenmärkte einfach abbilden.“ Seiner Meinung nach haben Anleger gerade auch in Krisenzeiten auf einfache, verständliche und kosteneffiziente Anlageprodukte vertraut. Wobei die Pandemie sicherlich dazu beigetragen hat, dass die Menschen in Summe mehr Geld für die Kapitalanlage zur Verfügung haben. Durch die Lockdowns waren ja die Möglichkeiten, Geld in Geschäften auszugeben oder freie Mittel für einen Urlaub zu verwenden, begrenzt.

Infolge des starken Wettbewerbs zwischen den ETF-Anbietern weisen Produkte auf etablierte Indizes wie den marktbreiten MSCI World inzwischen extrem niedrige laufende Kosten von 10 oder 20 Basispunkten pro Jahr auf. Damit sind sie im Vergleich zu aktiven Aktienfonds in aller Regel einen vollen Prozentpunkt und mehr günstiger. Und der Wettbewerb zwischen den Anbietern ist weiter ausgeprägt. Daher geht Meyer zu Drewer davon aus, dass die Kosten der ETFs noch weiter fallen können. „Kontinuierliche Kostensenkungen liegen in unserer DNA, um Anlegern ein noch besseres Verhältnis von Preis und Leistung zu bieten“, sagt Külps.

Der Erfolg von Ucits-ETFs ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass sie sich insgesamt als Assetklasse etabliert und breite Anlegerschichten erreicht haben. Ein Vorteil ist sicherlich, dass ETFs in Europa im bewährten Ucits-Fondsmantel aufgelegt werden, also als ein Sondervermögen, das dem Anleger gehört, und nicht als Zertifikat oder Bankschuldverschreibung, die bekanntlich ein Emittentenrisiko aufweisen. Hinzu kommt, dass Produkte, die einen klar definierten Index abbilden, im Allgemeinen transparenter sind als nicht so klar definierte Anlagen. Bei ETFs erwirbt der Investor eben nicht die Katze im Sack, der Informationsaufwand ist vergleichsweise gering. Das gilt natürlich auch für viele aktive Fonds, bei manchen lassen aber Produktklarheit und Produktwahrheit zu wünschen übrig. Da investiert zum Beispiel ein renommierter Mischfondsmanager schon einmal in größerem Ausmaß in hoch riskante Kryptowährungen.

Wertschaffung über Smart Beta

„Die Arbeit von Regulatoren, Börsen, Emittenten und Marktteilnehmern hat sehr dazu beigetragen, dass die ETFs als Gewinner aus der letzten volatilen Marktphase gehen“, betont Külps. „Und nicht zuletzt wächst das Angebot an ETFs auch immer weiter.“ Börsennotierte Indexfonds sind inzwischen eben nicht nur Produkte, die große Aktienindizes abbilden. ETFs bilden über Smart-Beta-Produkte langfristig wertschaffende Aktienfaktoren ab, die von Wissenschaftlern erforscht werden. ETFs revolutionieren auch den Anleihemarkt und manch ein institutioneller Investor, der früher direkt bestimmte Anleiheemissionen gekauft hat, erwirbt inzwischen ETFs; nicht zuletzt auch, weil sie häufig einen einfacheren und mithin breiter diversifizierten Zugang zu bestimmten Anleiheklassen bieten.

Deutlich holen ETFs übrigens in Bezug auf Nachhaltigkeit auf. Denn Nachhaltigkeit und Klimaschutz entwickeln sich mehr und mehr zum Branchenstandard in der Fondsindustrie, insbesondere nachdem die EU-Offenlegungsverordnung in Kraft getreten ist, die nachhaltig ausgerichtete Fonds klar kennzeichnet. Was vor Jahren kaum jemand in der Investmentbranche gedacht hatte, entpuppt sich jetzt als Wirklichkeit: ETFs können (fast) alles.

Neu ist auch eine Veränderung in den Distributionskanälen von Fonds. Aktive Produkte wurden in der Vergangenheit meist über Banken, und dort von Wertpapierberatern verkauft. Nun hat der Gesetzgeber durch Mifid II die Beratung erschwert und zudem einen Dokumentendschungel geschaffen. Vor diesem Hintergrund sind bei den privaten Anlegern die Selbstentscheider auf dem Vormarsch. Zu den bekannten Discountbrokern kommen nun noch die Finanzapps hinzu. Klar, dass diese bei jungen Leuten, die mit Handy und digitalen Formaten bestens vertraut sind, auf Anklang stoßen.

Darüber hinaus werden von den App- und Discountbrokern immer mehr kostengünstige ETF-Sparpläne angeboten, und die Zahl dieser Sparpläne steigt derzeit massiv. Per Ende April hat sich die Anzahl der ETF-Sparpläne in Deutschland binnen Jahresfrist um mehr als 50 % auf rund 2,5 Mill. erhöht. Und für das Jahr 2025 prognostizieren Extra-ETF und BlackRock einen Anstieg auf 9 Mill. ETF-Sparpläne hierzulande.

Übrigens werden ETFs inzwischen auch zunehmend bei institutionellen Investoren eingesetzt. Um zum Beispiel eine US-Aktienquote abzudecken, wird gerne ein ETF auf den marktbreiten S&P 500 eingesetzt. Denn die Profis wissen, dass ETFs in sehr effizienten Märkten nur sehr schwer zu schlagen sind. Auch nutzen zahlreiche aktive Fondsmanager ETFs in ihren Produkten, und das zum Beispiel auch in Mischfonds. Insofern ist der Gegensatz zwischen passiver und aktiver Geldanlage keineswegs so groß, wie er bisweilen medial dargestellt wird.

Vor dem Hintergrund des ausgeprägten ETF-Booms muss aber gewarnt werden: ETFs sind ein transparenter, kostengünstiger Mantel für Anlagen am Kapitalmarkt, sie sind aber keine „eierlegende Wollmilchsau“, welche die Probeme der Assetallokation quasi automatisch löst. Um zwei Beispiel zu nennen: Wer einen bestimmten Themen- oder Branchen-ETF kauft, wird damit Schiffbruch erleiden, wenn die Branche sich klar negativ entwickelt. Das ist dann nicht anders als bei einem aktiven Themen- oder Branchenfonds. Entsprechendes gilt auch für Länderfonds oder andere sehr spezielle ETFs.

Es gibt ja durchaus Anleger, die mit konzentrierten Investments in einzelne Aktien wie zum Beispiel Wirecard, oder vielleicht auch Adler Modemärkte, ihr Vermögen verloren haben. Übrigens liegen auch manche Profi-Investoren bisweilen richtig schief, was sich auch an Pleiten von Hedgefonds zeigt. Vor diesem Hintergrund ist eine möglichst breite Streuung von Anlagen wichtig, weil sie eben Risiken deutlich reduziert. „Langfristig orientierte Anleger können sehr einfach auf einen ETF setzen, der breit streut“, erläutert Meyer zu Drewer. „Dabei können sie mit der Wahl von entsprechend breit gestreuten Indizes auf globale Titel setzen oder auch auf europäische oder nationale Titel.“

Core-Satellite ist sinnvoll

Eine häufig angewandte und sinnvolle Strategie ist es, zwischen Kerninvestments (Core) und sogenannten Satelliten zu unterscheiden. Das Kern-Engagement sollte dabei immer breit gestreut sein. Zu einem stabilen Kern lassen sich dann durchaus einzelne riskantere Spekulationen wagen.

Das können einzelne Aktien sein, bestimmte aktive Fonds, und natürlich auch riskantere Themen- oder Branchen-ETFs. Natürlich sollte bei dieser Strategie der stabile, breit diversifizierte Kern den Großteil des Portfolios ausmachen.

Im Moment laufen die Aktienmärkte noch nach oben, und wer in den vergangenen Jahren über ETFs oder aktive Fonds auf die Weltaktienmärkte gesetzt hat, hat hohe Gewinne erzielt. Aber Aktienmärkte steigen nicht immer und durchweg, das gilt es stets zu berücksichtigen. Meyer zu Drewer schlägt für denjenigen, der nicht nur in Aktien investieren will, einen Portfolio-ETF als Kerninvestment vor. Auch Külps hält diese Multi-Asset-ETFs für eine gute Lösung. Denn durch ihre feste Gewichtung von Aktien und Anleihen könnten sich Anleger darauf verlassen, dass das Risikoprofil stets ihren Bedürfnissen entspreche.

Das Problem des Niedrig- beziehungsweise Nullzinsumfelds in Euroland können natürlich ETFs auch nicht lösen. Immerhin gibt es auch börsennotierte Indexfonds auf Corporate Bonds, Anleihen von Schwellenländern oder inflationsgeschützte Anleihen, die eine Alternative in der aktuellen Zinssituation darstellen können.

Das kurzfristig durchaus relativ hohe Aktienrisiko können Anleger neben einer breiten Streuuung leicht durch ratierliche Käufe und einen langfristigen Anlagehorizont senken. Nach Ansicht von Meyer zu Drewer sind ETFs hervorragend für Sparpläne geeignet: „Denn ihre niedrigen Kosten wirken sich langfristig auf die Wertentwicklung aus.“ Und Vanguard-Mann Külps ergänzt: „Ein Sparplan-Format schützt Anleger zusätzlich davor, in Krisensituationen panisch zu reagieren.“ Nicht zuletzt zeigen auch die Analysen des Deutschen Aktieninstituts und des deutschen Fondsverbands BVI, dass es sich hierzulande stets gelohnt hat, langfristig über Sparpläne in Aktien anzulegen.

Wachstumstreiber Nachhaltigkeit

Einen neuen Wachstumstreiber der ETF-Industrie stellen gerade nachhaltige börsennotierte Indexfonds dar. Alle Anbieter sind auf diesem Gebiet sehr aktiv. Marktführer BlackRock legt immer mehr nachhaltige ETFs in den verschiedensten Variationen auf und hat sich die Bekämpfung des Klimawandels als Ziel gesetzt. Lyxor hat eine Palette von speziellen Klimafonds begeben und ein umfangreiches Klima-Handbuch herausgegeben. Auch Amundi hat zahlreiche Klima-ETFs aufgelegt. Die DWS-Tochter Xtrackers hat zum einen angekündigt, in diesem Jahr für die gesamte Vermögensallokation auch eine ESG-Variante als ETF anzubieten. Zum anderen unterstreicht eine Studie von Create-Research, die von der DWS unterstützt wurde, dass die S-Säule der ESG-Kriterien – das sind Unwelt, Soziales und gute Unternehmensführung – , bei institutionellen Anlegern eine immer größere Rolle spielt.

Wenn nun Investoren vor allem auf nachhaltige Fonds setzen, so ist das für die ETF-Branche kein Problem. Denn die Anbieter haben ja in den vergangenen Wochen und Monaten etliche neue nachhaltige Produkte begeben. So gibt es ETFs auf große Aktienindizes wie den MSCI World inzwischen natürlich überall im nachhaltigen Gewand. Etliche „Rocket Scientists“ bei Indexanbietern wie MSCI & Co. entwickeln besonders nachhaltige Indizes. Investoren sollten aber gleichwohl genau hinschauen, was ein ESG-Index enthält, und was nicht. Die Gefahr des Greenwashigs besteht auch bei Indexfonds.

Insgesamt können ETFs in der Tat fast alles, auch Nachhaltigkeit. Und gerade junge Anleger kaufen verstärkt nachhaltige ETFs, manche schließen gar herkömmliche Investments völlig aus. Und der Kauf solcher ETFs erfolgt natürlich am liebsten via App.