IM INTERVIEW: PASCAL DUDLE, VONTOBEL

"Alternative Energien werden immer wettbewerbsfähiger"

Der Fondsmanager über Chancen von Windkraft und Solar, den Ausbau der Stromnetze und die Vorzüge attraktiver Unternehmen

"Alternative Energien werden immer wettbewerbsfähiger"

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein globaler struktureller Trend, der nun u. a. durch den Atomausstieg in Deutschland einen neuen Impuls erhält. Pascal Dudle, Fondsmanager bei Vontobel Asset Management, sieht nun einen geeigneten Zeitpunkt für Investitionen gekommen, weil die zu erwartenden Gewinne bei den beteiligten Unternehmen noch nicht eingepreist sind. Gute Chancen sieht er etwa bei Firmen, die am milliardenschweren Ausbau der Stromnetze beteiligt sind.- Herr Dudle, wann können erneuerbare Energien der tragende Pfeiler der weltweiten Stromversorgung sein?Alternative Energien haben bereits heute das Potential, über die nächsten Jahrzehnte zum tragenden Pfeiler zu werden. Dank technologischer Fortschritte und Volumeneffekten ist die Kostenkurve der alternativen Energien weiterhin fallend. Alternative Energien werden also immer wettbewerbsfähiger. Einem starken Anstieg sollte also nichts mehr im Weg stehen. Heute nutzen wir bis zu 20 % erneuerbare Energien, und über 80 % nicht erneuerbare Energien wie Kohle, Öl, Gas und Uran. Tendenziell steigen die Kosten der fossilen Energien, während jene der alternativen Energien sinken. In einzelnen Regionen und bei einzelnen Energieträgern sind wir bereits nahe an dem Punkt der sogenannten Grid Parity – dem Zeitpunkt, in dem erneuerbare Energien günstiger als herkömmliche werden.- Ist Europa dabei Vorreiter?Europa und insbesondere Deutschland besitzt bereits heute einen vergleichsweise hohen Anteil an erneuerbaren Energien, was insbesondere auf klare Rahmenbedingungen zurückzuführen ist. Wenn wir aber die heutigen Zuwachsraten anschauen, so sehen wir auch anderswo positive Entwicklungen. China und Indien zum Beispiel weisen ein starkes Wachstum auf, das über die nächsten Jahre anhalten wird. Etwa die Hälfte der weltweit neu installierten Kapazitäten im Windbereich im Jahr 2010 entfiel auf China.- Welchem Energieträger, welchem Land kommt denn die größte Bedeutung zu?Es wird mehrere Gewinner bei den alternativen Energieträgern geben, da nur ein intelligenter Energiemix die zukünftigen Energiebedürfnisse befriedigen kann. Dabei wird die Zusammensetzung wegen unterschiedlicher Bedingungen je nach Standort variieren. So wird die Solarenergie in Südeuropa zum Beispiel stärker vertreten sein als die Wasser- oder Windenergie, die in regen- oder windreichen Gebieten einen höheren Anteil ausmachen werden. Auch die Erdwärme hat Potenzial in dafür geeigneten Ländern wie Island oder den Philippinen.- Nun wird beispielsweise in Deutschland zurzeit sehr intensiv darüber diskutiert, dass das Stromnetz modernisiert werden muss. Wie ist Ihre Einschätzung?Bei dem Übergang zu einer stabilen, dezentralen Stromversorgung mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energieträger kommt der Netzinfrastruktur eine zentrale Rolle zu. Stromhandel findet in Europa schon lange statt, es geht jedoch darum, die Übertragungsverluste im Stromnetz so weit wie möglich zu reduzieren. Mit dem Aufkommen von Solar- und Windenergie steigen die Ansprüche an das Netz: Es muss so konzipiert sein, dass Strom aus unregelmäßig verfügbaren Quellen an den richtigen Ort gebracht und zunehmend auch gespeichert werden kann. Nur dann kann zum Beispiel Windenergie aus Norddeutschland nach Süden transportiert und sinnvoll eingesetzt werden.- Wie hoch ist das Volumen der notwendigen Investitionen in Deutschland, in Europa und weltweit?Was den Bereich intelligente Stromnetze betrifft: Im Jahr 2010 haben die zehn größten Länder, angeführt von China und den USA, mehr als 17 Mrd. Dollar in Technologien mit “Smart Grid”-Bezug investiert. Allein in Europa besteht Schätzungen zufolge ein Investitionsbedarf von 80 Mrd. Dollar. China muss in der nächsten Dekade jährlich 10 Mrd. Dollar aufbringen, um sein Stromnetz zu erweitern. Alles in allem sehen wir ein Investitionsvolumen von 500 bis 600 Mrd. Dollar für die nächsten zehn Jahre.- Aus welchen Sektoren kommen die Unternehmen, die davon am stärksten profitieren?Das sind zum Beispiel Hersteller von Spezialkabeln, Stromzählern und Transformatoren.- Was muss ein Unternehmen aus diesen Sektoren mitbringen, damit Sie seine Aktien kaufen?Generell bevorzugen wir Bereiche, die ein strukturelles Wachstum ausweisen. Die Firmen in der engeren Auswahl müssen eine attraktive Bewertung aufweisen, die von Faktoren wie erwarteter Cash-flow und Kursentwicklung abhängt.- Muss es ein Marktführer sein?Wir sind an Marktführern interessiert, investieren aber auch gerne in sehr innovative Firmen, die ein starkes Wachstum aufweisen können. Allerdings müssen sie bereits im Markt etabliert sein. Start-up-Unternehmen sind nicht unsere Sache.- Wenn wir nun auf die einzelnen genannten Sektoren blicken: Welche Werte sind Ihre Top Picks beim Aufbau der Smart Grids?Zu unseren Favoriten gehören Prysmian, ein spezialisierter Hersteller von Hightech-Kabeln, National Grid, ein britischer Versorger mit einem starken Standbein in den USA, und Mastec, eine Firma, die vom großen Erneuerungsbedarf bei der US-Netzinfrastruktur profitieren dürfte.- Wie sieht es beim Ausbau der erneuerbaren Energien aus?Kurzfristig wird der Ausbau sehr stark von den entsprechenden Rahmenbedingungen abhängen, was eine hohe Volatilität verursachen kann. Mittel- und langfristig führt kein Weg an erneuerbaren Energien vorbei. Das Wachstum wird anziehen, begleitet von hoher Innovation und dem Aufbau von Arbeitsplätzen. Wir sind überzeugt, dass der Aufschwung des Sektors erneuerbare Energien ein langfristiger struktureller Trend ist, der unter anderem durch die kritische Situation bei der nuklearen Energieerzeugung gefördert wird. Wir suchen generell nach Unternehmen, die in Bereichen mit hohen Markteintrittsbarrieren tätig sind. Zu unseren Favoriten gehört zum Beispiel Wacker Chemie. Diese spezialisierte Chemiefirma stellt eine Vielzahl von interessanten Produkten her, wie zum Beispiel Silizium zur Herstellung von Photovoltaikanlagen.- Und welche Bedeutung hat die viel diskutierte Verbesserung der Energieeffizienz?Dieser Bereich ist sehr zukunftsträchtig, und die in diesem Sektor tätigen Unternehmen verzeichnen einen guten Auftragseingang. Vielfach kann die Energieeffizienz mit kleinen Maßnahmen massiv erhöht werden. Ein Beispiel sind Elektromotoren, wie sie unter anderem in Pumpen eingesetzt werden. Bisher liefen diese entweder auf Hochtouren oder waren ausgeschaltet. Mit der “Variable Speed Drive”-Technologie, mit der man die Leistung genau regeln kann, verwenden sie immer nur so viel Energie, wie sie für eine Aufgabe brauchen.- Der anvisierte Zeitraum für den Ausbau der erneuerbaren Energien ist recht lang. Warum sollten Anleger schon jetzt in diesen Trend investieren?Wir sind überzeugt, dass erneuerbare Energie ein langfristiger struktureller Trend ist. Es ist ratsam, in solche Firmen zu investieren, bevor die Wachstumsaussichten in den Bewertungen vollumfänglich enthalten sind.- Fürchten Sie nicht, dass sich der Ausbau der erneuerbaren Energien etwa durch heftige politische Diskussionen in den einzelnen Ländern oder durch das Festhalten an der Atomenergie verzögern wird?Energiepolitik wird immer ein politisches Element beinhalten. Die internationale Koordination wird immer wichtiger, und hier spielt die Politik eine wichtige Rolle. Dabei kann eine regionale Abstimmung, etwa innerhalb von Europa, genügen. Es braucht keine globalen Lösungen. Die nuklearen Krisen der Vergangenheit – Tschernobyl und Three Mile Island – ließen den Ausbau der Kernenergie über Jahrzehnte zusammenbrechen. Das Gleiche könnte wieder passieren. Der Unterschied ist der, dass wir heute mehr alternative Energien zur Verfügung haben, die die Nuklearenergie teilweise ersetzen können.- Was macht Sie da so sicher?Im Zusammenhang mit herkömmlichen Energieformen wird die Unsicherheit immer größer. Man denke etwa an politische Unwägbarkeiten, Probleme mit der Finanzierung oder das Restrisiko. Wie sich das Umfeld verändern kann, zeigt die Entwicklung in Japan nach Fukushima. Im Rahmen eines Sonderbudgets der Regierung in Höhe von 50 Mrd. Dollar ist der Ausbau von alternativen Energieressourcen wie Solarenergie vorgesehen.- Mit welcher Rendite dürfen Investoren denn im Bereich New Energy langfristig planen?Wir gehen davon aus, dass Anlagen in diesem Wachstumsbereich zu überdurchschnittlichen Renditen führen. Die steigende Attraktivität dieses Sektors und die sich verbessernden Rahmenbedingungen sprechen für sich. Generell gehen wir davon aus, dass Überrenditen im unteren einstelligen Bereich über einen vollen Marktzyklus möglich sind.- Welchen Investmenthorizont halten Sie für angemessen?Wir sind langfristig orientierte Investoren, arbeiten jedoch nicht mit fixen Haltefristen auf Titelebene.—-Das Interview führte Thorsten Kramer.