RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: HERMANN KNOTT

Amerikanisches Gericht verurteilt Preistreiberei in Auktionsprozessen

"Deutsche Mitbieter können genauso schnell vor dem Kadi landen"

Amerikanisches Gericht verurteilt Preistreiberei in Auktionsprozessen

– Herr Knott, kürzlich hat ein amerikanisches Berufungsgericht die Preistreiberei im Wettbewerb unter Bietern verurteilt. Worum ging es bei diesem Fall?Das Urteil betrifft einen Streit zwischen zwei US-amerikanischen Wettbewerbern um das börsennotierte Immobilienunternehmen Sunrise. Ventas, der erste Kaufinteressent, sah sich auf dem sicheren Weg zur Übernahme, nachdem der zweite Bieter HCP aus dem Bieterverfahren ausgestiegen war. Also veröffentlichte Ventas ihr Angebot. Daraufhin legte HCP überraschend eine nachgebesserte Offerte vor. Die Folge war, dass die Aktionäre von Sunrise dem Angebot von Ventas nur unter der Bedingung zustimmten, den höheren Preis zu erhalten. Als Ventas akzeptieren musste, ließ HCP ihr Angebot fallen.- Was hat der Bieter, der Immobilientrust HPC, nach Ansicht der Richter falsch gemacht?Sie stuften das Verhalten von HPC als deliktischen Eingriff in einen Prozess ein, in dem für Ventas ein Vorteil zu erwarten gewesen wäre. Ventas hätte ja sonst das Vermögen von Sunrise zum ursprünglich vereinbarten Preis übernehmen können. So ein Eingriff wird im US-Recht als tortious interference, als unerlaubte Einflussnahme, bezeichnet. Das Gericht verurteilte HPC zur Zahlung der Differenz zwischen dem ursprünglich vereinbarten und dem tatsächlich gezahlten Preis, also von rund 101 Mill. Dollar Schadenersatz. Obendrein soll HPC Strafschadensersatz zahlen – den punitive damage. Das ist eine Eigenheit des US-Rechts, bei der der Schädiger für besonders verwerfliches Handeln zusätzlich Schadensersatz leisten muss.- Inwiefern ist der Entscheid der US-Richter auch für deutsche Firmen relevant?Das US-Urteil zeigt, wie schnell die Grenzen in einem Bieterprozess erreicht sein können. Deutsche Unternehmen, die in den USA an einem Bieterverfahren teilnehmen, können dort genauso schnell vor dem Kadi landen wie US-amerikanische. Schließlich gilt das Recht am Ort der Tat. Verurteilungen zu Schadensersatz aufgrund von tortious interference sind zwar selten, allerdings kann der Geschädigte in der pre-trial discovery vom Schädiger die Vorlage umfassender Informationen verlangen. Das erleichtert ihm die in solchen Verfahren schwierige Beweisführung enorm – ein Grund, weshalb die Erfolgschancen für solche Prozesse in den USA wesentlich höher sind als in Deutschland. Aber in der Regel wollen Geschädigte mit einer Klage wegen tortious interference meist nur einen gut dotierten Vergleich erzielen.- Welche Schadensersatzforderungen kommen auf ein Unternehmen zu, das der Preistreiberei verdächtigt wird?Kommt es trotz des unerlaubten Eingriffs zum Vertragsschluss, ist der wichtigste Schadensposten natürlich die Differenz zwischen ursprünglich vereinbartem und tatsächlich gezahltem Kaufpreis. Wird der Vertragsschluss vereitelt, kann der Geschädigte den entgangenen Gewinn und den Ersatz der Kosten verlangen. Ob der Mitbieter auch noch den punitive damage zahlen muss, ist eine Rechtsfrage. Die Höhe dieser Zahlung liegt meist im Ermessen einer Geschworenenjury.- Können es sich Unternehmen künftig nicht mehr leisten, in ein Bieterverfahren in den USA einzusteigen?Doch, auf jeden Fall. Die Richter betonen ja gerade die Bedeutung des Wettbewerbs unter den Bietern. Die Besonderheit des Falls liegt vielmehr darin, dass HCP nach Einschätzung des Gerichts gar nicht ernsthaft am Erwerb von Sunrise interessiert war. Die Ankündigung des nachträglichen Angebots von HCP sahen die Richter als Mittel an, um dem Wettbewerber Ventas Schaden zuzufügen. Wer dagegen echtes Interesse am Erwerb hat, braucht trotz des Urteils nichts zu befürchten. Um sich gegen unberechtigte Klagen zu wappnen, empfiehlt sich aber eine genaue Dokumentation der im Bieterverfahren durchgeführten Schritte.- Müssen Unternehmen, die in der jüngeren Vergangenheit in ähnliche Bieterverfahren verwickelt waren, jetzt mit Klagen rechnen?Ja, das Urteil wird bei allen noch nicht rechtskräftig entschiedenen Fällen, die vor US-Gerichten anhängig sind und tortious interference betreffen, zu berücksichtigen sein.—-Dr. Hermann. Knott, Attorney-at-Law (New York), ist Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft. Die Fragen stellte Walther Becker.