Amtshaftungsanspruch gegen BaFin fraglich
– Herr Dr. Otting, einige Kapitalanlagegesellschaften haben sich unlängst gerichtlich gegen die Untersagung ihrer Geschäftstätigkeit durch die BaFin zur Wehr gesetzt. Was ist der Hintergrund?Die BaFin hatte die Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen als erlaubnispflichtiges Finanzkommissionsgeschäft beurteilt. Finanzkommissionsgeschäft ist der Handel mit Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung. Auf dem Prüfstand der Aufsicht standen Konstruktionen, bei denen die Anlagegesellschaft formell Eigengeschäft betrieb, also im eigenen Namen handelte, dabei aber Geld der Kunden einsetzte, die wirtschaftlich am Erfolg der Finanzinstrumente wie Eigentümer partizipierten. Auch wenn dies formell kein Kommissionsgeschäft ist, vertrat die Aufsicht die Auffassung, bei wirtschaftlicher Betrachtung liege ein Handeln für fremde Rechnung vor. Die betroffenen Anlagegesellschaften verfügten nicht über eine Bankerlaubnis. Ihnen wurde aufgegeben, die getätigten Geschäfte abzuwickeln und in Zukunft zu unterlassen. Die Firmen klagten gegen die Verfügungen und bekamen teilweise Recht. Der Begriff des “Finanzkommissionsgeschäfts” sei nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu bestimmen. Von einem Kommissionsgeschäft könne nur die Rede sein, wenn das jeweilige Dienstleistungsunternehmen formal als Mittler zwischen den Anlegern und den Verkäufern der Finanzinstrumente stehe. – Welche Folgen hat dies?Die Auslegung der Bestimmungen des KWG über die Erlaubnispflicht von Finanzdienstleistungen muss sich näher am Wortlaut orientieren. Die Gerichte haben klargestellt, dass die Genehmigungsbedürftigkeit eines Finanzkommissionsgeschäftes an rein formalen Begriffen festzumachen ist. Der Hessische VGH Hessen hat klargestellt, dass die Aufzählung der genehmigungsbedürftigen Finanzgeschäfte in § 1 KWG abschließend, eine erweiternde Auslegung also nicht statthaft ist. – Unterdessen haben betroffene Firmen Amtshaftungsklagen gegen die BaFin angekündigt, um Schadenersatz vom Staat zu verlangen. Auf welcher Grundlage?Es kommt ein Amtshaftungsanspruch aus Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB in Betracht. Danach haftet der Staat bei einer Pflichtverletzung der für ihn handelnden Beamten. Voraussetzung ist, dass eine gerade dem Betroffenen gegenüber bestehende Pflicht verletzt wurde und der Amtswalter schuldhaft gehandelt hat. – Welche potenziellen Schäden sind hier in Betracht zu ziehen?Alle Schäden, die kausal auf die pflichtwidrige Amtshandlung zurückzuführen sind. Grundsätzlich kann sich der Anspruch auch auf entgangenen Gewinn richten. In Verlautbarungen der betroffenen Unternehmen werden “millionenschwere Amtshaftungsklagen” angekündigt, da ihr gesamtes Geschäftsmodell in Frage gestellt worden sei. – Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten dieser Ansprüche in den Fällen, in denen die Verwaltungsgerichte den Klägern Recht gegeben haben?Skeptisch. Der Amtshaftungsanspruch scheitert zwar nicht bereits an § 4 Abs. 4 FinDAG. Danach handelt die Aufsicht allein im öffentlichen Interesse. Mit dieser Vorschrift, deren Verfassungs- und Europarechtskonformität unlängst höchstrichterlich bestätigt wurde, sollten Ersatzansprüche Dritter, etwa mittelbar betroffener Anleger, gegen die Finanzaufsicht ausgeschlossen werden. Adressaten eines Bescheids können freilich, stellt dieser sich als rechtswidrig heraus, grundsätzlich Schadenersatzansprüche geltend machen. Entscheidend ist aber, dass ein Schuldvorwurf nicht erhoben werden kann. – Wieso nicht? Betroffen ist hier die Amtspflicht zu rechtmäßigem Verwaltungshandeln. Deren Verletzung kann nur am Maßstab ex ante gemessen werden. In einer der ergangenen Entscheidungen stellt die 1. Kammer des VG Frankfurt selbst heraus, dass die weite Auslegung der Aufsichtsbehörde wiederholt sowohl von der früher zuständigen 9. Kammer als auch vom VGH nicht beanstandet wurde. Zum Zeitpunkt der Untersagung befand sich die Behörde also offenbar im Einklang mit der maßgeblichen Rechtsprechung. Das VG Frankfurt hat dann seine Rechtsprechung geändert. Im Amtshaftungsrecht gilt der Grundsatz, dass eine spätere gerichtliche Missbilligung einer Entscheidung dem Amtsträger nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn die Entscheidung im Zeitpunkt ihres Erlasses auf nachvollziehbaren Erwägungen beruhte. Selbst bei einer für die Behörde negativen Gerichtsentscheidung kann sie an ihrer Auffassung festhalten, solange das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Ein Erfolg des Klägers im Eilverfahren hindert die Behörde also grundsätzlich nicht, ihre Position aufrechtzuerhalten.Dr. Olaf Otting ist Partner bei Gleiss Lutz in Frankfurt.Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.