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Anlageberater müssen "Börsen-Zeitung" lesen

BGH-Urteil präzisiert Beratungspflicht von Banken

Anlageberater müssen "Börsen-Zeitung" lesen

Von Thomas List, Frankfurt Wer als Bank seinen Kunden Anlageempfehlungen geben will, muss sich aktuelle Informationen über das Analgeobjekt verschaffen. Dazu gehöre die Auswertung der Wirtschaftspresse, heißt es in einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. XI ZR 89/07). Genannt werden dabei “Börsen-Zeitung”, “Financial Times Deutschland”, “Handelsblatt” und “Frankfurter Allgemeine Zeitung”. Damit bezieht sich der Elfte Senat auf sein sogenanntes Bond-Urteil (XI ZR 12/93) zu den Beratungspflichten bei Anleihen. Nicht erforderlich sei hingegen die Auswertung sämtlicher Brancheninformationsdienste. Fehlerhafte EmpfehlungIn dem jetzt zu entscheidenden Fall ging es um eine Schadenersatzklage gegen eine Volksbank wegen fehlerhafter Anlageberatung. Die von der Bank empfohlene Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds erwies sich als unrentabel. Strittig war in dem Verfahren unter anderem, ob die Kunden im Beratungsgespräch über ein negatives Urteil im “Prospekt-Check” des Brancheninformationsdienstes “kapitalmarkt intern” hätten informiert werden müssen. Der BGH stellt dazu fest, dass die Bank nicht verpflichtet sei, “kritische Berichte in sämtlichen Informationsdiensten uneingeschränkt zur Kenntnis zu nehmen und die Anleger unabhängig von der Berechtigung der dort geübten Kritik an einem Anlagemodell auf die Existenz solcher Berichte hinzuweisen . . .”. Dies “würde zu einer uferlosen, kaum erfüllbaren Ausweitung der Pflichten von Anlageberatern und einer damit einhergehenden weitgehenden Verlagerung des Anlegerrisikos auf den Berater führen.” Vielmehr könne die Bank “selbst entscheiden, welche Auswahl sie trifft, solange sie nur über ausreichende Informationsquellen verfügt”.Anders liegt der Fall aber, wenn die Bank negative Berichte von Brancheninformationsdiensten kennt. Dann müsse der Bericht bei der Prüfung des Anlageobjekts berücksichtigt werden, “insbesondere in Bezug auf konkret angesprochene Mängel und Risiken”. Dabei spiele es keine Rolle, ob das Medium üblicherweise ausgewertet werde, heißt es in dem Urteil. Vertritt eine Publikation aber (noch) eine Einzelmeinung, müsse die Bank ihre Kunden “nicht ohne Weiteres” darauf hinweisen. Allerdings könne es sein, dass das Institut im Rahmen seiner Prüfungspflicht selbst auf das in der Publikation genannte Risiko hätte stoßen und deshalb seine Kunden hätte informieren müssen. Kritischer SachverstandDer BGH weist in dem Urteil darauf hin, dass die Bank aufgrund des mit dem Kunden bestehenden Beratungsvertrags nicht nur zu einer Plausibilitätsprüfung des Emissionsprospekts verpflichtet sei, sondern zu einer eigenen Prüfung mit “banküblichem kritischem Sachverstand”. Habe die Bank das Produkt in ihr Anlageprogramm aufgenommen, so könne der Kunde davon ausgehen, dass die Bank es für “gut” befunden habe. Bei einer positiven Prüfung muss sie “den Anlageinteressenten auf alle bei ordnungsgemäßer banküblicher Überprüfung erkennbaren Risiken der Anlage hinweisen”. Grenzen der HaftungFür eine mögliche Haftung der Bank nennt der Bundesgerichtshof zwei Bedingungen. Sie komme nur dann infrage, “wenn bei dieser Prüfung ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen”, oder wenn die Anlageempfehlung erkennbar nicht anleger- und/oder objektgerecht gewesen sei.