ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Auf emissionsarme Firmen in Europa setzen

Börsen-Zeitung, 11.10.2011 Meldungen über schmelzende Gletscher, Waldbrände und Überschwemmungen an zahlreichen Orten der Welt sind vermehrt auf den Titelseiten der Zeitungen zu finden. Wohl auch deshalb sieht das Weltwirtschaftsforum in Davos den...

Auf emissionsarme Firmen in Europa setzen

Meldungen über schmelzende Gletscher, Waldbrände und Überschwemmungen an zahlreichen Orten der Welt sind vermehrt auf den Titelseiten der Zeitungen zu finden. Wohl auch deshalb sieht das Weltwirtschaftsforum in Davos den Klimawandel als größtes ökonomisches Risiko der Zukunft. Welche Implikationen hat der Klimawandel auf die Vermögensanlage? Anlageexperten empfehlen, bereits jetzt einen gewissen Teil des Vermögens klimasensitiv auszurichten. Emissionsarme Unternehmen und Anlagen in Europa stehen hierbei im Fokus.Gemäß einer Analyse von Swiss Re werden die klimabedingten Schäden bis zum Jahr 2030 um bis zu 70 % zunehmen. Mercer Investment Consulting sieht in seiner Studie zum Klimawandel Kosten von 8 Bill. Dollar bis 2030 auf die Unternehmen zukommen. Die physischen Auswirkungen des Klimawandels sind langfristiger Natur, und Vorhersagen von Klimawissenschaftlern dienen als Orientierung. Die Mehrheit der Forscher erwartet 2 bis 4 Grad Erwärmung in diesem Jahrhundert.Was sind die Implikationen? Glaubt man den Analysen vom schweizerischen Bundesamt für Umwelt und Naturschutz, wird spätestens ab dem Jahr 2050 die Schneesicherheit in tiefer gelegenen Skigebieten ein Problem für die Tourismusindustrie. Im Sommer dagegen führen die Flüsse weniger Wasser. Dies ist zum Beispiel für Wasserkraftwerke problematisch. Im Vergleich zu Entwicklungsländern kommt die Schweiz jedoch glimpflich davon. So steigt in Ländern wie Indien die Wahrscheinlichkeit von humanitären Katastrophen signifikant, weil der Monsun häufiger zu stark oder zu schwach ausfällt.Die Wasserknappheit wird getrieben durch Misswirtschaft sowie das Bevölkerungs- und das Konsumwachstum. Insbesondere der Westen der USA, Südeuropa, Indien und China sind betroffen. Die dort ohnehin bestehende Wasserknappheit wird durch die negativen Klimaeffekte in der Regel noch verstärkt. Länder mit schwacher Infrastruktur sind besonders betroffen. Firmen müssen verlässliche Lösungen finden – z. B. die Esperanza-Goldmine in Chile, die Salzwasser aus dem Pazifik auf 2 200 Höhenmeter pumpen muss, um den Betrieb zu sichern. Europa ist VorreiterDie Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 war eines der größten Treffen der Diplomatiegeschichte, aber gleichzeitig eine der am wenigsten erfolgreichen. Die Delegierten einigten sich auf einen unverbindlichen Minimalkompromiss. Europa ist bis auf Weiteres eine der wenigen Regionen, in denen Treibhausemissionen einen Preis haben. Z. B. müssen Fluggesellschaften ab 2012 Emissionszertifikate kaufen, und ab 2013 werden diese nicht mehr nur zugeteilt, sondern versteigert. Emissionen wirken sich somit real auf die Kostenstruktur der Industrie aus.Unternehmen müssen sich zahlreiche Fragen stellen: Wie hoch sind die Treibhausemissionen meines Unternehmens? Besteht die Möglichkeit, den Ausstoß zu senken? Können die Kosten an die Verbraucher weitergegeben werden? Produzierte Emissionen hängen oft direkt vom Energieverbrauch ab, d. h. eine Strategie zur Reduzierung von Treibhausgasen profitiert auch von steigenden Energiepreisen. Das einzige Emissionshandelssystem außerhalb Europas ist in Neuseeland – in Kalifornien, Australien und Südkorea bestehen Pläne für die Einführung eines Emissionshandelssystems. Bislang untergeordnete RolleKlimaveränderungen sind im Prinzip leichter vorherzusagen als Inflation und Konjunktur. Da die Erwärmung jedoch sehr langsam passiert, spielt sie bisher nur eine untergeordnete Rolle bei der Anlagestrategie. Allerdings findet ein Umdenken statt. Große institutionelle Investoren beachten zunehmend das Thema Klimawandel. Laut einer Studie von Mercer Investment Consulting ist es angebracht, einen wesentlichen Teil des Portfolios in klimasensitive Anlagen, wie Infrastruktur, Real Estate, Private Equity, Landwirtschaft, Holzindustrie und nachhaltige Aktien, zu investieren.Die drei größten Unsicherheitsfaktoren bei der Definition einer Anlagestrategie sind regionale Unterschiede bei der Regulierung, physische Einflussfaktoren sowie radikale Politikveränderungen. Die physischen Effekte und die politischen Reaktionen werden von Region zu Region unterschiedlich sein. Deshalb ist eine Allokation nach geografischen Gesichtspunkten der Schlüssel zu einer klimasensitiven Anlagestrategie.Anleger sollten z. B. in Unternehmen mit guten Emissionswerten in Europa investieren und die Klimadebatte in anderen Ländern verfolgen. Überdies empfiehlt es sich, den Anteil der Wachstumsmärkte und Sektoren zu begrenzen, die durch den Klimawandel unberechenbarer werden, oder zumindest die Risiken im Detail zu prüfen. Fünf SegmenteAuf jeden Fall ist eine signifikante Allokation in den Clean-Tech-Bereich und in nachhaltige Anlagen ratsam, um die Wachstumsmöglichkeiten aufgrund des absehbaren Klimawandels im Portfoliokontext abzubilden. Fünf Segmente stehen dabei im Vordergrund: alternative Energien, Energieeffizienz, Umweltmanagement, Wasser sowie Land- und Forstwirtschaft. Neben Private-Equity-Anlagen kann auch schon in zahlreiche notierte Unternehmen investiert werden. Entscheidend ist es, ein Auge auf die Liquidität der Aktien zu haben, damit in Fällen radikaler Anpassungen der jeweiligen politischen Rahmenbedingungen rasch reagiert werden kann. Risiken im Blick behaltenBei Anleihen sollten zusätzliche Risikofaktoren bei der Anlage, sowohl bei Staats- als auch bei Unternehmensanleihen, in Betracht gezogen werden. Wenn Staaten z. B. ihre Emissionen nicht unter Kontrolle bringen und sich das Klima drastisch ändert, kann die wirtschaftliche Entwicklung auf breiter Front verlangsamt werden. Solange Europa jedoch mit dem Emissionshandel auf Kurs bleibt und Aussichten auf internationale Abkommen zum Klimaschutz bestehen, ist dies unwahrscheinlich. Dass der Klimawandel zunehmend an Bedeutung gewinnt, zeigt auch die Berücksichtigung klimaspezifischer Risikofaktoren bei der Bewertung durch die etablierte Ratingagentur Standard & Poor’s.