Recht und Kapitalmarkt

Aufsichtsräte brauchen mehr Professionalität

Verschärfte Anforderungen an Qualifikation und Zusammensetzung der Gremien - Beitrag zur Nachhaltigkeit

Aufsichtsräte brauchen mehr Professionalität

Von Daniela Weber-Rey *) Die Politik in den Mitgliedstaaten wie auch in der EU-Kommission hat falsche Anreize bei der Managervergütung als einen der Treiber der Finanzmarktkrise ausgemacht. Es wurde die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit der Leistung durch längerfristige Staffelung der Vergütung unter Einbeziehung negativer Entwicklungen eingeführt und umfassende weitere Regelungen getroffen.Ob allerdings Exzesse bei der Vergütung einiger weniger tatsächlich Treiber dieser Finanzmarktkrise gewesen sein können, ist fraglich. Sicher scheint jedoch, dass eine höhere Kompetenz der Aufsichtsorgane und der Aufsichtsbehörden im Umgang mit Fehlentwicklungen beim Risikomanagement und im Zuge dessen auch der Anreiz- und Vergütungsstruktur geholfen hätte, zu verhindern, Missstände in einzelnen Banken zu einer Finanzmarktkrise eskalieren zu lassen. Kodex-Kommission reagiertDie deutsche Corporate-Governance-Kommission hat bereits im Januar dieses Jahres deutlich gemacht, dass sie zwei Themen als unmittelbar regelungsbedürftig erkannt hat, gerade auch infolge der Finanzmarktkrise: Vorstandsvergütung und Professionalisierung der Aufsichtsräte.Während es sich bei dem Vergütungskomplex um eine Regulierungsthematik handelt, geht es bei der Forderung nach einer Professionalisierung der Aufsichtsräte letztlich nicht um verschärfte Regulierung, sondern vor allem um die Sicherstellung einer besseren Umsetzung vorhandener (und auch neuer) Regulierung, das heißt um die Nachhaltigkeit wirtschaftlichen Wirkens.Zum Thema der Professionalisierung der Aufsichtsräte gehören verschärfte Anforderungen an die Qualifikation des einzelnen Mitglieds und erhöhte Anforderungen an die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrats in seiner Gesamtheit. Der Gesetzgeber hat zusätzlich zu den allgemeinen Kriterien “Kenntnis, Fähigkeit und Erfahrung” im neuen Finanzmarktaufsichtsstärkungsgesetz Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Sachkunde von Aufsichtsratsmitgliedern für den Finanzsektor entwickelt, die insbesondere einer Steigerung der Qualität der Leistung des Einzelnen dienen sollen.Die besonderen Anforderungen für den Finanzsektor, wie sie gerade durch die Finanzmarktkrise deutlich geworden sind, sollten jedoch nicht unbedacht auch generell für Aufsichtsratsmitglieder außerhalb des Finanzsektors eingeführt werden. Das gilt auch für die richtige Umsetzung des Koalitionsvertrags, der die Professionalisierung des Aufsichtsrats unterstützt und die Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten weiterentwickeln möchte.Wichtiger aber noch als die Qualifikation einzelner Mitglieder des Aufsichtsrats erscheint die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Ihr wurde und wird in Deutschland nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet. Die Verschärfung der Verantwortlichkeit und damit einhergehende Haftungsrisiken für Aufsichtsräte seit dem sogenannten KonTraG im Jahr 1998 machen deutlich, dass in jedem Fall nicht an jedes einzelne Mitglied eines Aufsichtsrats all jene Anforderungen gestellt werden können, die an Qualitäten in einem Aufsichtsrat, gleich welchen Industriesektors, in unserer global vernetzten Welt vorgehalten werden müssen. Diversität angeratenDas Unternehmensinteresse, dem sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat als oberstes Gebot verpflichtet sind, verlangt, dass sich ein Aufsichtsrat aus Mitgliedern zusammensetzt, die über die Mindestfähigkeiten des einzelnen Mitglieds hinaus zusammen über die für die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche Diversität von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen. Verlangt wird also eine heterogene Zusammensetzung des Aufsichtsrats und damit die Herstellung der Diversität, die wesentlich zur Belebung einer Diskussion und zum Hinterfragen anstehender Entscheidungen im Aufsichtsrat beiträgt. Die Forderung nach Diversität wird oft auf eine Forderung nach erhöhter Repräsentanz von Frauen reduziert. Es ist wichtig, den Frauenanteil in Aufsichtsräten zu erhöhen. Es stellt eine wirtschaftliche Verschwendung dar, das Potenzial der Frauen nicht zu nutzen und keine bessere Durchlässigkeit der Spitzengremien der Wirtschaft für Frauen herzustellen. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass die Koalition einen Stufenplan zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten vorlegen möchte.Eine heterogene Zusammensetzung des Aufsichtsrats bedeutet aber auch, das richtige Verhältnis zwischen sogenannten unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern und dem Unternehmen nahestehenden Aufsichtsratsmitgliedern, gar Eigengewächsen, zu finden. Vielleicht nicht unabhängig, aber von besonderem Wert sind gerade auch solche Aufsichtsratsmitglieder, die auf eine Karriere im selben Industriezweig, etwa als Vorstand, zurückblicken, unter Umständen auch (zukünftig in der Regel in den Grenzen der neuerdings vorgeschriebenen zweijährigen Karenzzeit) aus dem eigenen Unternehmen kommen. Gerade Letzteres hat sich nach Studien aus diesem Jahr für den Finanzsektor als besonders förderlich für ein relativ besseres Abschneiden in der Finanzmarktkrise erwiesen.Mit unabhängigen Mitgliedern hingegen sollen solche Mitglieder erfasst werden, die weder aufgrund wirtschaftlicher, beruflicher noch persönlicher Kontakte zu der Gesellschaft oder ihrem Vorstand Interessenkonflikten ausgeliefert sein können. Weder das eine – Unabhängigkeit – noch das andere – größere gewachsene Nähe zu dem Unternehmen – sind das allein Seligmachende. Vielmehr kommt es auf die richtige Mischung an. Kandidatenpool erweiternDie heterogene Zusammensetzung des Aufsichtsrats muss einer Mischung aus unternehmensnahen und unternehmensfernen Mitgliedern entsprechen, sodass die vorgehaltenen Kompetenzen in ihrer Gesamtheit dem Unternehmensinteresse optimal zu dienen geeignet sind.Darüber hinaus ist klar, dass es die gestiegenen Anforderungen an zeitlicher Verfügbarkeit und persönlicher Kompetenz zwingend erforderlich machen, den Kandidatenpool für eine solche heterogene Zusammensetzung des Aufsichtsrats zu erweitern – um Männer, die vielleicht nicht im selben Sektor Vorstandserfahrung vorzuweisen haben, und eben auch um Frauen, deren Repräsentanz es deutlich zu erhöhen gilt.Heterogene Zusammensetzung des Aufsichtsrats bedeutet aber auch, je nach Bedarf des einzelnen Unternehmens die richtige Mischung aus Aufsichtsratsmitgliedern mit deutscher und internationaler Erfahrung zu erzielen. Hierbei zählt nicht nur Auslandserfahrung deutscher Aufsichtsratsmitglieder. Vielmehr ist auch die Bereicherung durch ursprünglich andere kulturelle Erfahrungen, also Mitglieder aus dem Ausland, nicht zu unterschätzen. Die Befruchtung durch einen neuen Blickwinkel und Austausch ist das Ziel.Die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrats soll dabei helfen, zum Wohle des Unternehmens zu handeln, und dies nachhaltig. Eine Formel wird dieser Anforderung nicht gerecht. Wohl aber ist es zwingend, dass sich Aufsichtsräte, Personalberater, Aufsichtsbehörden und letztlich auch zum Beispiel institutionelle Investoren gezielt bemühen, der Forderung nach Diversität zur gemeinsamen ordnungsgemäßen Ausübung der Aufgaben in einem Aufsichtsrat gerecht zu werden.Zwingend ist es also, die Erweiterung des Kandidatenpools in Deutschland zu erreichen und zu fördern. Das erfordert einen offenen Blick, mehr Vertrauen in die Fähigkeiten anderer Berufsgruppen und den Verzicht auf vorhandene Netzwerke. Außerdem brauchen wir mehr Einsatz für die Aus- und Weiterbildung potenzieller Aufsichtsratsmitglieder. Die Erweiterung des Kandidatenpools für Aufsichtsratsmitglieder und die Förderung seiner Kompetenz sowie die Beachtung einer heterogenen Zusammensetzung des Aufsichtsrats unter besonderer Berücksichtigung der Diversität dienen nur einem Ziel: der Förderung des Unternehmensinteresses und eben nicht von Partikularinteressen. Die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrats und dessen Professionalisierung stellen einen Beitrag zur Nachhaltigkeit dar.—-*) Daniela Weber-Rey ist Partnerin im Frankfurter Büro von Clifford Chance und Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex.