PORTFOLIO

Augen auf bei Mittelstandsanleihen

Hohe Kupons wirken verlockend - Risikostrukturen der Geschäftsmodelle und Finanzierungssituation sind jedoch beachten

Augen auf bei Mittelstandsanleihen

Bei Mittelstandsanleihen sollte der Blick nicht nur den verlockend hohen Kupons gelten. Hohe Zinsen bedeuten auch Risiko. Anleger sollten sehr genau die Geschäftsperspektiven und die Finanzierungssituation dieser Unternehmen vor einem Investment prüfen.Von Kai Johannsen und Armin Schmitz, FrankfurtDas große Interesse der Privatanleger an Anleihen von Underberg, Valensina, Air Berlin oder German Pellets erinnert an den Neuen Markt in seinen Anfängen. Hohe Zinskupons von 6,5 % bis 9,25 % der Anleihen von Firmen aus dem Mittelstand lösten die Begierde der Anleger aus. Da Bundeswertpapiere mit fünfjähriger Laufzeit momentan gerade einmal 2,15 % und Bundestitel mit doppelt so langer Laufzeit knapp 3 % abwerfen, stoßen diese Hochzinsanleihen, die meist mit mittlerer Fälligkeit ausgestattet sind, bei den Anlegern auf große Aufmerksamkeit. Mit ganz wenigen Ausnahmen waren viele der Emissionen überzeichnet. Die Banken konnten Anleihen mit Volumina in der Größenordnung von 25 bis 180 Mill. Euro bei den Anlegern platzieren. Erstzeichner freuten sich bei einigen Papieren bereits am ersten Handelstag über Kursgewinne, da die Notierung deutlich über pari aufgenommen wurde.An Nachschub mangelt es nicht. Das Angebot an Anleihen nimmt von Woche zu Woche zu. Eine wachsende Zahl von Unternehmen aus dem Mittelstand hat die Anleihe als Alternative zum Bankkredit entdeckt, um sich Fremdkapital zu beschaffen. Mittlerweile sind in dem im vergangenen Jahr geschaffenen Segment für Mittelstandsanleihen der Börse Stuttgart – Bondm genannt – 17 Anleihen gelistet. Auch an den Börsen in Frankfurt, Düsseldorf, München und Hamburg/Hannover gibt es entsprechende Segmente für Mittelstandsbonds.Die Anleihen werden den Unternehmen – so hat es für Experten den Anschein – ungeachtet der Liquiditäts-, Finanzierungs- und Vermögenssituation, der Geschäftsmodelle bzw. deren Perspektiven sowie des Risikoprofils aus den Händen gerissen. Dabei negieren die Privatanleger, dass Rendite und Risiko in einer engen Beziehung zueinander stehen. Je höher der Kupon, umso höher auch das Kreditrisiko. Die mittelständischen Unternehmen werden meist von den Ratingagenturen Creditreform oder Euler Hermes bewertet. Die Namen international geläufigerer Ratingagenturen wie Standard & Poor’s (S & P), Moody’s oder Fitch sucht der Anleger vergeblich. Ein Blick auf die Benotungen zeigt, dass die hohen Kupons ihren Grund haben. Die Ratings der Unternehmen liegen meist im Bereich von Triple-B bis Doppel-B, aber auch Single-B ist anzutreffen. In Bezug auf die Sicherheit, Zins und Tilgung des Nominals schließlich auch zu erhalten, bedeutet das Folgendes: Bei einem Triple-B-Emittenten sprechen Ratingexperten von einer angemessenen Deckung von Zins und Tilgung. Es würden aber spekulative Elemente oder mangelnder Schutz gegen Veränderungen des wirtschaftlichen Umfeldes vorliegen. Bei Doppel-B wird noch von mäßiger Deckung von Zins und Tilgung gesprochen und das auch bei einem guten wirtschaftlichen Umfeld. Bei Einfach-B ist laut Experten nur noch eine geringe Deckung von Zins und Tilgung existent. Danach folgt der Bereich “CCC”, hier rangiert Griechenland. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Unternehmensratings vergeben werden und keine Anleiheratings. Anleiheratings wären meist schlechter als die Unternehmensratings (vgl. Interview auf dieser Seite).Experten warnen, dass Anleger oftmals nicht das Risiko dieser Mittelstandsanleihen vor Augen hätten und sich allzu leicht von den hohen Kupons anlocken lassen könnten. Sie raten dazu, sich die Geschäftsmodelle und vor allem die Mittelverwendung aus der Anleihe bei den Unternehmen anzusehen. Ein Blick auf die Cash-flows sei genauso wichtig wie eine Prüfung der Investitionsvorhaben. Wie stufen beispielsweise die Ratingagenturen die Projektpipeline im Hinblick auf deren Realisierbarkeit ein? Und vor allem: Wie steht es um die Finanzierung dieser vorgesehenen Projekte? Ziehen sich die Banken bereits zurück und nur noch die Anleiheinhaber sollen das Geld bereitstellen? Das können laut Experten alles Warnzeichen sein. Im Notfall droht SippenhaftProbleme könnten auf diese Marktsegmente zukommen, wenn das erste Unternehmen mit einem Kreditereignis aufwartet, d. h. für Zins und/oder Nominal nicht mehr aufkommen kann. Dann könnte der Markt sehr schnell geschlossen sein. Das wäre gerade für solide Mittelständler eine Katastrophe. Verwerfungen, die von nicht kapitalmarktreifen Unternehmen ausgelöst werden, würden am Markt zu einer Situation führen, die sich trefflich mit Sippenhaft beschreiben lässt.Auch die Griechenland-Krise zeigt nach Einschätzung eines Hamburger Family Office bereits erste Auswirkungen auf den Mittelstandsmarkt: “Bedingt durch die teilweise extrem kleinen Emissionsvolumina gibt es bereits jetzt bei manchen Titeln schon keine Ankaufskurse mehr. Der Investor braucht also jetzt schon eine gewisse Marktkenntnis, Ausdauer und manchmal auch eine Portion Glück für den Verkauf seiner Papiere. Bei einem Zahlungsausfall eines Landes wird es dazu kommen, dass auch der letzte Rest Liquidität aus diesen Märkten verschwindet; dies hat sich bereits 2008 sehr deutlich gezeigt. Die Spannen zwischen An- und Verkaufskursen werden sich auf viel tieferen Niveaus dramatisch ausweiten und ein Verkauf damit so gut wie unmöglich werden”, sagt Alexander Daniel, Chef des Hamburger Family Office Knapp-Voith.