INVESTMENTFONDS - GASTBEITRAG

Außerbörsliche Unternehmen in Schwellenländern bieten Chancen

Börsen-Zeitung, 9.1.2013 Auf die Schwellenmärkte entfallen inzwischen rund 30 % der globalen Marktkapitalisierung. Ihr besonderer Reiz besteht im raschen Wirtschaftswachstum, das im Schnitt fünfmal so hoch ist wie in Industrieländern. Das...

Außerbörsliche Unternehmen in Schwellenländern bieten Chancen

Auf die Schwellenmärkte entfallen inzwischen rund 30 % der globalen Marktkapitalisierung. Ihr besonderer Reiz besteht im raschen Wirtschaftswachstum, das im Schnitt fünfmal so hoch ist wie in Industrieländern. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf hat in vielen Schwellenländern rapide zugenommen. Dadurch ist eine Mittelschicht entstanden, die verstärkt Konsumgüter und Dienstleistungen nachfragt. Außerdem sind die Verschuldungsquoten dieser Länder niedrig, und ihre Devisenreserven übersteigen vielfach die von Industriestaaten. Viele Schwellenmärkte warten mit vorteilhaften demografischen Trends und einer deutlich jüngeren Bevölkerung auf.Als langfristige Schwellenmarktinvestoren entdecken wir in diesem Segment derzeit eine Fülle unerschlossener Private-Equity-Chancen, vor allem bei kleinen bis mittleren Unternehmen. Das liegt in erster Linie am Wachstum und an der Dynamik der Volkswirtschaften, die in aller Regel im Vergleich zu wirtschaftlich hoch entwickelten, reifen Staaten einen höheren Anteil an kleineren, wachstumsstärkeren Unternehmen aufweisen. In diesem Artikel werden die Anlagechancen ausgelotet, die Schwellenmärkte langfristigen Anlegern im Private-Equity-Universum bieten. Andere VorgehensweiseBei Private-Equity-Investitionen in Schwellenländern ist eine grundlegend andere Herangehensweise verbreitet als in Industrieländern üblich. Die auf etablierten Märkten gängigeren Leveraged Buy-outs sind in Schwellenländern seltener, was verschiedenen Faktoren wie den im Verhältnis weniger ausgereiften Kapitalmärkten, dem Mangel an verfügbarem Bankkapital, dem Verbot ausländischen Mehrheitseigentums sowie einer starken Familienbetriebskultur zuzuschreiben ist. Angesichts der durch lokales Wissen und lokale Beziehungen bestehenden Vorteile könnte es diesen Unternehmen tatsächlich schaden, wenn die amtierende Unternehmensleitung abgelöst würde.Stattdessen ergeben sich häufig Chancen, wenn wachstumsstarke mittelständische Unternehmen auf der Suche nach “Expansionskapital” oder finanziellem Sachverstand ein neues Entwicklungsniveau erreichen. Potenzielle Anlagegelegenheiten bieten vor allem kleinere Unternehmen mit besonders ausgeprägten Wachstumsmerkmalen. Der Private-Equity-Investor engagiert sich in diesem Fall zu einem Zeitpunkt, an dem das Wachstumspotenzial für das Unternehmen am höchsten ist. Noch gesteigert wird dieses Potenzial durch das rasche Wirtschaftswachstum, das sich in vielen Schwellenländern vollzieht. Außerdem sind die Industrien von Schwellenländern häufig stark fragmentiert. Es gibt viele kleine Unternehmen, sodass Private-Equity-Investoren unter Umständen die Aussicht haben, an einer Branchenkonsolidierung teilzuhaben.”PIPE”-Transaktionen (Private Investment in Public Equity) sind in Schwellenmärkten, vor allem in Indien, weiter verbreitet als in Industrieländern. Streubesitz und Börsenumsatz sind bei kleineren börsennotierten Unternehmen häufig geringer, was den Aufbau größerer Positionen über die öffentlichen Märkte erschwert. So erzielen von den rund 5 000 an den beiden Hauptbörsen Indiens notierten Unternehmen nur 500 einen monatlichen Aktienumschlag im Volumen von rund 1 Mill. Dollar und stellen zusammen rund 90 % der gesamten Marktkapitalisierung.Unter diesen Umständen bieten PIPE-Transaktionen eine reizvolle Möglichkeit, sich in einer Klasse mittelständischer, illiquider, aber wachsender Unternehmen zu engagieren. Anleger können nicht nur größere Minderheitsbeteiligungen aufbauen, sondern im Zuge der Private-Equity-Transaktion auch zusätzliche Aktionärsrechte aushandeln. Solche Rechte könnten für ansonsten als zu riskant erachtete Anlagen einen gewissen Abwärtsschutz bieten.Nicht börsennotierte Unternehmen unterliegen seltener kurzfristigen Marktschwankungen als börsennotierte und sind daher nicht im selben Maße Stimmungsextremen des Anlegerpublikums ausgesetzt. Außerdem bieten solche Anlagen durch ihre geschlossene Natur Unabhängigkeit vom kurzfristigen Ausblick. Der Manager eines Private-Equity-Fonds lässt sich in der Regel nicht zu unangemessenen Anlageentscheidungen drängen, weil plötzliche hohe Mittelflüsse in die eine oder andere Richtung drohen. Das kann sich spürbar positiv auf das langfristige Ergebnis auswirken. Potenzial zur EinflussnahmeDie Anlage in nicht börsennotierte Unternehmen und die aktive Mitwirkung als Aktionär auf Unternehmensführungsebene bietet auch viel größeres Potenzial zur Einflussnahme auf Entscheidungen und Verhalten eines Unternehmens. Private-Equity-Investoren sind oft viel stärker an der Bestimmung der strategischen Richtung eines Unternehmens und an der Verbesserung der Corporate Governance beteiligt, nicht nur in ihrer Funktion als Verwaltungsratsmitglieder, sondern auch vertraglich. Als Insider erhält der Investor deutlich mehr Einblick und kann ein Unternehmen viel besser verstehen.Keine Anlageklasse entwickelt sich fortwährend positiv. Ein Private-Equity-Element dient der effektiven Diversifizierung eines Anlageportfolios. Private Equity kann ein Portfolio durch eine längerfristige, weniger liquide Komponente ergänzen. Außerdem belegen Studien, dass Private-Equity-Anlagen von Bärenmärkten nicht so stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Diese Begrenzung der Abwärtsrisiken glättet gewöhnlich den Gesamtertrag von Portfolios aus Private Equity und öffentlich notierten Anlagen.Die interessantesten Private-Equity-Chancen bieten sich unseres Erachtens derzeit in China, Südostasien und dort insbesondere in Vietnam sowie in Brasilien. Grob gesagt stellen konsumabhängige Branchen und Sparten wie Gesundheitswesen, Industrie und leichte Infrastruktur aufgrund der Natur von Schwellenmärkten besonders attraktive Gelegenheiten dar, doch die einzelnen Chancen hängen stark vom abweichenden Entwicklungsstand innerhalb eines Landes ab und davon, auf welche Branchen sich die wirtschaftliche Entwicklung konzentriert. So ist der Investitionsbedarf in Singapur und Brasilien oder Indonesien und Indien beispielsweise sehr unterschiedlich. In Brasilien liegt der Schwerpunkt auf dem Bau neuer Straßen und Transportwege, während wir in Indien eine rasche Expansion des Gesundheits- und Pharmasektors beobachten. In Indonesien nimmt die Zahl der Konsumenten rasch zu.Private Equity ist in Schwellenmärkten noch deutlich weniger verbreitet als in Industrieländern, obwohl die Aktivitäten vor allem in Asien in letzter Zeit zugenommen haben. Dieser niedrige Verbreitungsgrad eröffnet Private-Equity-Investoren eine Vielzahl von Chancen.Die hauptsächlichen Risiken von Private-Equity-Investitionen in Schwellenmärkten sind unter anderem das Liquiditätsrisiko beim Ausstieg, Corporate-Governance-Probleme sowie politische und wechselkursbedingte Risiken. Die drei Letztgenannten gelten für viele Emerging-Market-Investments in anderen Anlagekategorien, nicht speziell für Private Equity. Die Liquidität beim Ausstieg lässt sich effektiv durch die Strukturierung der Transaktion absichern sowie durch Mehrwert für den Investor zur Sicherstellung eines erfolgreichen Börsengangs oder Verkaufs des Unternehmens. Die Strukturierung kann Liquidität für erfolgreiche und kriselnde Investments bieten, im zweiten Fall durch Abwärtsschutz wie Put-Optionen oder Wandelanleihen. Risiken minimierenAuf den Kapitalmärkten sind die im Vergleich zu Industrieländern bestehenden Risiken durch besseren Schutz der Aktionäre zurückgegangen, doch es bleibt noch einiges zu tun. Um Corporate-Governance-Risiken zu minimieren, ist eine gründliche Due-Diligence-Prüfung des Unternehmens und des Managementteams vor einer Anlage unerlässlich. Ebenso entscheidend ist die Gewährleistung der Geltung internationaler Rechtsvorschriften, damit Recht nötigenfalls mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit durchgesetzt werden kann. Fremdwährungsrisiken lassen sich durch Ausrichtung auf export- oder importorientierte Unternehmen abfedern – als Gegenmaßnahme gegen eine Ab- oder Aufwertung der Lokalwährung. Nicht börsennotierte Unternehmen sind mehr oder minder den gleichen makroökonomischen und politischen Risiken ausgesetzt wie börsennotierte. Diese Risiken können sich allerdings in Ermangelung von regelmäßigen Berichten und Transparenz bei nicht börsennotierten Unternehmen stärker auswirken. Ein Pluspunkt der Anlage in solche Unternehmen und der aktiven Mitwirkung als Aktionär auf Unternehmensführungsebene sind aber die viel größeren Möglichkeiten der Einflussnahme auf Entscheidungen und Verhalten des Unternehmens, wodurch sich solche Risiken erheblich reduzieren lassen. Dabei gilt, dass eine Private-Equity-Position gewöhnlich weniger liquide ist als ein entsprechendes Engagement an der Börse und auch dass die Verwaltungsgebühren für das investierte Kapital höher sind als im Regelfall bei Anlagen in einen Investment- oder Indexfonds.Insgesamt halten wir Private Equity für einen zunehmend interessanten Bereich für Investoren, mit einer wichtigen Rolle bei der Verbesserung des Zugangs zu ausgeprägtem Wirtschaftswachstumspotenzial, günstigen demografischen Entwicklungen und verhältnismäßig soliden öffentlichen Finanzen, wie es börsennotierte Anlagen in Schwellen- und Grenzmärkten bieten. Ferner lässt der im Vergleich zu Industrieländern geringe Verbreitungsgrad von Private Equity auf Schwellenmärkten vermuten, dass eine Fülle unerschlossener Gelegenheiten vorhanden ist.Private Equity ist für langfristige Investoren als Beimischung zu einem traditionellen Emerging-Market-Portfolio aus börsennotierten Aktien aussichtsreich, weshalb dieses Segment unseres Erachtens Aufmerksamkeit verdient.