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Australiens Immobilienmarkt boomt

Die Finanzkrise hat den Markt für Wohnimmobilien nur gestreift - Skeptiker warnen jedoch vor Absturz

Australiens Immobilienmarkt boomt

Von Alexander Hofmann, Sydney Auf den ersten Blick sah es aus wie ein Flüchtlingslager. Im Südwesten der größten australischen Stadt Sydney waren Zelte aufgeschlagen, Familien saßen um Lagerfeuer herum und aßen. Die Menschen in Oran Park aber suchten nicht Schutz vor marodierenden Truppen, sie sind Einwohner der Metropole, denen eines fehlt, was in Australien als unabdingbar gilt: ein Eigenheim. In Oran Park wurde in den vergangenen Wochen Bauland verkauft, und die Schlange begann sich schon fünf Tage vor der Öffnung des Verkaufsbüros zu bilden.Das Bild, das sich dem Beobachter dort bot, ist zwar nicht unbedingt alltäglich, aber doch typisch für den weiter anhaltenden Boom auf dem Immobilienmarkt “Down Under”. Während vor allem bei den angelsächsischen Vettern in Großbritannien und den USA Häuser- und Wohnungspreise abstürzten und Millionen von Zwangsverkäufen die Finanzwelt an den Rand des Zusammenbruchs brachten, legte der Markt in Australien gerade einmal eine kurze Atempause ein, bevor er wieder das tat, was ihn schon seit mehr als einem Jahrzehnt auszeichnet: klettern. Skala nach oben offenSchon im vergangenen Jahr, als klar wurde, dass die Weltfinanzkrise auf Australien so gut wie keinen Einfluss haben würde, schossen die Preise wieder nach oben. Die Statistik zeigt, dass die Immobilienpreise im Schnitt um fast 14 % anstiegen. Im Jahrzehnt zuvor hatten sie 170 % zugelegt. Der durchschnittlich erzielte Preis für ein Haus in Australien beträgt zur Zeit 485 000 austr. Dollar, in Sydney kratzt er bereits an der Grenze zu 600 000 austr. Dollar.Nach oben hin ist die Skala fast offen. Derzeit ist in Sydney ein Penthaus auf dem Markt, das neben dem Blick auf die weltberühmte Oper und die Hafenbrücke und der wohl jeden Anspruch erfüllenden Wohnfläche von 715 Quadratmetern auch den erstaunlichsten Preis hat, der je in Australien für eine Wohnung verlangt worden ist: 30 Mill. austr. Dollar. Experten uneinigBären und Bullen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Während manche Immobilienexperten einen anhaltenden oder sich gar verstärkenden Boom vorhersagen, prophezeien andere einen gewaltigen Absturz mit Preiskorrekturen bis zu 40 %. Beide Seiten können durchaus stichhaltige Argumente vorweisen.Auf der Seite der Zweifler werden vor allem Statistiken angeführt, die beweisen, dass die Immobilienpreise in Relation zum Einkommen zu den höchsten auf der Welt gehören und sich dieses Verhältnis nicht unbegrenzt weiter negativ verschieben kann. In der Tat kosten Immobilien mittlerweile im Verhältnis zum Verdienst fast anderthalbmal so viel wie in Großbritannien.Die Verschuldung der Haushalte bewege sich in schwindelerregenden Höhen, sagen die Skeptiker, ein weiteres Ansteigen des Leitzinses könne viele in den Ruin treiben. Derzeit steht der Leitzins bei 4 %, nachdem ihn die Zentralbank seit Ende vergangenen Jahres in vier Schritten um jeweils 0,25 Prozentpunkte erhöht hatte. Zinsen werden steigenEs wird damit gerechnet, dass die Zentralbank bis Mitte, Ende dieses Jahres noch einen weiteren vollen Prozentpunkt zulegen wird; das würde die Zinsen aber immer noch auf ein für Australien eher unterdurchschnittliches Niveau bringen. Die Leitzinsen haben in Australien eine enorme Auswirkung, weil mehr als 90 % aller Hypotheken variabel abgeschlossen werden.Die “Boomgläubigen” haben gleich mehrere Argumente auf ihrer Seite. Zum einen wächst die Bevölkerung in Australien so schnell wie in keinem anderen vergleichbaren Land auf der Welt. Der größte Einwandererstrom seit Jahren und die für ein westliches Industrieland erstaunlich hohe Geburtenrate führen dazu, dass die Zahl der Einwohner von derzeit 22 Millionen bis Mitte des Jahrhunderts auf mindestens 35 Millionen steigen soll. Platz ist begrenztDoch der Platz ist begrenzt, auch wenn ein ganzer Kontinent zur Verfügung steht. Vier Fünftel aller Australier leben in Städten, weit mehr als die Hälfte davon allein in Sydney, Melbourne, Brisbane, Perth und Adelaide. Nach Schätzungen von Experten gibt es schon jetzt deutlich zu wenig Unterkünfte. Sollte die Bautätigkeit nicht gewaltig zulegen, könnten schon in weniger als 20 Jahren mehr als 500 000 Häuser und Wohnungen fehlen. Neben den in Australien lebenden Menschen investieren nach Erkenntnissen von Maklern auch immer mehr reiche Asiaten in den privaten Immobilienmarkt des fünften Kontinents.Im Großen und Ganzen wird der Boom aber immer noch vom Durchschnittsbürger getrieben, der sich oft schon als Jugendlicher das Ziel vorgibt, um nahezu jeden Preis ein Haus zu besitzen. Für die meisten Australier ist der Eigenheimbesitz die wichtigste, für viele sogar die einzige Altersvorsorge. Regierungen gleich welcher Couleur haben traditionell diesen Trend vor allem durch die Steuergesetzgebung unterstützt. Insbesondere sind die Abschreibungsmöglichkeiten für Investoren sehr attraktiv. Regionale UnterschiedeIm Immobilienmarkt gibt es traditionell auch kräftige regionale Unterschiede. So hat Sydney und Umgebung seit vielen Jahren die höchsten Preise. In der jüngeren Vergangenheit haben aber auch die südöstliche Region von Queensland sowie die Mining-Metropole Perth und Darwin im tropischen Norden Australiens gewaltig zugelegt. In den vergangenen Jahren brachte Melbourne die besten Zuwachsraten. Sydney dürfte nach dem Ende der Finanzkrise wieder besser dastehen, dort hatten Entlassungen und niedrigere Gehälter in der Finanzindustrie zwischenzeitlich für einen leichten Abschwung gesorgt.