Recht und Kapitalmarkt

BaFin schießt bei Investorenschutz über das Ziel hinaus

Kritik an Plänen, den Tatbestand des Effektengeschäfts in das Kreditwesengesetz aufzunehmen - Unverhältnismäßige Ausweitung

BaFin schießt bei Investorenschutz über das Ziel hinaus

Von Frank Herring und Martin Krause *) Müssen deutsche Industrieunternehmen für ihre Treasury-Abteilungen eine Bankerlaubnis erwerben? Können in Zukunft nur noch Banken Zertifikate emittieren? Dürfen Private-Equity-Fonds bald Liquidität nicht mehr in Geldmarkt- oder anderen Wertpapieren anlegen? Wird das Konzept der Privatplatzierung für Fonds abgeschafft? Dies wären möglicherweise die Folgen, wenn das Bundesfinanzministerium (BMF) Pläne in die Tat umsetzt, den Tatbestand des Effektengeschäfts in das Kreditwesengesetz (KWG) aufzunehmen. Dies sieht ein kürzlich lancierter Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Beteiligungsrichtlinie vor. Anlegerschutz als MotivHintergrund ist der Wunsch der BaFin, einen Teil des sogenannten “grauen” Kapitalmarkts auszutrocknen. Tatsächlich enthält das KWG nur bereichs- und tätigkeitsspezifische Lizenzerfordernisse, so dass Ungleichbehandlungen entstehen, die am Markt unterschiedlich beurteilt werden. Einerseits bedarf ein Unternehmen, das für Kunden mit Wertpapieren handelt oder diese vermittelt, einer Erlaubnis nach dem KWG. So braucht z. B. ein Vermögensverwalter, der mit Vollmacht ein Kundendepot verwaltet, eine Lizenz als Finanzdienstleistungsinstitut. Wenn aber Vermögensverwaltung in der Form einer vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft stattfindet, ein Vermögensverwalter die Funktion des Komplementärs übernimmt und die Anleger als Publikumskommanditisten beitreten, dann können die KG und ihr Komplementär ohne Aufsicht frei agieren. Voraussetzung ist allerdings u. a., dass der Vermögensverwalter in seiner Funktion als Komplementär handelt und das Gesellschaftsvermögen anlegt. In einem solchen Fall steht die eigene Gesellschaftstätigkeit der KG im Vordergrund, welche eine Dienstleistung des Vermögensverwalters an die Kommanditisten ausschließt. In einem solchen Fall ist es der BaFin nicht möglich, die Tätigkeit des Vermögensverwalters unter dem Aspekt des Finanzkommissionsgeschäfts (Anschaffung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung) zu regulieren. Um dies zu ändern, soll das Finanzkommissionsgeschäft abgeschafft werden und in einem grundlegend erweiterten “Effektengeschäft” aufgehen.Der Begriff “Effektengeschäft” ist laut der Gesetzesbegründung wirtschaftlich zu verstehen. Er betrifft die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für andere und “schließt insbesondere auch die Angebote ein, die sich an das breite Publikum richten und bei denen Anleger über ihre Einbindung in gesellschaftsrechtliche Modelle, z. B. Treuhandkommanditmodelle oder die Ausgabe von Genussrechten und Schuldverschreibungen (sic!) zusammengefasst werden, um deren Gelder in Finanzinstrumente anzulegen, solange die Tätigkeit eine Dienstleistung für andere darstellt”. NebenwirkungenBetroffen wären insbesondere Emissionsvehikel und -plattformen international tätiger Kreditinstitute, da diese Vehikel die Emission von Schuldverschreibungen durch Derivate mit dem Mutterhaus oder anderen Gruppengesellschaften absichern. Da Derivate unter den Begriff der Finanzinstrumente fallen, würden diese Emissionsvehikel mit einem Male lizenzpflichtig, obwohl bereits das Mutterhaus vollständig reguliert ist. Damit würde selbst das Geschäft von Zertifikateemittenten in Zukunft erlaubnispflichtig, denn es stellt unzweifelhaft eine Dienstleistung für den Kunden dar, wenn der Emittent eines Dax-Zertifikats das entgegengenommene Geld in Finanzinstrumente investiert, deren Ertrag unmittelbar – abzüglich der Kosten – dem Anleger zugute kommt. Da die BaFin seit 2003 das KWG auch auf ausländische Unternehmen anwendet, die sich zielgerichtet an den deutschen Markt wenden, wären auch ausländische Emissionsplattformen betroffen.Erfasst wäre des Weiteren der Fondsbereich. Ausländische Fonds, deren Anteile in Deutschland öffentlich vertrieben werden dürfen, fielen aller Voraussicht nach noch nicht unter das KWG, denn hier sind die Vorschriften des Investmentgesetzes wohl spezieller, obwohl darin nur Vertriebs-, aber keine Lizenzerfordernisse enthalten sind. Wenn aber der Vertrieb im Wege der Privatplatzierung erfolgen soll, dann verlangt der Wortlaut der neuen Vorschriften eine Bankerlaubnis. Dies führt zu einem De-facto-Verbot der Privatplatzierung ausländischer Fonds, denn zweifelsfrei erbringen diese Fonds eine Dienstleistung für ihre Anleger. Es ist abzusehen, dass vor allem ausländische Spezialfonds hierdurch in ihren Vertriebsbemühungen massiv benachteiligt werden. Innerhalb der EU bzw. des EWR steht eine unzulässige Diskriminierung im Raum, insbesondere vor dem Hintergrund der gerade erfolgten Abschaffung der Kreditinstitutseigenschaft bei deutschen Kapitalanlagegesellschaften.Zweifel an dem Dienstleistungscharakter kann man haben, wenn der Treasurer eines Industrieunternehmens die für das operative Geschäft nicht benötigten Gelder in Finanzinstrumente anlegt. Hier steht wohl eindeutig das operative Geschäft im Vordergrund. Dies gilt auch dann, wenn vielleicht das operative Geschäft temporär keine Erträge abwirft und der Ertrag ausschließlich aus Wertpapieranlagen stammt. Andererseits wird man ein Unternehmen nicht schon deshalb von der Erlaubnispflicht ausnehmen, weil es neben der Wertpapieranlage z. B. in geringem Umfang Consulting-Dienstleistungen erbringt. Wann jedoch schlägt Quantität in Qualität um, d. h., ab wann greift hier die Erlaubnispflicht nicht mehr? Hierauf bleibt der Gesetzesentwurf eine Antwort schuldig. Anders als Emissionsvehikel von Finanzdienstleistern dürften Emissionsvehikel von Industrieunternehmen nicht von der Neuregelung betroffen sein, denn sie reichen den Emissionserlös typischerweise in Gestalt eines konzerninternen Darlehens – und damit ohne Finanzinstrument – gruppenintern weiter.Private-Equity-Fonds oder geschlossene Immobilienfonds legen bisweilen – vor allem in der Phase zwischen einem Exit und einer Reinvestition – Gelder ihrer Anleger kurzfristig am Kapitalmarkt an, wenn diese Gelder gerade nicht für eine Core-Investition benötigt werden. Hierin könnte zukünftig ein erlaubnispflichtiges Effektengeschäft gesehen werden. Gleiches gilt, wenn das Target des Private-Equity-Fonds nicht eine GmbH, sondern eine AG ist, denn dann erfolgt eine Anlage in – typischerweise nicht gelistete – Finanzinstrumente. Es steht außer Frage, dass dies Teil der vom Fondsmanager erbrachten Dienstleistung ist. Soll er deshalb unter das KWG fallen, Eigenkapitalanforderungen erfüllen müssen und zwei KWG-Geschäftsleiter einstellen müssen? Dies kann nicht die Absicht des Gesetzgebers sein. In guter AbsichtEs soll nicht bestritten werden, dass die BaFin zum Zwecke des Anlegerschutzes handeln möchte. Es hat schon in der Vergangenheit ähnliche Vorstöße gegeben, so wie etwa der von Gerhard Schröder lancierte Versuch, das “Beteiligungsgeschäft” als neuen Tatbestand in das KWG aufzunehmen.Der nun vorliegende Entwurf geht aber einerseits am Ziel vorbei, andererseits trifft das Erfordernis einer Erlaubnis die Falschen. Er geht am Ziel vorbei, denn schon wenige Tage nach Erscheinen des Gesetzesentwurfs werden von Unternehmen des sogenannten grauen Marktes Alternativen diskutiert, wobei in diesem Zusammenhang auch zu sehen ist, dass Regulierung und Investmentqualität keine Synonyme sind. Und er trifft die Falschen, weil es an Ausnahmevorschriften für die genannten Unternehmen fehlt.Insbesondere ausländische Investmentvermögen im Sinne des Investmentgesetzes, die ihre Anteile im Wege der Privatplatzierung an deutsche institutionelle Anleger vertreiben, sollten von den neuen Vorschriften ebenso wie Emissionsvehikel und -plattformen regulierter Finanzdienstleister ausgenommen werden. Ferner sollten Unternehmen ausgeklammert werden, deren Anteile an einer EU-Börse gelistet sind. Denn hier besteht über die Börsenzulassung in der Regel bereits eine hinreichende Aufsicht. Die Möglichkeit der Freistellung von Unternehmen von der Lizenzpflicht bei mangelndem Aufsichtsbedürfnis – etwa im Falle des Treasurers – ist unzureichend, denn diese Verfahren sind kostspielig und können Jahre in Anspruch nehmen. In der Zwischenzeit hängt über sämtlichen von dem Unternehmen abgeschlossenen Verträgen das Damoklesschwert der zivilrechtlichen Angreifbarkeit. Wenn etwa die Beteiligung des Anlegers an Wert verliert, könnte dieser – auf der Grundlage einer anlegerfreundlichen BGH-Rechtsprechung – argumentieren, seine Investition wäre nicht getätigt worden, wenn sich der Emittent gesetzeskonform verhalten, d. h. nicht ohne Erlaubnis agiert hätte.Unter englischen Juristen heißt es: “Hard cases make bad law.” Der Schutz von Investoren ist ein berechtigtes Anliegen. Es muss aber einen sinnvollen Interessenausgleich geben, damit nicht zahllose volkswirtschaftlich sinnvolle Unternehmen im In- und Ausland der deutschen KWG-Aufsicht unterworfen werden, um eine lückenlose Aufsicht zu gewährleisten. Die jetzt angestrebte Aufsichtsausweitung erscheint nicht mehr verhältnismäßig. Die Kreditwirtschaft und ihre Berater sind jetzt aufgefordert, die BaFin bei der Erarbeitung begründeter Ausnahmevorschriften zu unterstützen. *) Frank Herring und Dr. Martin Krause sind Rechtsanwälte und Partner bei Norton Rose in Frankfurt.