RECHT UND KAPITALMARKT

Banken in Autokonzernen könnten teuer werden

Basel-III-Liquiditätsstandards verschlechtern Bankkonditionen für gemischte Holdingunternehmen - Regulierung geht zu weit

Banken in Autokonzernen könnten teuer werden

Von Florian Bentele und Ingo Wallenborn *)Für Muttergesellschaften von Konzernen des Nichtfinanzsektors, die eine eigene Bank im Unternehmensverbund haben – im Bankaufsichtsrecht als gemischte Unternehmen oder gemischte Holdingunternehmen (Mixed Activity Holding Companies) bezeichnet -, könnten sich Bankkredite bald erheblich verteuern bzw. die Konditionen von Anlagegeschäften deutlich verschlechtern. Hintergrund sind die neuen Liquiditätsstandards, denen Kreditinstitute im Zuge der Umsetzung von Basel III zukünftig unterworfen sein sollen.Bei der Feststellung und Berechnung der insoweit maßgeblichen Bilanzpositionen werden Geschäfte mit Finanzunternehmen strenger behandelt als Geschäfte mit Nichtfinanzunternehmen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass in systemischen Finanzkrisen Einlagen und verfügbare Kreditlinien von Unternehmen des Finanzsektors schneller abgezogen bzw. abgerufen werden als von Unternehmen der sogenannten Realwirtschaft. Höhere KostenDie Vorgaben von Basel III werden auf europäischer Ebene durch das unter dem Namen “CRD IV” bekannte Regulierungspaket umgesetzt. Nach der Vorstellung des europäischen Gesetzgebers sollen gemischte Unternehmen für Zwecke der neuen Liquiditätsvorgaben wie Finanzunternehmen behandelt werden. Für Geschäfte mit derartigen “Finanzkunden” (so die Terminologie der Verordnung) entstehen den Kreditinstituten damit wesentlich höhere Kosten als für vergleichbare Geschäfte mit anderen Unternehmen der Realwirtschaft. Sie werden gezwungen sein, die erhöhten Liquiditätskosten in ihre Geschäfte einzupreisen.Als Folge werden sich die Konditionen für gemischte Unternehmen voraussichtlich erheblich verschlechtern. Betroffen sind davon hierzulande vor allem die großen Automobilbauer, die konzerneigene Banken zur Absatzfinanzierung in ihrem Unternehmensverbund halten.Das CRD-IV-Regulierungspaket setzt sich aus einer Richtlinie und einer Verordnung zusammen, welche die derzeitigen Eigenkapitalrichtlinien (die sogenannte Bankenrichtlinie und die Kapitaladäquanzrichtlinie) ablösen sollen. Die neuen Liquiditätsstandards sollen dabei in der – für alle Mitgliedstaaten unmittelbar verbindlichen – Verordnung umgesetzt werden. Das europäische Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Den Vorschlag der Kommission vom 20. Juli 2011 haben zwischenzeitlich der Rat der Europäischen Union (15. Mai 2012) und der Econ-Ausschuss des Europäischen Parlaments (12. Juni 2012) kommentiert. Nach umfangreichen und teilweise äußerst kontrovers geführten Konsultationen der EU-Organe soll die erste Lesung im EU-Parlament am 21. November 2012 stattfinden.Geplanter Zeitpunkt für das Inkrafttreten der neuen Vorschriften ist der 1. Januar 2013. Auch wenn die Bundesregierung die Einhaltung dieses Datums erst vor kurzem vehement eingefordert hat, ist angesichts der Tatsache, dass der sogenannte Trilog zwischen Parlament, Rat und Kommission nach wie vor in wesentlichen Punkten von erheblichen Meinungsverschiedenheiten geprägt ist, höchst zweifelhaft, ob diese Forderung realistisch ist. ImplikationenEntsprechend den Vorgaben von Basel III sieht der Verordnungsvorschlag die Einführung einer “Liquidity Coverage Ratio” (LCR) und einer “Net Stable Funding Ratio” (NSFR) vor. Die Einhaltung der LCR soll ab dem 1. Januar 2015, die der NSFR voraussichtlich ab dem 1. Januar 2018 Pflicht werden. Die entsprechenden Reporting-Verpflichtungen für beide Standards sollen jedoch schon ab dem 1. Januar 2013 bestehen.Die LCR verlangt, dass Kreditinstitute über einen Betrachtungshorizont von 30 Tagen hochliquide Vermögensgegenstände in einem Umfang halten, der unter Stressbedingungen mindestens der Höhe der Nettoliquiditätsabflüsse für diesen Zeitraum entspricht. Nach dem Verordnungsentwurf rechnen Vermögenswerte gemischter Unternehmen nicht zu den hochliquiden Vermögensgegenständen, sodass also etwa eine von einem gemischten Unternehmen emittierte Anleihe nicht berücksichtigt wird. Zu den Liquiditätsabflüssen gehören auch Kreditausreichungen aus zugesagten, aber bis-her nicht in Anspruch genommenen Kreditlinien.Für die Berechnung sollen künftig noch nicht gezogene Kreditlinien von Unternehmen, die keine Finanzkunden sind, mit 10 % angesetzt werden. Es wird also davon ausgegangen, dass solche Kreditlinien über einen Zeitraum von 30 Tagen durchschnittlich lediglich zu einem Zehntel abgerufen werden. Demgegenüber sollen nicht gezogene Kreditlinien von Finanzkunden, einschließlich gemischter Unternehmen, für Zwecke der Ermittlung der Liquiditätsabflüsse mit 100 % in Ansatz gebracht werden. Es liegt auf der Hand, dass dies für das Kreditinstitut erheblich höhere Liquiditätskosten nach sich zieht. Angesichts der sehr niedrigen Margen im Kreditgeschäft wird dem Kreditinstitut nichts anderes übrig bleiben, als diese Kosten an den Kunden weiterzureichen. Stabile FinanzierungsstrukturDie NSFR soll eine stabile Finanzierungsstruktur gewährleisten. Es ist sicherzustellen, dass über einen Zeitraum von einem Jahr betrachtet den Vermögenswerten eines Kreditinstituts in Relation zu deren Liquidierbarkeit langfristig gesicherte Refinanzierungsmittel gegenüberstehen. Hier bringt der Bericht des Econ-Ausschusses weitere Verschärfungen für gemischte Unternehmen mit sich. Im Gegensatz zum Kommissionsvorschlag und Kompromissvorschlag des Rates sieht der Bericht eine differenzierte Gewichtung der für Zwecke der NSFR in Ansatz zu bringenden Aktiva (im Sinne von Positionen, die eine stabile Finanzierung erfordern) und Passiva (im Sinne von Positionen, die eine stabile Finanzierung bieten) vor.Danach müssen Aktien und andere Eigenkapitalinstrumente, die Kreditinstitute von gemischten Unternehmen halten, in vollem Umfang in die Berechnung der relevanten Aktiva einfließen, während entsprechende Instrumente von sonstigen Unternehmen der Realwirtschaft lediglich in Höhe von 50 % mit Refinanzierungsmitteln zu unterlegen sind.Umgekehrt sollen von gemischten Unternehmen erhaltene Finanzierungsmittel bei der Kalkulation der vorhandenen Refinanzierungsmittel gänzlich außer Betracht bleiben. Darf aber das Kreditinstitut diese Mittel nicht für die Erfüllung der regulatorischen Anforderungen in Ansatz bringen, wird insbesondere die Hereinnahme von Einlagen gemischter Unternehmen erheblich weniger attraktiv, mit der Konsequenz, dass sich die für derartige Einlagen gewährten Konditionen aller Voraussicht nach deutlich verschlechtern werden.Der europäische Gesetzgeber geht, indem er gemischte Unternehmen unter den Begriff des Finanzkunden fasst, von einem sehr weiten Verständnis dieses Begriffes aus. Zwar befindet er sich damit nicht offensichtlich im Widerspruch zu den Vorgaben von Basel III. Allerdings wird der Begriff des Finanzkunden im Basel-III-Rahmenwerk nicht definiert. Hierdurch werden also gewisse Interpretations- und Gestaltungsspielräume geschaffen.Anstatt pauschal darauf abzustellen, dass sich im Konzernverbund eine Bank befindet, erscheint eine Einordnung danach vorzugswürdig, wie bedeutend der Anteil der von der Bank betriebenen Geschäfte am Gesamtgeschäft des Konzerns ist und wie stark die Konzernmutter strukturell in diese Geschäfte verflochten ist. Hier böten sich Messgrößen wie der Anteil an der Bilanzsumme, am Umsatz oder am Gewinn an. Die unterschiedslose Gleichbehandlung von Konzernen, die Bankgeschäfte vornehmlich zur Absatzförderung betreiben, mit reinen Finanzunternehmen verliert aber aufgrund der unterschiedlichen Risikostrukturen das eigentliche Ziel der Regulierung aus den Augen.Bis zur ersten Lesung im Europäischen Parlament verbleiben nun noch wenige Wochen. Diese Zeit sollte durch die betroffenen Unternehmen nach Möglichkeit dazu genutzt werden, Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren zu nehmen. Gelingt dies nicht, müsste gegebenenfalls darüber nachgedacht werden, ob nicht die Gruppen- und Finanzierungsstruktur des Konzerns in einer Weise neu gestaltet werden kann, die eine Anwendung der genannten Regeln vermeidet.—-*) Dr. Florian Bentele und Ingo Wallenborn sind Partner bei Noerr in Frankfurt.