Recht und Kapitalmarkt

Bankenabgabe führt zur Fehlsteuerung

Nicht der Stabilitätsfonds, sondern die Kapitalgeber der Bank sollten zukünftig die Bankenrettung finanzieren

Bankenabgabe führt zur Fehlsteuerung

Von Hubert Schmid *)Während international die Bankenabgabe in der Runde der G 20-Gruppe umstritten bleibt, findet sie die Zustimmung der Bundesregierung. Der über die Bankenabgabe finanzierte Rettungsfonds soll zukünftig Bankenrettung übernehmen. Eine nochmalige Bankenrettung durch den Staat erscheint wirtschaftlich und politisch ausgeschlossen. Trotz Bankenabgabe bleibt jedoch das vorrangige Ziel, eine Bankenkrise zukünftig zu verhindern. Dazu werden die Eingriffsrechte der Aufsicht erweitert, neue Vergütungsregeln umgesetzt und höhere Anforderungen an Eigenkapital und Liquidität gestellt.Die vergangene Krise zeigt jedoch, dass in den Jahren 2007 bis 2009 fast alle Banken, die schließlich mit Hilfe von Staatsgeldern gerettet wurden, die aufsichtsrechtlichen Vorgaben, gerade auch bezüglich Eigenkapital und Liquidität, erfüllten. Warum sollte dies in der nächsten Bankenkrise anders sein? Aufsicht allein verhindert Bankenkrisen nicht. Wer unternehmerische Risiken eingeht, kann scheitern. Dies gilt auch für Banken. Zukünftige Schieflagen systemrelevanter Banken können daher nicht verhindert werden. Daher ist es sinnvoll, bereits heute festzulegen, wer die Kosten der nächsten Bankenkrise trägt. Die Idee ist, dass die Banken über einen Stabilitätsfonds in Zukunft ihre eigene Rettung bezahlen. ZwangsbeiträgeDer Stabilitätsfonds finanziert sich über Zwangsbeiträge aller Banken. Dies schließt Banken ein, die nicht systemrelevant sind. Wird aber der Insolvenzschutz von allen Banken finanziert, müsste wohl auch allen Banken – und nicht nur den systemrelevanten – ein Anspruch auf Rettung durch den Stabilitätsfonds zustehen. Damit wären alle Banken insolvenzfest.Wie hoch auch immer die Beiträge der Banken ausfallen mögen, in den ersten Jahrzehnten seiner Existenz wird der Stabilitätsfonds nicht in der Lage sein, eine größere Bank zu retten. Daher soll sich nach dem Wunsch der Banken der Staat an der finanziellen Ausstattung des Fonds beteiligen. Damit würde aber der private Rettungsfonds zum staatlichen Rettungsfonds mutieren.In der auf Wettbewerb basierenden Marktwirtschaft ist der privat finanzierte Stabilitätsfonds ein Sonderling, da er verlangt, dass Banken ihre Wettbewerber retten. Die Wettbewerber nehmen sich damit über die gemeinsame Finanzierung des Stabilitätsfonds gegenseitig die Risiken ihrer unternehmerischen Entscheidungen ab.Der Stabilitätsfonds gleicht einer Art Ausfallversicherung. Doch keine Versicherung versichert Geschäftsmodelle eines Unternehmens. Nicht Versicherungen, sondern nur (Eigen-) Kapital gewährt diese Art von Absicherung gegen unternehmerische Risiken. Wer eine Bank für systemrelevant erklärt und ihr Rettung durch den Stabilitätsfonds verspricht, schafft ein marktfernes Biotop.Ohne Stabilitätsfonds und Staatsrettung tragen die Kapitalgeber der Bank die Risiken einer Bankpleite. Bei einer systemrelevanten Bank darf die Insolvenz nicht eintreten. Außerhalb der Insolvenz können die Risiken einer drohenden Bankpleite aber nicht auf die Fremdkapitalgeber verlagert werden; sie müssen daher von anderen, z. B. dem Staat oder Stabilitätsfonds, getragen werden.Neuere Vorschläge aus dem Kreis der Europäischen Kommission deuten jedoch an, dass daran gedacht wird, die Fremdkapitalgeber auch außerhalb einer Bankeninsolvenz an den Kosten einer Banksanierung zu beteiligen. Nach diesem Vorschlag ist das Geschäftsrisiko einer Bank bereits außerhalb einer Insolvenz von den Kapitalgebern, und zwar den Eigen- und Fremdkapitalgebern, zu tragen. Es gibt Unternehmen, deren Fremdkapitalgeber die gesamten Unternehmensrisiken außerhalb eines Insolvenzverfahrens übernehmen. Insolvenzfeste GesellschaftenVerbriefungsgesellschaften sind auf diese Weise kapitalisiert. Trotz eines verschwindend geringen Eigenkapitals sind diese Gesellschaften insolvenzfest. Die Fremdkapitalgeber übernehmen Verluste außerhalb der Insolvenz. Sinkt der Wert der Aktiva einer Verbriefungsgesellschaft, sinken im Gleichklang ihre Verbindlichkeiten. Aufgrund dieser Sanierungsbeiträge ihrer Gläubiger ist eine Verbriefungsgesellschaft konkursfest. Ohne diese Unterstützung würde ein Wertverfall der Aktiva zum Konkurs führen. Übernähmen die Fremdkapitalgeber die Verluste nicht freiwillig, würde ihnen spätestens das Insolvenzverfahren die Verluste bescheren. Der Vorteil freiwilliger Sanierungsbeiträge besteht darin, dass die Gesellschaft nicht zerschlagen wird und nicht das Insolvenzrecht über die Verlustbeteiligung bestimmt, sondern die Gläubiger der Gesellschaft selbst.Die Kosten dieses Insolvenzschutzes werden zwischen den Gläubigern verteilt. Wer einen sicheren Risikoplatz als Gläubiger einnehmen möchte, bekommt weniger Zinsen; der risikobereite Gläubiger entsprechend mehr. Was bedeutet dies für die Gläubiger einer Bank?Die Gläubiger einer krisengeschüttelten Bank stünden im Regelfall besser, wenn ihnen zwar ein Verlust zugewiesen, dadurch aber die Insolvenz der Bank vermieden würde. Wäre es vor diesem Hintergrund nicht besser, im Krisenfall Verluste der Bank den Eigenkapitalgebern und Bankgläubigern zuzuweisen und die Forderungen der Bankgläubiger zu kürzen, soweit dies notwendig ist, um eine Überschuldung der Bank zu verhindern?Falls die Ansprüche der Bankgläubiger im Krisenfall rechtlich verbindlich gekürzt würden, stünde zu erwarten, dass sich die Bankgläubiger das erhöhte Risiko durch einen höheren Zins vergüten lassen werden. Der Finanzierungsaufwand der Bank würde steigen. Das Vertrauen in die Banken würde leiden. Außerdem wären die Einlagen nicht mehr sicher. Aus diesen Gründen sollten Bankgläubiger außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht gesetzlich verpflichtet werden, einen Sanierungsbeitrag zu leisten.Besser wäre es, die Bank zu verpflichten, Kapitalgeber zu finden, die gegen eine angemessene Risikoprämie bereit sind, im Krisenfall Hilfe zu leisten. Die Bank könnte dazu verschiedene Klassen von “Stabilisierungsschuldverschreibungen” ausgeben. Deren Bedingungen legten fest, wann, in welcher Höhe und mit welchem Rangverhältnis ein Sanierungsbeitrag außerhalb der Insolvenz zu leisten ist. Im Krisenfall erfolgt der Sanierungsbeitrag in Form eines Forderungsverzichts mit Besserungsschein, eines qualifizierten Rangrücktritts oder eines Umtauschs in Aktienkapital.Sind die verschiedenen Klassen der Stabilisierungsschuldverschreibungen börsennotiert, lässt sich anhand des Börsenkurses ablesen, wie der Markt die Ausfallrisiken einschätzt. Liegt der effektive Zins für die höchstrangige (sicherste) Stabilitätsschuldverschreibung deutlich höher als der effektive Zins für eine Schuldverschreibung ohne Sanierungsbeitrag, bietet offenbar die Kapitalausstattung der Bank keinen ausreichenden Insolvenzschutz. Die Bank müsste in diesem Fall verpflichtet werden, weitere Stabilisierungsschuldverschreibungen auszugeben.Ein solcher Insolvenzschutz ist teuer. Können sich die Banken einen solchen Schutz leisten? Wenn der Stabilisierungsfonds ernst gemeint ist, müssten die Banken marktgerechte Risikoprämien in den Fonds einzahlen. Diese Risikoprämien müssten aber über einen Risikozinssatz, wie er für Sanierungsschuldverschreibungen zu zahlen ist, hinausgehen, wenn der Stabilitätsfonds bereits in den ersten Jahren seines Bestehens in der Lage sein soll, Schieflagen systemrelevanter Banken aufzufangen. Es ist nämlich ein Unterschied, ob nur die Versicherungsprämie zu zahlen oder der gesamte Deckungsstock aufzubauen ist.Wenn aber eine Bank die Stabilitätsschuldverschreibungen nicht zu Konditionen im Markt ausgeben kann, die für die Bank finanziell tragbar sind, und die Bank sich somit den Insolvenzschutz nicht leisten kann, dann stellt sich für den Staat die Frage, ob er sich diese Bank leisten kann.Zusätzliche Sicherheit im Bankensektor soll der von den Banken zu finanzierende Stabilitätsfonds gewähren. Er wird jedoch finanziell nicht in der Lage sein, eine systemrelevante Bank zu retten. Nicht der Stabilitätsfonds, sondern die Kapitalgeber der Bank sollten zukünftig die Bankenrettung finanzieren, und zwar mittels Eigenkapital und haftenden Fremdkapitals. Die Kosten für die Insolvenzabsicherung sind damit transparent, risikoadäquat und für jede Bank individuell bestimmbar. Riskante Geschäftsmodelle hätten zukünftig einen Marktpreis.Auch wenn die Stabilitätsschuldverschreibungen außerhalb der Krise nicht als aufsichtsrechtliches Eigenkapital qualifizieren, bieten sie gleich wohl einen effektiven Insolvenzschutz. Der Stabilitätsfonds lenkt vom Thema ab. Banken brauchen haftendes Eigen- und Fremdkapital.—-*) Dr. Hubert Schmid ist Partner im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltssozietät Clifford Chance.