RECHT UND KAPITALMARKT

Basel III und die Veräußerungsverlustrisiken

Neue Modelle als wirtschaftlich sinnvolle Alternative zum freien Verkauf der von strengeren Vorschriften betroffenen Vermögenswerte

Basel III und die Veräußerungsverlustrisiken

Von Nikolaus von Jacobs*)Nachdem die Umsetzung der Basel-III-Regelungen auf EU- und nationaler Ebene stockt, ist nach jetzigem Stand der Dinge mit einer Umsetzung auf EU-Ebene Anfang nächsten Jahres zu rechnen. Kreditinstitute beschäftigten sich bereits intensiv mit der Neuevaluierung ihres Aktivvermögens im Lichte der zu erwartenden Regelungen.Im Zentrum der Neuregelung durch BaselIII stehen eine Erhöhung der Mindestkapitalanforderungen für das harte Kernkapital (bis 2019 stufenweise auf 4,5%), die Verbesserung der Qualität des regulatorischen Eigenkapitals, die Einführung von Kapitalerhaltungspuffern (jährlich von 2016 bis 2019 auf 2,5% steigend) sowie der Verschuldensobergrenze (Leverage Ratio) von Kreditinstituten von 2018 an.Begleitend sollen jährlich von 2015 bis 2019 steigende weltweite Mindestliquiditätsstandards eingeführt werden, die ebenso wie die geplanten Kapitalerhaltungspuffer den Kreditinstituten in Stresssituationen kurzfristige Liquidität und Stabilität sichern sollen. KrisenfesterZiel der Maßnahmen insgesamt ist es, die Kreditinstitute durch Anhebung der Eigenkapital- und Liquiditätsstandards krisenfester zu machen und so das Vertrauen von Anlegern in die Kredit- und Finanzwirtschaft wiederherzustellen.Auf nationaler Ebene ist seit BaselII eine Unterlegung risikotragender Bilanzaktiva und sonstiger anrechnungspflichtiger Risikopositionen mit mindestens 8% Eigenkapital vorgeschrieben. Hieran wird auch BaselIII der Gesamthöhe nach nichts ändern. In den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Baseler Ausschusses ist lediglich die Definition des regulatorischen Eigenkapitals gerückt. Es bildet die Haftungssumme eines Kreditinstituts und dient somit der Verlustabsorption. Es setzt sich aus dem Kernkapital (“Going Concern”-Kapital) und dem Ergänzungskapital (“Gone Concern”-Kapital) zusammen. Das Kernkapital besteht seinerseits aus hartem und zusätzlichem, “weichem” Kernkapital.Die neue Rechtslage wird an dieser grundsätzlichen Unterscheidung nichts ändern. Jedoch erkennt BaselIII als hartes Kernkapital bei Aktiengesellschaften künftig nur noch das Grundkapital (sprich Aktien) und die Gewinnrücklagen an. Nur bei Kreditinstituten anderer Rechtsform können auch andere Vermögenswerte unter Einhaltung eines 14-Kriterien-Katalogs als hartes Kernkapital qualifizieren.Die Anerkennungsvoraussetzungen für sonstige Kapitalinstrumente als Ergänzungskapital müssen zudem künftig neun Kriterien entsprechen. Zusätzlich verschärft wird die Definition des regulatorischen Eigenkapitals dadurch, dass die vorgeschriebenen Abzüge von Vermögenswerten vom Eigenkapital künftig nur noch vom Kernkapital zu erfolgen haben und nicht wie bisher zu jeweils 50% vom Kern- und Ergänzungskapital. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass das Minimum an Gesamtkapital zusammen mit dem Kapitalerhaltungspuffer in Höhe von dann 2,5% ab voraussichtlich 1. Januar 2019 dann 10,5% beträgt und sich aus dem harten Kernkapital (4,5%), dem zusätzlichen Kernkapital (1,5%) und dem Ergänzungskapital (2%) zusammensetzt.Als Folge der Neuerungen wird das Halten von mit regulatorischem Eigenkapital zu unterlegenden Risikoaktiva zunehmend unattraktiv. Zu diesen Risikoaktiva zählen Private-Equity-Beteiligungen ebenso wie Darlehensforderungen aus Akquisitionsfinanzierungen, die mit bis zu 100% regulatorischem Eigenkapital unterlegt werden müssen. Daher werden sich Kreditinstitute überlegen, ob sie nicht derartige Risikoaktiva veräußern. Wie bereits im Vorfeld der Krise von 2008 wird ein neuer Markt für solche Vermögenswerte entstehen. Ein Wermutstropfen für veräußernde Kreditinstitute ist, dass solche Portfolios auf dem Sekundärmarkt mit einem erheblichen Abschlag gegenüber dem Buchwert bewertet werden.Mittlerweile gibt es auch Investoren, die alternative Strukturen entwickelt haben und die bereit sind, einen höheren Kaufpreis für die Aktiva zu bezahlen, als die betroffenen Kreditinstitute durch einen Verkauf auf dem Sekundärmarkt bislang erzielen können. Dazu verkaufen die Kreditinstitute die relevanten Vermögenswerte im Wege eines True Sale an eine Vehikelgesellschaft, die von den Neuinvestoren mit Kapital ausgestattet ist. Der Kaufpreis besteht aus einer Barkomponente und Anleihen mit Investment-Grade-Rating der Vehikelgesellschaft. RobusterDie Neuinvestoren verfügen über firmeneigene umfangreiche Datenbanken, welche die Ergebnisse einer Großzahl globaler Fonds abbilden. Auf der Basis dieser Datenbanken wurden robuste Algorithmen und Finanzmodelle entwickelt, durch die die künftigen Einkommensströme der Vehikelgesellschaft aus den Aktiva bewertet und Anleihen der Vehikelgesellschaft geratet werden können. Für das Rating der Anleihen wird mit führenden Agenturen zusammengearbeitet. FrühzeitigerDurch diese Transaktion trennt sich das Kreditinstitut vollständig von den Aktiva. Durch den Erhalt von Barmitteln einerseits und die gerateten Anleihen andererseits reduziert sich das zu unterlegende Eigenkapital für die übertragenen Vermögenswerte signifikant. Im Ergebnis kann damit das Kreditinstitut einen höheren Kaufpreis für die übertragenen Vermögenswerte erzielen, erhält frühzeitig Zuflüsse von Barmitteln und benötigt einen deutlich geringeren Einsatz von Eigenkapital.Werden die Anleihen an der Börse notiert, kann das verkaufende Kreditinstitut sich kurzfristig weitere Liquidität beschaffen. Die Implementierung der Transaktionsstruktur erfolgt in der Praxis in enger Abstimmung mit den relevanten Finanzaufsichtsbehörden, um die bilanzbereinigende Wirkung der Transaktion darzulegen.Technisch erfolgt die Umsetzung des schuldbefreienden Kaufs in Abhängigkeit von der Fondsstruktur in der Regel mittels Abtretungsvertrag und Beitrittserklärung. Der Fonds-Manager wird dabei eher frühzeitig in den Prozess einbezogen. In zeitlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass manche Fondsdokumentationen aus buchhalterischen und steuerlichen Gründen Zeitpunkte für eine Veräußerung vorgeben (z.B. Quartalsende).Die neuen Modelle stellen eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu dem freien Verkauf der von den strengeren Basel-III-Vorschriften betroffenen Vermögenswerte dar. Durch diese Modelle können Kreditinstitute den negativen Folgen der Basel-III-Vorschriften zumindest teilweise entgegensteuern und Verlustrisiken minimieren. Deutsche Kreditinstitute haben sich dieser alternativen Transaktionsstruktur in den USA bereits für auf Dollar lautende Portfolios mit dem gewünschten Erfolg bedient.Neben dem Baseler Maßnahmenpaket, welches auf Kreditinstitute zugeschnitten ist, bestehen auf EU-Ebene Überlegungen, vergleichbare Vorgaben auch für Versicherungsunternehmen einzuführen. Die insoweit geplante Solvency-II-Richtlinie sieht neben qualitativen Anforderungen an das Risikomanagement und Berichtspflichten der Versicherungsunternehmen sowie aufsichtsrechtlichen Maßnahmen die Einführung von quantitativen Eigenkapitalanforderungen an Versicherungsunternehmen vor. AufwendigerIm Zuge der geplanten Solvenz- und Mindestkapitalanforderungen sollen Versicherungsunternehmen künftig ihre Anlagevermögenswerte entweder mit Hilfe eines aufwendigen internen Risikomodells oder eines Standardansatzes bewerten, um so die prozentuale Höhe der Unterlegungspflicht für die einzelnen Vermögenswerte zu ermitteln. Der Standardansatz orientiert sich an Feld-Tests (Quantitative Impact Studies, kurz QIS). Die derzeit aktuelle und in der Diskussion befindliche fünfte QIS sieht dabei eine Eigenkapitalunterlegungspflicht für die Anlageklasse Alternative Investments, zu denen auch Private-Equity-Beteiligungen zählen, von 49% vor.Mit einem Inkrafttreten der Solvency-II-Bestimmungen ist voraussichtlich in drei Jahren zu rechnen. Insofern bleibt abzuwarten, ob nicht auch Versicherungsunternehmen mit der Erwägung der Veräußerung risikotragender Bilanzaktiva konfrontiert werden und daher die beschriebenen Modelle auch für sie attraktiv sein können.—-*) Dr. Nikolaus von Jacobs ist Partner bei Ashurst in München.