Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Matthias Heisse

"Bei Aktivisten im Aktionärskreis früh Kontakt mit der BaFin aufnehmen"

Die Lehren aus dem Fall Cewe Color - Intensive Vorbereitung ist erforderlich

"Bei Aktivisten im Aktionärskreis früh Kontakt mit der BaFin aufnehmen"

Herr Dr. Heisse, Sie beraten den Vorstand der Cewe Color Holding, die von Hedgefonds in ihrer Strategie angegriffen wird und eine schlagzeilenträchtige Hauptversammlung hinter sich hat. Was sollten Vorstände in einer solchen Situation tun?Aktiengesellschaften mit Hedgefonds als Aktionären sollten ihre Hauptversammlungen (HV) präzise vorbereiten. Das gilt insbesondere, wenn es sich um Activist Shareholder handelt, deren Vorstellungen nicht mit denen des Managements konform gehen. Vorstand und Aufsichtsrat sehen sich dann oft auf der HV mit unliebsamen Forderungen nach Erhöhung der Dividende durch eine Sonderausschüttung oder bei anstehenden Aufsichtsratswahlen auch mit Gegenanträgen hinsichtlich der Besetzung des Aufsichtsrats konfrontiert. – Was ist das Problem?Bei der üblichen geringen Präsenz genügen Hedgefonds schon geringe Pakete, um Entscheidungen im eigenen Interesse durchzusetzen. Deshalb muss ein Unternehmen alles daran setzen, genügend Aktionäre für die eigenen Vorstellungen und eine Teilnahme auf der Hauptversammlung zu gewinnen. – Mehrheiten sind kein Zufall? Genau. Aktiengesellschaften, die sich gegen die Interessen von Hedgefonds verteidigen wollen, müssen um jede Stimme kämpfen und Proxy Fighting betreiben. Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, Gespräche mit möglichst vielen Aktionären zu führen und die wichtigen Punkte der Unternehmensstrategie im Unterschied zur Strategie der Hedgefonds persönlich zu präsentieren. Stand und die Mehrheitsverhältnisse müssen dann laufend überwacht werden. – Das reicht aber nicht.Nein, die beratende Kanzlei sollte kurzen Draht zur BaFin suchen. So sollten in Absprache mit der Aufsicht zur Vermeidung eines etwaigen Stimmrechtsausschlusses die kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten gemäß § 21 ff. Wertpapierhandels-Gesetz exakt überprüft werden. Banken und Fonds können zudem ihre Aktien vom nicht stimmberechtigten Handelsbestand in den Anlagebestand, in dem die Aktien stimmberechtigt sind, umbuchen. Hierüber ist die BaFin entsprechend zu informieren. Mit einer umfassenden Bevollmächtigung des Stimmrechtsvertreters der Gesellschaft kann außerdem Ad-hoc-Anträgen entgegengetreten werden. Wenn diese Vollmacht nicht besteht, kann der Stimmrechtsvertreter der Aktiengesellschaft nämlich sein Stimmrecht bei möglichen Ad-hoc-Anträgen nicht ausüben. – Worauf ist des Weiteren zu achten?Der Termin der Hauptversammlung ist entscheidend. Möglicherweise kann das Management der Abhaltung einer außerordentlichen Hauptversammlung zuvorkommen, wenn die ordentliche HV entsprechend terminiert wird. Dies erfordert eine perfekte Abstimmung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Selbstverständlich gehört daneben jeder organisatorische Punkt der Hauptversammlung auf den Prüfstand: Setzt das Unternehmen einen Tag an oder besser zwei, wird subtraktiv oder additiv abgestimmt, und mit welchem Auszählungsverfahren fährt das Unternehmen am besten? Einzelwahl des Aufsichtsrates oder Listenwahl, Einzelentlastung der Organe oder Gesamtentlastung, zusätzliche Beschlüsse oder schlanke Tagesordnung? – Was kann vorbereitet werden? Unternehmen und beteiligte Anwälte müssen eine umfassende Liste mit Fragen und Antworten vorbereiten. Im Extremfall werden Antworten auf mehrere hundert mögliche Fragen erstellt und bis zum Tag der HV kontinuierlich aktualisiert. Schließlich ist Stimmkarte nicht gleich Stimmkarte: Um Zeitverluste zu vermeiden, müssen Stimmkarten von vornherein die Möglichkeit bieten, auch über alle Ad-hoc-Anträge von Hedgefonds abzustimmen. – Worauf kommt es während der Hauptversammlung an?Während der Versammlung ist ein funktionierendes Back Office entscheidend. Dort beraten Mitarbeiter und Juristen den Vorstand aus dem Hintergrund, entwerfen Antworten auf kritische Fragen, geben rechtlichen Flankenschutz. Den Ablaufleitfäden kommt eine zentrale Rolle zu, indem diese verschiedene Szenarien vorhersehen sollten: Für das Verzögern der Abstimmung durch die Activist Shareholder durch eine Flut von Fragen bis hin zu Angriffen auf den Versammlungsleiter mit dem Ziel einer Vertagung der Hauptversammlung sollten organisatorische und rechtliche Vorbereitungen getroffen werden. – Was ist der Kern, auf den es ankommt?In allen Situationen ist darauf zu achten, dass die Beschlüsse der Hauptversammlung von vornherein juristisch wasserdicht sind. Insbesondere bei den zentralen Themen Aufsichtsratswahlen, wichtige Satzungsänderungen und Kapitalbeschaffung darf absolut kein Fehler passieren, denn im Nachgang sind Anfechtungsklagen von Hedgefonds gegen HV-Beschlüsse erfahrungsgemäß zu erwarten. Diese Prozesse müssen gewonnen werden. Andernfalls könnten Activist Shareholder auf diese Weise die weitere geschäftliche Entwicklung beeinflussen. Dr. Matthias Heisse ist Managing Partner von Heisse Kursawe Eversheds in München und leitet als Anwalt das Corporate & Tax-Team.Die Fragen stellte Walther Becker.