Bei Klinikfusionen bekommen kartellrechtliche Erwägungen Gewicht
– Herr Dr. Lentz, das Kartellamt hat im Fall des Rhön-Klinikums zweimal in kurzer Folge Klinikfusionen untersagt. Sind für künftige Krankenhausprivatisierungen damit hohe, wenn nicht unüberwindbare Hürden gesetzt?Die Entscheidungen werden dringend notwendige Privatisierungen erschweren. Die Bedeutung von Leitentscheidungen, die Krankenhausprivatisierungen hemmen oder gar verhindern, messe ich ihnen allerdings nicht bei. – Worauf basiert die Einschätzung?Die in diese Richtung zielenden Kommentare übersehen den Einzelfallcharakter der Entscheidungen. Ob ein Zusammenschluss im konkreten Fall untersagt wird, hängt von der Marktposition der Beteiligten ab. Vorliegend ist in den relevanten Märkten die Patientenmobilität offenbar gering. Zudem ist die betroffene Rhön-Klinikum AG dort mit weiteren Kliniken, deren Behandlungsspektrum sich weitgehend mit dem der Zielkliniken deckt, sehr stark vertreten. Das Kartellamt stellt daher auf der Grundlage der umfassend erhobenen und nach dem Bedarfsmarktkonzept analysierten Daten für diese Märkte eine bereits marktbeherrschende Stellung des Rhön-Klinikums fest und untersagt konsequenterweise die Zusammenschlussvorhaben. Die Richtigkeit der Cluster-Strategie, welche die meisten erfolgreichen Klinikkonzerne verfolgen, stellen die vorliegenden Entscheidungen nicht grundsätzlich in Frage. Wie immer ist auch hier im Einzelfall entscheidend, wie ein Betreiber sein Angebot in das Leistungsgefüge des relevanten Marktes einfügen kann. – Sie sehen also auch in Zukunft weitere privatisierende Krankenhauserwerbe?Natürlich. Den Schluss, dass die vorliegende Marktabgrenzung im Ergebnis in Zukunft auf jeden Erwerb eines Krankenhauses angewandt wird, tragen die Entscheidungen nicht. Das Kartellamt unterstreicht in der ersten Entscheidung, dass es für die Erwägung einer anderen, allerdings konkret vorzutragenden Marktabgrenzung offen gewesen wäre. Darüber hinaus weist es darauf hin, dass zum Beispiel beim Zusammenschluss hochspezialisierter Fachkliniken eine andere Marktabgrenzung denkbar wäre. Auch in Bezug auf die räumliche Marktabgrenzung unterstreicht es, dass pauschalierende Betrachtungen nicht angemessen sind, sondern immer die konkreten Gegebenheiten des Gebietes geprüft werden müssen. So wäre es zu vertreten, in Stadtstaaten wie Hamburg oder bei hochspezialisierten Universitätskliniken nicht nur aufgrund der eventuell höheren Patientenmobilität im Einzugsbereich, sondern auch wegen des spezialisierteren Leistungsspektrums den räumlichen Markt weiter und den sachlichen Markt enger zu fassen. – Gibt es im deutschen Gesundheitssystem überhaupt echten Wettbewerb?Sicherlich, sonst gäbe es nicht so viele unterschiedlich erfolgreiche Marktteilnehmer. Selbst im Krankenhauswesen, das sich durch die duale Finanzierung auszeichnet und dessen Kostenerstattungssystem durch die Einführung der Fallpauschalen noch weiter gestrafft werden soll, zeigen sich eindeutige Wettbewerbsfelder. In Zukunft wird im Bereich der stärker privat zu tragenden Gesundheitskosten ein größerer Preis-wettbewerb einsetzen. Die Vertragsverhandlungen der Klinikbetreiber mit den Versorgungsträgern, den Krankenversicherungen, spiegeln dies heute schon wider. Auch im Investitionswettbewerb sind private Betreiber aufgrund der angespannten öffentlichen Haushaltslage immer stärker auf private Finanzierung angewiesen. Neben diesen überregional wirkenden Wettbewerbsfeldern wird die Attraktivität eines Hauses auch im unmittelbaren Qualitätswettbewerb um den Patienten entschieden. – Welche Strategien bleiben den Unternehmen?In Zukunft werden Klinikkonzerne fusionskontrollrechtliche Aspekte, gerade beim Erwerb von Objekten in geografisch eher abgeschlossenen, sachlich wenig diversifizierten Märkten, sehr vorsichtig analysieren müssen. Allerdings findet man im gegenwärtigen Konsolidierungsstadium des Krankenhausmarktes selten so einseitig vorgeprägte Situationen wie in der ersten Entscheidung des Kartellamtes. Der Erwerb spezialisierter Fachkliniken mit einem größeren Einzugsbereich oder aber von Häusern in einer Region, in welcher der Erwerber bislang noch keine marktbeherrschende Stellung innehat, wird auch in Zukunft möglich sein. Privatisierende Kommunen werden in Zukunft im Bieterverfahren bereits bei der Auswahl der Bieter, spätestens aber bei der Zuschlagsentscheidung die kartellrechtlichen Erfolgsaussichten eines konkreten Privatisierungsvorhabens stärker beachten müssen. Gerade die größeren Konzerne werden dabei häufiger im kritischen Fokus des Veräußerers stehen.*) Dr. Dominik Lentz ist Partner von Clifford Chance im Büro Düsseldorf. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.