Immobilien - Gastbeitrag

Bei Spekulationsfrist ist Vertrauensschutz zu wahren

Börsen-Zeitung, 26.8.2010 Die lange erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu der Frage, ob die 1999 beschlossene Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre verfassungsgemäß war, ist vor wenigen Tagen veröffentlicht...

Bei Spekulationsfrist ist Vertrauensschutz zu wahren

Die lange erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu der Frage, ob die 1999 beschlossene Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre verfassungsgemäß war, ist vor wenigen Tagen veröffentlicht worden. Die Karlsruher Richter hatten über einen Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofes aus dem Jahre 2003 (IX R 46/02) zu entscheiden.Das höchste deutsche Gericht hat entschieden, dass es verfassungswidrig war, die Spekulationsfrist gänzlich ohne schonende Abgrenzungsregelungen zu verlängern. In dem Beschluss heißt es, die Anwendung der verlängerten Spekulationsfrist verstoße gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und sei nichtig, soweit ein Wertzuwachs besteuert wurde, der nach der alten Rechtslage steuerfrei hätte realisiert werden können, weil die alte Spekulationsfrist bereits abgelaufen war. Brisante EntscheidungDas Thema könnte politische Brisanz bekommen, da die Haushaltskassen leer sind und der Staat auch bei Immobilienbesitzern nach neuen Einnahmequellen sucht. Leider kommt die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Immobilienverkäufen immer wieder neu auf die Tagesordnung: Bereits 2003 hatte der Gesetzgeber einen Vorstoß unternommen, Veräußerungsgewinne von Immobilien unabhängig von Haltefristen steuerpflichtig zu machen.Auch im Koalitionsvertrag der Großen Koalition aus dem Jahre 2005 war festgelegt worden, dass nicht nur Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren, sondern auch Gewinne aus Immobilienverkäufen unabhängig von Haltefristen besteuert werden sollten. Letztlich wurde dies glücklicherweise für Immobilien nicht umgesetzt, was jedoch lediglich daran lag, dass dies steuersystematisch nicht ohne riesigen Verwaltungsaufwand im Rahmen der Abgeltungsteuer geregelt werden konnte.Die Tatsache, dass die Veräußerungsgewinne von Aktien und anderen Wertpapieren heute unabhängig von Haltefristen zu versteuern sind, während jene von Immobilien nach einer Haltefrist von zehn Jahren steuerfrei sind, stößt immer wieder auf Kritik. Angesichts der hohen Staatsverschuldung liegt die Gefahr auf der Hand, dass die Politik das Thema erneut auf die Tagesordnung setzt. In Großbritannien beispielsweise ist soeben der Steuersatz für die Wertzuwachsbesteuerung um zehn Prozentpunkte erhöht worden.Für Immobilienbesitzer ist der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes aus diesem Grunde auch für die Zukunft sehr bedeutsam. Denn er verhindert, dass der Gesetzgeber bei einer erneuten Änderung des Paragraphen 23 EStG wieder eine Neuregelung ohne schonende Übergangsregelungen beschließen könnte. Dem ist durch den aktuellen Beschluss ein Riegel vorgeschoben: Es dürfen zukünftig bei Immobilien im Privatvermögen, die sich außerhalb der Spekulationsfrist befinden, nur Wertsteigerungen besteuert werden, die nach der Neuregelung eintreten.Dies wäre jedoch unpraktikabel, da zu diesem Zweck dann an einem Stichtag alle in Deutschland im Privatbesitz befindlichen Immobilien (mit Ausnahme der selbstgenutzten Objekte, die ohnehin ausgenommen sind) neu bewertet werden müssten. Insoweit wäre zu wünschen, dass diese Immobilien von einer Neuregelung komplett ausgenommen werden.Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss nicht gefordert, die vor Inkrafttreten der Neuregelung erworbenen Immobilien generell von der Neuregelung auszunehmen. Vielmehr erklärten die Karlsruher Richter, dass die Verlängerung der Spekulationsfrist und eine damit verbundene Besteuerung von Wertzuwächsen dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, wenn eine bereits früher geltende Spekulationsfrist im Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes noch nicht abgelaufen sei. Schlechtere BehandlungGegen diese Sichtweise kann jedoch eingewendet werden, dass damit Immobilien deutlich schlechter behandelt werden als Wertpapiere oder Kapitallebensversicherungen. Denn als das Steuerprivileg für Kapitallebensversicherungen abgeschafft wurde, wurden bewusst alle vor Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2005 geschlossenen Verträge davon ausgenommen. Auch bei Einführung der Abgeltungsteuer für Wertpapiere wurden alle Aktien, Anleihen und andere Wertpapiere von der Neuregelung ausgenommen, die vor dem 1. Januar 2009 erworben worden waren.Sollte der Gesetzgeber befördert durch die Karlsruher Entscheidung auch die Spekulationsfrist für Immobilien abschaffen wollen, müsste die Immobilienwirtschaft von der Politik eine Gleichbehandlung einfordern, also eine Übergangsregelung, welche über die von den Karlsruher Richtern für verfassungsrechtlich erforderlich erachtete, hinausgeht.