Immobilien - Gastbeitrag

Berlin setzt auf "bedingungsfreien" Verkauf

Von Holger Lippmann *) Börsen-Zeitung, 28.9.2006 Die öffentlichen Haushalte leiden unter hoher Verschuldung. Einen Großteil ihrer jährlichen Ausgaben wenden Kommunen, Länder und Bund für die Zinszahlungen und Tilgungen auf. Dresden ist ein...

Berlin setzt auf "bedingungsfreien" Verkauf

Von Holger Lippmann *) Die öffentlichen Haushalte leiden unter hoher Verschuldung. Einen Großteil ihrer jährlichen Ausgaben wenden Kommunen, Länder und Bund für die Zinszahlungen und Tilgungen auf.Dresden ist ein Beispiel dafür, dass Immobilien als die ungehobenen Schätze von Kommunen, Ländern und Bund bezeichnet werden können. Der Stadtrat beschloss im März 2006, die Woba Dresden GmbH mit ihren rund 48 000 Wohnungen für fast 1 Mrd. Euro an die Beteiligungsgesellschaft Fortress zu verkaufen. Damit ist die sächsische Landeshauptstadt als erste deutsche Großstadt schuldenfrei. Auch die Hansestadt Hamburg und das Land Hessen haben in den vergangenen Monaten zahlreiche Gewerbeimmobilien gewinnträchtig veräußert. Großes Portfolio vorhandenMit Wohnungsbaugesellschaften sowie zahlreichen bebauten und unbebauten Flächen verfügt die öffentliche Hand aus historischen Gründen zumeist über ein reichhaltiges Immobilienportfolio – und ist nicht selten der größte Grundstückseigentümer am Ort. Während schon viele staatliche Unternehmen privatisiert sind, wird der Wert des Immobilienvermögens allerdings oft unterschätzt und deshalb nicht hinreichend verwertet.Haushaltsverschuldung ist auch ein besonderes Problem für das Land Berlin, wo Finanzsenator Thilo Sarrazin eine “extreme Haushaltsnotlage” mit einem Schuldenstand von rund 60 Mrd. Euro konstatiert. Zur Minderung dieser Last hat der landeseigene Liegenschaftsfonds Berlin nicht mehr benötigte Liegenschaften verkauft. Die dabei erlösten 770 Mill. Euro mögen zwar wie ein Tropfen auf den heißen Stein erscheinen, sind jedoch auf mittlere Sicht – zumindest in Berlin – eine relativ konstante Einnahmequelle. Denn Land und Stadtbezirke benötigen immer mehr Objekte nicht mehr und übertragen sie an den Liegenschaftsfonds zum Verkauf. Eine erfolgreiche Vermarktung von Immobilien im Sinne der Steuerzahler kann durch folgende Voraussetzungen deutlich verbessert werden:Erstens muss der deutsche Immobilienmarkt insgesamt eine noch stärkere Eigendynamik und Flexibilität entfalten. Im laufenden Jahr hat es immerhin schon zahlreiche Anzeichen für einen Aufschwung mit steigenden Preisen gegeben. Um international attraktiver zu werden, müssen sich die politischen Rahmenbedingungen verändern. Ein möglicher Weg dahin ist die Einführung von börsennotierten Immobilienaktiengesellschaften. Diese Real Estate Investment Trusts (Reits) könnten den Markt auf positive Weise beleben.Zweitens müssen öffentliche Vermarkter wie privatwirtschaftliche Anbieter agieren, d. h. möglichst fern von politischer Einflussnahme und Beschränkung arbeiten können, um wirtschaftliche Ergebnisse zu erreichen. Nur auf diese Weise lassen sich sowohl internationale als auch private Investoren anziehen – und jeweils anforderungsgerecht bedienen.Drittens sind transparente Ausschreibungsverfahren für eine höhere Erfolgsquote notwendig. Das gilt besonders dann, wenn unattraktive Objekte mit gutachterlichen Maßstäben allzu hoch bewertet sind und sich deshalb oft nicht verkaufen lassen.Das in Berlin eingeführte bedingungsfreie Bieterverfahren ist ein Beispiel dafür, wie eine marktgerechtere und flexiblere Preisgestaltung erreicht werden kann: Jedermann darf sich an diesem Verfahren beteiligen. Wer das höchste Gebot abgibt und den Kaufpreis tatsächlich zahlen kann, erhält den Zuschlag.Der Liegenschaftsfonds Berlin ist sicherlich nicht das einzige Beispiel dafür, wie ein landeseigener Immobilienanbieter erfolgreich im Markt agiert, dabei unentdeckte Schätze hebt, somit die Interessen der Steuerzahler berücksichtigt und die Verschuldung mindert. Die Ziele und Vorgaben des Landes werden dabei unter Berücksichtigung wirtschafts- und stadtentwicklungspolitischer Aspekte umgesetzt. *) Der Autor ist Geschäftsführer des Liegenschaftsfonds Berlin.