RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: ANDREAS MERKNER

Berufsopponenten nutzen Formfehler für Anfechtungsklagen

BGH-Urteil zieht Grenzen - Noch nicht überall Rechtssicherheit

Berufsopponenten nutzen Formfehler für Anfechtungsklagen

– Herr Dr. Merkner, der BGH hat sich jüngst in einer Entscheidung zu Formfehlern in Hauptversammlungseinladungen geäußert, was war der Hintergrund?Aktionäre der Deutschen Bank hatten Beschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung 2008 mit der Behauptung angefochten, die Einladung zur Hauptversammlung habe unrichtige Angaben zur Ausübung des Stimmrechts durch Bevollmächtigte enthalten. Die Frage war nun, ob hierin ein Mangel lag, der zur Nichtigkeit sämtlicher auf der Hauptversammlung gefasster Beschlüsse geführt hätte. Während das OLG Frankfurt als Vorinstanz dies bejaht hatte, hat der BGH das Berufungsurteil nun insoweit aufgehoben (Urteil vom 19. Juli 2011 – II ZR 124/10).- Was sind die wesentlichen Aussagen des Gerichts?Der BGH hatte zu entscheiden, ob ein Nichtigkeitsmangel vorlag, weil die Angaben zu den Bedingungen fehlerhaft waren, von denen “die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts” abhingen. Der BGH hat diese Formulierung im Gesetz zu Recht einschränkend ausgelegt, und zwar in dem Sinne, dass hiermit die formellen Voraussetzungen für die Wahrnehmung dieser Rechte durch den Aktionär selbst, nicht aber die Art und Weise der Stimmrechtsausübung durch einen Bevollmächtigten gemeint sind. Inhaltlich hat er die betreffende Passage in der HV-Einladung allerdings beanstandet und somit das Vorliegen eines möglichen Anfechtungsgrundes bejaht. Da dieser aber nicht innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist gerügt worden war, musste sich der BGH im Ergebnis zur Relevanz des Gesetzesverstoßes nicht äußern.- Ging es hier um einen Einzelfall?Nein, das OLG Frankfurt hatte bereits in anderen Fällen (u.a. in der sog. Leica-Entscheidung) die Auffassung vertreten, dass fehlerhafte oder missverständliche Angaben zur Bevollmächtigung zur Nichtigkeit der in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse führen können. Die Folge war, dass die Gesellschaften bei der Vorbereitung von Hauptversammlungen weiter verunsichert wurden. Die Auffassung des OLG Frankfurt stand im Übrigen im Widerspruch zur Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte. Insofern ist es zu begrüßen, dass der BGH nun Gelegenheit hatte klarzustellen, dass solche Fehler jedenfalls nicht automatisch die Nichtigkeit der Beschlüsse nach sich ziehen.- Hat der Gesetzgeber nicht unterdessen reagiert und verdeutlicht, dass diese Art von Mängeln nicht zur Nichtigkeit von HV-Beschlüssen führen?Das ist richtig. Im Rahmen des im September 2009 in Kraft getretenen Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie wurde der Katalog der Nichtigkeitstatbestände entschärft, so dass sich die von dem BGH entschiedene Frage in der Zukunft so ohnehin nicht mehr gestellt hätte.- Wie ist die BGH-Entscheidung aus Ihrer Sicht dann einzuordnen?Man muss die BGH-Entscheidung vor dem Hintergrund des Umfelds sehen, in welchem die börsennotierten Gesellschaften seit einigen Jahren bei der Vorbereitung von Hauptversammlungen agieren. Abgesehen von aktien- und umwandlungsrechtlichen Strukturmaßnahmen, zu deren zügiger Umsetzung das Freigabeverfahren zur Verfügung steht, sind in der jüngsten Vergangenheit vermehrt auch sonstige Beschlüsse, wie z.B. Entlastung der Verwaltung oder Aufsichtsratswahlen, angegriffen worden – und dies eben zum Teil unter Berufung auf unbedeutende Formmängel. Ein weiteres Thema, das die Praxis in diesem Zusammenhang umtreibt, ist die zunehmend anzutreffende Behauptung von Klägern, dass die Stimmrechtsmitteilung eines Großaktionärs nach dem Wertpapierhandelsgesetz fehlerhaft gewesen sei.- Mit welchen Folgen?Nach derzeitiger Rechtslage kann dies einen Rechtsverlust bezüglich der Aktien zur Folge haben. Insofern besteht aus Sicht der Praxis ein drin-gendes Bedürfnis klarzustellen, dass jedenfalls unbedeutende Fehler in den Mitteilungen nicht zur Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen führen. Der Gesetzgeber sollte hier Abhilfe schaffen und zugunsten der Gesellschaften für mehr Rechtssicherheit sorgen. Denn eines ist nach der jüngsten BGH-Entscheidung ebenfalls klar: Auch bloße “Pipifax”-Fehler – so ausweislich der Presse der Anwalt der Deutschen Bank in der mündlichen Verhandlung – bei der Vorbereitung von Hauptversammlungen können den Gesellschaften nach wie vor gefährlich werden.—-Dr. Andreas Merkner ist Partner bei Shearman & Sterling. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.