Betroffene Unternehmen können auf Entschädigungen hoffen
Von Martin Bartlik und Karolina Lange *)Das Landgericht Mannheim hat mit Urteil vom 29. April 2020 (Az. 11 O 66/20) entschieden, dass die Schäden resultierend aus einer vom Hotelbetreiber selbst veranlassten Betriebsschließung durch die Betriebsunterbrechungsversicherung gedeckt sein könnten.In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Hotelbetreiber eine Betriebsunterbrechungsversicherung abgeschlossen. Versichert war auch der Fall, dass die zuständige Behörde auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) den Betrieb wegen meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserregern schließt. Unter “meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger” verstanden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen die in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten. Eigene EntscheidungDer Hotelbetreiber hatte, ohne dass gegen ihn eine behördliche Anordnung ergangen war, den Betrieb aufgrund eigener Entscheidung geschlossen. Nachdem durch eine Allgemeinverfügung die Beherbergung von Touristen verboten worden war und der Geschäftsreiseverkehr zusammengebrochen ist, war die Fortführung des Betriebs unwirtschaftlich.Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Hotelbetreiber gegen die Versicherung einen Anspruch auf die Leistung aus der Betriebsunterbrechungsversicherung hat. Es liege eine versicherte, faktische Betriebsschließung vor. Aus Sicht des Gerichts seien die Versicherungsbedingungen dahingehend auszulegen, dass auch mittelbare Wirkungen einer an die Allgemeinheit gerichteten Allgemeinverfügung vom Versicherungsschutz gedeckt seien. Diskussion um StaatshaftungIm Ergebnis hat das LG Mannheim dem Antrag des Hotelbetreibers zwar aus zivilprozessualen Gründen nicht stattgegeben. Das Urteil erging in einem sogenannten Eilrechtsschutz. Der klagende Hotelbetreiber verlangte von der Versicherung im Wege einer einstweiligen Verfügung eine vorzeitige Leistung aus der Betriebsunterbrechungsversicherung. Grundsätzlich gewähren Gerichte eine solche vorzeitige Leistung im Rahmen einer einstweiligen Verfügung nur im äußersten Ausnahmefall. Es ist aber noch möglich, dass der Hotelbetreiber in dem laufenden Hauptsacheverfahren gegen die Versicherung eine Entschädigung durch das Gericht zugesprochen bekommt.Neben Versicherungsfällen dürften sich Gerichte künftig eingehender mit gegen den Staat gerichteten Entschädigungsansprüchen beschäftigen müssen. Nicht nur in der juristischen Beratung wird die Ansicht vertreten, dass Betrieben, die aufgrund der zahlreichen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erlassenen Allgemeinverfügungen schließen mussten, Entschädigungsansprüche zustehen können.Auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat in einer Entscheidung (Beschluss vom 23. April 2020, Az. 13 MN 96/20) festgestellt, dass Betroffene einen Ausgleichsanspruch nach allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Grundsätzen beanspruchen können.Geklagt hatte ein Tierpark gegen eine Verordnung, die ihm den Betrieb untersagte. Die Untersagung erhielt das Gericht aufrecht und teilte in einem Nebensatz zugleich mit, dass dem Tierpark Entschädigungsansprüche zustehen dürften. Zwar ist das OVG Lüneburg für Entschädigungsstreitigkeiten in Niedersachsen nicht das zuständige Gericht. Aber allein aufgrund seiner Bedeutung als höherrangiges Instanzgericht hat eine solche Aussage des OVG Lüneburg für die unteren Gerichte viel Gewicht.Auch wenn Entschädigungsansprüche nicht in jedem Einzelfall bestehen werden, lohnt es sich, solche Möglichkeiten zu prüfen. Gerade bei Betriebsuntersagungen, die zu großen Schäden führen, ohne dass diese durch staatliche Schutzschirme oder Konjunkturpakete kompensiert werden, können Entschädigungen ein weiterer Baustein zur Rettung der Existenz der betroffenen Unternehmen sein. Nach Infektionsschutzgesetz sind etwaige Ansprüche binnen zwölf Monaten ab Wirksamwerden der staatlichen Maßnahme, die zur Beeinträchtigung des Unternehmens geführt hat, zu stellen. Versicherungsumfang prüfenAuch was Ansprüche aus einer Betriebsunterbrechungs-/Betriebsschließungsversicherung angeht, muss in jedem Einzelfall der Versicherungsumfang geprüft werden. Dieser kann bei Betriebsunterbrechungs-/Betriebsschließungsversicherungen sehr unterschiedlich sein und zum Beispiel von der spezifischen Abdeckung bestimmter Elementarschäden (beispielsweise Feuer- oder Leitungswasserschaden) über die Absicherung bestimmter Pandemien bis hin zu unspezifischen Force-majeure-Fällen reichen. Im letzten Fall würde sich dann die Frage stellen, ob eine Pandemie einen Force-majeure-Fall darstellt. *) Dr. Martin Bartlik und Karolina Lange sind Partner der internationalen Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing.