Asset Management - Offene Immobilienfonds in der Krise - Serie "Zukunft der offenen Immobilienfonds" (Teil 5 und Schluss)

Bewertungsfragen kritisch diskutieren und pragmatisch lösen

Bei Fonds in Abwicklung sind die Abwertungen deutlich höher als bei allen anderen offenen Immobilienfonds - Das nährt die Zweifel der Investoren

Bewertungsfragen kritisch diskutieren und pragmatisch lösen

Von Wolfgang Kubatzki *) Für die Zukunft der offenen Immobilienfonds wird es von entscheidender Bedeutung sein, welche Lösung für die Bewertungsproblematik gefunden wird, die schon seit längerem immer wieder kontrovers diskutiert wird. Bei Investmentfonds erfolgt in der Regel eine börsentägliche Anteilswertermittlung, und zwar für Aktien- und Rentenfonds ebenso wie für offene Immobilienfonds.Letztere unterscheiden sich jedoch durch eine wesentliche Besonderheit von klassischen Kapitalmarktfonds. Während bei Aktien- und Rentenfonds der Anteilswert der Fonds leicht aus den festgestellten Börsenkursen der einzelnen Wertpapiere ermittelt werden kann, ist dies bei offenen Immobilienfonds nicht möglich. Die Immobilienwertermittlung erfolgt hier durch unabhängige Sachverständige, und alle Kapitalanlagegesellschaften verfügen über einen Sachverständigenausschuss.Nach den zurzeit gültigen Vorschriften des Investmentgesetzes hat die Bewertung mindestens alle zwölf Monate zu erfolgen. Diese Art der Wertbestimmung ist seit je her immer wieder von Analysten und Anlegern kritisiert worden. Ein wesentlicher Kritikpunkt waren vor der Finanzkrise die sogenannten Einwertungsgewinne. Ein oftmals erheblicher Teil der von den offenen Immobilienfonds ausgewiesenen Performance resultierte in der Vergangenheit nämlich nicht aus laufenden Mieteinnahmen, sondern aus der Wertentwicklung der Immobilien. Dies galt vor allem beim Ankauf. Wurde ein Objekt zu einem Preis unterhalb des gutachterlich festgestellten Wertes erworben, führte die Differenz sogleich zu einem Performancebeitrag. So konnte die Wertänderungsrendite durchaus auch mehr als 30 % der jährlichen Gesamtrendite ausmachen.Heute kommen die Bedenken von einer ganz anderen Seite. Noch immer sind 13 Fonds mit einem Gesamtvolumen von rund 23 Mrd. Euro geschlossen. Dies entspricht etwa 26 % des Gesamtmarktes der offenen Immobilienfonds. Drei dieser Fonds befinden sich in Abwicklung. Bedenken von anderer SeiteIn den vergangenen 18 Monaten haben fast alle Fonds – allgemein eher geringe – Bewertungsverluste hinnehmen müssen. Gerade die Anleger der zurzeit geschlossenen Fonds fragen sich jedoch, ob der jetzige Bewertungsstand bereits die aktuelle Marktsituation widerspiegelt. Insbesondere befürchten sie, dass der “Verkaufsdruck” bei den Fondsgesellschaften tendenziell dazu führen könnte, die Sachverständigen zu größeren Abwertungen als in der Vergangenheit üblich zu ermuntern.Und tatsächlich fallen die Abwertungen bei den in Abwicklung befindlichen Fonds um ein Vielfaches höher aus als bei allen anderen Fonds, wo sie im letzten Berichtszeitraum höchstens 2 % betrugen. Darin äußern sich Zweifel, ob die Objekte zu den festgestellten Werten wirklich noch marktgängig sind.Ein guter Indikator dafür ist der Spread zwischen dem aktuellen Börsenkurs der Fonds an der Börse Hamburg und dem veröffentlichten Anteilswert. Hier zeigt sich sehr anschaulich die größere Unsicherheit bei den Anlegern. Während die Abschläge in der Schließungsphase November 2008 bis Juli 2009 zwischen 5 und 10 % lagen, erreichen sie nun im Mittel 25 %. Auffällig ist dabei auch, dass sich der Spread zwischen den geschlossenen und den in Abwicklung befindlichen Fonds in diesem Jahr stark reduziert hat. Hier machen die Anleger also kaum noch einen Unterschied. Bei den weiterhin geöffneten Fonds stellt sich dieses Problem nicht, allerdings erfolgt in dieser Gruppe der Börsenhandel auch auf einem niedrigen Niveau (siehe Grafik).Die Zweifel der Anleger sind dem Grunde nach durchaus berechtigt. Interessant ist ein Blick auf die Entwicklung der Multiplikatoren, die ausdrücken, wie vielen Jahresnettomieten der für eine Immobilie gezahlte Kaufpreis entspricht. Über die letzten drei Jahre erkennt man hier nur bei einigen Fonds eine merkliche Veränderung. Das Renditeniveau wird also von den Gutachtern weitgehend unverändert eingeschätzt. Statischer AnsatzDie deutsche Bewertungsmethodik hat einen eher statischen Ansatz. Änderungen von Bewertungsparametern bedürfen der Ableitung aus dem Markt und sollen einen nachhaltigen Ansatz reflektieren. Prognostische Elemente zur Einschätzung künftiger Marktentwicklungen lassen sich auf diese Weise allerdings nicht ausreichend berücksichtigen. Hinzu kommt der jährliche Bewertungsrhythmus.Wertveränderungen können also stets nur “verspätet” in die Anteilswertberechnung einfließen. Zudem erfolgt die Bewertung der einzelnen Immobilien über das gesamte Geschäftsjahr verteilt. Folglich sind die Bewertungen zu keiner Zeit im Jahr komplett aktuell, sondern teilweise bis zu elf Monate alt. Stichtage für die Bewertungen der einzelnen Immobilien werden jedoch im Jahresbericht nicht genannt. Das Pendel schlägt umDie Zweifel der Anleger resultieren also sowohl aus der Methodik der Bewertung als auch aus der Frage der Aktualität der Bewertung. Die Immobilienmärkte haben in den letzten Jahren einen erheblichen Kapitalzufluss erlebt, der zunächst zu einem Renditeverfall und zu enormen Wertsteigerungen führte, die fundamental nicht begründet waren. Darüber hinaus stiegen die Mieten in den Wirtschaftszentren der Welt deutlich.In der Finanzkrise schlug das Pendel in gleichem Maße in die entgegengesetzte Richtung, und zwar sowohl bei den Renditen als auch bei den Mieten. Die Immobilienmärkte sind weltweit deutlich volatiler geworden, zudem zeigten sich die Veränderungen zumindest in der Finanzkrise mit bis dahin nicht gekannter Geschwindigkeit. Es ist offensichtlich, dass solche Veränderungen mit jährlichen Bewertungen nicht zeitgerecht erfasst werden können.Folgerichtig sehen die Reformvorschläge der Bundesregierung zum Investmentgesetz gar eine monatliche Bewertung der Immobilien vor. Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) schlägt eine quartalsweise Bewertung vor. Der Bundesverband der Immobiliensachverständigen (BIIS) hält eine sechsmonatige Frist für ausreichend. Eine mehrfache unterjährige Bewertung kann nur zum Ziel haben, dass sich mögliche Wertveränderungen schneller in den Portfolios und damit in den Anteilswerten der Fonds niederschlagen. Nicht unerheblicher AufwandDer Ansatz ist schlüssig und konsequent. Demgegenüber steht jedoch ein nicht unerheblicher Aufwand, nicht nur bei den Gutachtern, sondern auch bei den Fondsgesellschaften. Die daraus resultierenden Kosten wird der Anleger zu tragen haben. Eine monatliche Bewertung erscheint allein schon deshalb nicht praktikabel und würde allenfalls scheinbar zu einer höheren Genauigkeit führen.Es kann dahingestellt bleiben, ob nun eine vierteljährliche Bewertung notwendig ist oder ein halbjährlicher Turnus ausreicht. Denn ohne eine Anpassung der Bewertungsmethodik werden sich kaum andere Ergebnisse ergeben. Die Unterschiede zwischen der deutschen, eher statischen Bewertungsmethodik und der angelsächsischen, die stark auf eine Mark-to-Market-Betrachtung setzt, waren noch nie so offensichtlich wie heute – und beide haben ihre Vor- und Nachteile. Die Bewertung ihrer Portfolios hat für die offenen Immobilienfonds essenzielle Bedeutung. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass hier zumindest Aufklärungsarbeit zu leisten ist.—-*) Wolfgang Kubatzki ist Mitglied der Geschäftsleitung von Feri EuroRating Services.Zuletzt erschienen:- “Institutionelle Investoren brauchen klare Spielregeln” von Erich Seeger (7.12.)- “Mehr Selbstbeschränkung hätte der Branche gutgetan” von Matthias Danne (30.11.)