RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: STEPHAN BAUSCH

BGH gibt Banken Rückendeckung gegen "Lehman-Opfer"

Kreditinstitute müssen ihren Kunden Gewinnmargen nicht offenlegen

BGH gibt Banken Rückendeckung gegen "Lehman-Opfer"

– Herr Dr. Bausch, der BGH hat sich im Fall von “Lehman-Opfern” jüngst auf die Seite der Banken geschlagen. Was war der Hintergrund der Entscheidung?Geklagt hatten ein pensionierter Lehrer und eine Ernährungsberaterin. Beide hatten Ende 2006 bzw. Ende 2007 nach Beratung durch die Hamburger Sparkasse Zertifikate einer Lehman-Gesellschaft gekauft. Mit deren Insolvenz waren die Zertifikate dann nahezu wertlos. Die Anleger verklagten die Sparkasse wegen schlechter Beratung auf Schadensersatz. Sie meinten, die Bank habe sie nicht hinreichend über die Risiken der Anlage aufgeklärt. Außerdem hätte das Institut es pflichtwidrig versäumt, seine eigenen Gewinninteressen zu offenbaren. Während die Klagen vor dem Landgericht Hamburg Erfolg hatten, wies das Hanseatische Oberlandesgericht sie ab. Der BGH billigte dieses Ergebnis mit seinen Urteilen vom 27. September 2011.- Was sind die zentralen Aussagen des Urteils?In der mündlichen Urteilsbegründung hat der Senat zunächst klargestellt, dass beratende Banken ihre Kunden in der Regel auf das allgemeine Emittentenrisiko hinweisen müssen. Hierbei geht es im Grunde um einen Allgemeinplatz, wonach der Vertragspartner schlimmstenfalls insolvent werden kann. Davon abzugrenzen ist die Frage, ob die Sparkasse konkret auch auf eine drohende Insolvenz von Lehman Brothers hätte hinweisen müssen. Das hat der BGH verneint, weil es im Zeitpunkt der Beratung keine Anhaltspunkte für ein solches Szenario gab. Dass Verluste aus Zertifikaten als Inhaberschuldverschreibungen nicht durch ein Einlagensicherungssystem gedeckt werden, musste die Bank den beiden Anlegern nicht erläutern, so die Richter. Sie stellten auch klar, dass beratende Banken ihre Kunden beim Verkauf von Finanzinstrumenten, welche die Bank zuvor günstiger von der Emittentin gekauft hat, nicht über ihre Gewinnmarge aufklären müssen.- Inwieweit hat das Urteil Signalwirkung?Mit dem Urteil in diesen beiden Pilotverfahren sind einige grundsätzliche Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt. Das betrifft insbesondere die in den “Lehman-Verfahren” regelmäßig diskutierten Fragen, ob und inwieweit beratende Banken über das allgemeine und besondere Emittentenrisiko, die Einlagensicherung und die eigene Gewinnmarge aufklären müssen. Aber auch über diese Prozesse hinaus sind die Urteile richtungweisend. Beratende Banken, die den Interessen ihrer Kunden verpflichtet sind, dürfen – ebenso wie andere Unternehmen – eigene Gewinninteressen verfolgen und müssen ihren Kunden grundsätzlich nicht offenlegen, was sie an dem Verkauf eigener oder fremder Finanzprodukte verdienen. Das ist in einer Marktwirtschaft – auch einer sozialen – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Einige Instanzgerichte sahen dies unter dem Eindruck der Finanzkrise aber anders.- Über welche Risiken muss eine Bank ihre Kunden beim Vertrieb von Anlageprodukten somit informieren?Auch nach den aktuellen Urteilen bleibt es dabei, dass beratende Banken ihre Kunden bei Bedarf über sämtliche Umstände aufklären müssen, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben. Dazu gehören insbesondere die allgemeinen und besonderen Risiken einer Anlage, beispielsweise die Konjunkturlage, das Emittentenrisiko, etwaige Währungsrisiken, die mangelnde Handelbarkeit usw. Eine abschließende Aussage hierzu lässt sich nicht treffen. Letztlich bestimmen der konkrete Wissensstand des Anlegers und die Komplexität des Finanzinstruments den Umfang der Risikoaufklärung.- Einige Banken, die Lehman-Papiere verkauft haben, sind ihren Kunden entgegengekommen und haben ihnen einen Teil des Anlagebetrags zurückgezahlt. War das mit Blick auf die aktuellen Urteile überflüssig?Dass muss am Ende jede Bank für sich entscheiden. Die Gründe für solche Zahlungen können vielfältig sein. Die meisten Banken prüfen durchaus kritisch, ob im Einzelfall falsch beraten wurde. Dann ist eine außergerichtliche Einigung sinnvoll. Es kann auch um den Erhalt langjähriger Kundenbeziehungen gehen, der Zahlungen unabhängig von der Rechtslage rechtfertigt. Das gilt natürlich auch für Zahlungen aus Reputationsgründen. Tagelange Mahnwachen mit Transparenten vor Bankfilialen sind nur bedingt geschäftsfördernd.—-Dr. Stephan Bausch, D.U., ist Rechtsanwalt und Principal Associate bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.