Immobilien

Billiges Geld heizt den Boom in Spanien an

BBVA: Große Nachfrage sichert Immobilien-Konjunktur bis 2011 - Preise für Wohnraum steigen kräftig - Titel des Sektors haussieren

Billiges Geld heizt den Boom in Spanien an

Von Angelika Engler, MadridAm spanischen Immobilienmarkt ist noch lange keine Siesta angesagt. Die “Fiesta”, der seit Mitte der neunziger Jahre anhaltende Bauboom bei privaten Eigenheimen, geht trotz der schon seit langem prophezeiten und bislang nie eingetretenen Abkühlung unbeirrt weiter. Und zwar bis 2011, schätzen etwa die Volkswirte der Großbank Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA), die dieses Phänomen der spanischen Wirtschaft mit ausführlichen Studien regelmäßig unter die Lupe nehmen und von sich sagen, sie hätten mit ihren Prognosen bislang ins Schwarze getroffen. Investoren freuen sichDie Investoren und Aktionäre freut es. Denn sämtliche spanische Bau- und Immobilienaktien haussieren derzeit oder notieren nahe an ihrem Jahreshoch. Die führende Immobiliengesellschaft des Landes, Metrovacesa, stellt mit einem Kursgewinn seit Jahresbeginn von fast 50 % sogar den besten Performer im spanischen Referenzindex Ibex 35.Neben der guten Konjunktur in der Heimat spielte in diesem Fall aber auch die kürzlich erfolgreich abgeschlossene Übernahme der französischen Immobilienfirma Gecina eine Rolle. Mit diesem Zukauf stellt Metrovacesa nun Europas Sektorzweiten hinter British Land dar und reduzierte gleichzeitig ihre Abhängigkeit vom krisenempfindlichen Geschäft mit privaten Eigenheimen zugunsten des neuen Geschäftsschwerpunkts, des Mietgeschäfts mit Gewerbeimmobilien. Das galicische Unternehmen Fadesa, das seit gut einem Jahr an der Börse notiert und nach anfänglicher Durststrecke auf einen stattlichen Kursgewinn seit dem IPO von 72 % kommt, kaufte kürzlich ebenfalls in Frankreich zu. Spaniens drittgrößte Immobilienfirma, die sich exklusiv um Bau und Verkauf von Eigenheimen kümmert, will sich damit aber nicht etwa diversifizieren und ebenfalls vor einer eventuellen Abkühlung schützten, sondern ihr Geschäftsmodell exportieren.Das spricht von Selbstvertrauen, aber auch vom Vertrauen in die weiter gute Baukonjunktur diesseits und jenseits der spanischen Grenze. Nach der jüngsten Statistik, die auf einer aktualisierten Datenbasis beruht und Spanien seit 2000 ein kräftigeres Wirtschaftswachstum, als es bisher bekannt ist, bescheinigt, stellt der Bausektor bereits 15 % des Bruttoinlandsprodukts (838 Mrd. Euro).Doch die großen Ibex 35-Werte Metrovacesa – der Börsenwert beträgt derzeit 3,5 Mrd. Euro – und der Bau- und Immobilienkonzern Sacyr-Vallehermoso (4,4 Mrd. Euro) sind in der stark zersplitterten Branche der Promotionsgesellschaften nur kleine Fische. Und selbst Fadesa, die sich nur diesem Segment widmet, baut lediglich einen Bruchteil der rekordträchtigen 740 000 Eigenheime, die 2004 fertiggestellt wurden. Nach BBVA-Schätzungen wird dieser Höchststand im laufenden Jahr sogar noch übertroffen. 600 000 Häuser pro JahrUnd für die kommenden Jahre bis 2011 sagt die Großbank den Bau von durchschnittlich weiteren 600 000 Häusern per annum voraus. Wo diese große und offenbar unersättliche Nachfrage herkommen soll, stellt dabei kein Rätsel dar: Ein Großteil der Häuser geht jetzt schon an kaufkräftige Ausländer, die eine Ferienwohnung an den meist sonnigen spanischen Küsten schätzen.Auch der Trend zur Zweitwohnung unter den Einheimischen sowie die große Flut von Immigranten, die dank des Wirtschaftswachstums als kaufkräftige Konsumenten eine immer größere Rolle spielen, halten die Baukonjunktur hoch. Gestützt wird die Nachfrage vor allem aber von dem historisch niedrigen Zinsniveau in dem früheren Hochszinsland Spanien. Bis Ende 2006 sieht etwa BBVA keinen Zinsanstieg, der das Panorama trüben könnte.Zum billigen Geld gesellt sich eine gewisse Mentalität von “Haus- und Bodenbesitzern”: Der Staat als Anbieter von Wohnraum wie etwa in Deutschland war in Spanien nie existent. So streben die Spanier seit jeher nach den eigenen vier Wänden.Inwiefern immer noch Schwarzgeld in den Immobilienkauf fließt und damit ebenfalls die Nachfrage hochhält, gibt man bei BBVA vor nicht zu wissen. Dabei hatte die Großbank vor mehreren Jahren in einer Studie postuliert, dass mit Einführung des Euro große Summen in diesen Sektor sickerten. Nachfragetreibend wirkten in der Vergangenheit zudem die großzügigen Abschreibungsmöglichkeiten, die die ehemals konservative Regierung den Steuerzahlern für den Immobilienkauf gewährte.Die seit gut einem Jahr regierenden Sozialisten um Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero wollen daran allem Anschein nach nicht rütteln. Der Geldpreis führt hier in Spanien überdies zu dem Paradoxon, dass sich der Kauf eines Eigenheims trotz des Preisanstiegs von mehr als 100 % seit 1997 in vielen Fällen immer noch günstiger darstellt als das Mieten einer Wohnung. Denn der Mietmarkt ist in Spanien wegen der mieterfreundlichen Gesetze aus der Franco-Zeit so gut wie inexistent. Mietangebot soll wachsenDie Preise für die wenigen Objekte haben fast unerschwingliche – und vor allem ungerechtfertigte – Höhen erreicht. Das Mietangebot will die Regierung Zapatero zwar mit einer staatlichen Vermittlungsagentur, die den Hauseigentümern als Garant für pünktlich gezahlte Mieten dienen soll, nun kräftig steigern. Doch zum einen bezweifeln Experten, dass dieses Modell funktionieren wird.Zum anderen dürfte der Effekt auf die derzeitigen Mietpreise minimal, wenn nicht gar null sein. Zumal die Preise für einen Quadratmeter Neubau weiter steigen werden. Die spanische Notenbank, Banco de España, schätzt mittlerweile, dass die privaten Eigenheime um etwa 30 % überbewertet sind.Doch längst sind die Experten müde der Diskussion, ob es nun eine Spekulationsblase gebe und wann sie wohl platze. Genauso prophezeit niemand mehr, wann die bereits vor drei oder sogar noch mehr Jahren erwartete Abkühlung der Nachfrage eintreten könnte. Und auch die konstant geäußerten Bedenken des Banco de España, die Verschuldung der Familien habe mit dem Häuserkauf untragbare Ausmaße angenommen, verhallen sowohl bei den Kreditinstituten als auch bei den Promotionsgesellschaften ungehört. Anziehende KonjunkturAngesichts der eher noch anziehenden Konjunktur warten viele jetzt nur noch ab. Und diejenigen Käufer, die jetzt erst in die Spirale einsteigen, nehmen angesichts der Misere auf dem Mietmarkt das mittlerweile als abgehoben geltende Preisniveau zähneknirschend in Kauf. Für 2005 erwartet BBVA, dass die Preise um durchschnittlich 12 % steigen werden.Das wäre immerhin schon eine etwas moderatere Entwicklung als in den drei vorangegangenen Jahren, als die Teuerung bei jeweils gut 17 % lag. Die Wahlversprechen der Sozialisten, staatlich subventionierte Wohnungen und Häuser zu “erschwinglichen” Preisen auf den Markt zu bringen, jagten der Branche nach dem Wahlsieg Zapateros im Frühjahr 2004 zwar erst einmal einen gehörigen Schreck ein. Doch bislang verstrickte sich die zuständige Ministerin María Antonia Trujillo lediglich in eine große Polemik, ohne dass dieses Unterfangen an realistischen Zügen gewonnen hätte. Auch die Politik wird dem Sektor insofern die Fiesta erst einmal nicht verderben.