Biotech hat Nachholbedarf
Von Frank Bremser, Frankfurt Die Biotechnologie, die lange Zeit als Wunder- und Zukunftsbranche gehandelt wurde, ist zuletzt etwas aus dem Blickfeld der Anleger verschwunden. Andere so genannte Zukunftsbranchen wie die Solarindustrie oder der als nächster großer Wurf gehandelte Bioethanolbereich haben den Biotechfirmen den Rang abgelaufen. Und vor allem Investments in Rohstoffe, Öl und Stahl gelten als das aktuelle Top-Investment. Dabei hat vor allem die europäische Branche nach Ansicht von Experten noch viel Potenzial. Längere DurststreckeNach einer längeren Durststrecke hellt sich die Stimmung inzwischen etwas auf: Die Produktpipelines der Unternehmen gelten als gut gefüllt. Experten setzen vor allem darauf, dass durch die Kartierung des menschlichen Erbguts Schlüssel zur Behandlung für viele bisher unheilbare Krankheiten gefunden werden können – und Biotech-Unternehmen dürften in diesem Bereich die Vorreiter sein. So sagen etwa die Analysten von Lehman Brothers: “Wir glauben, dass kleine und mittlere Biotech-Unternehmen der Motor für die Entwicklung innovativer Medikamente sind und bleiben werden.” Beflügeln könnten die Aktienkurse der Unternehmen auch Übernahmefantasien, denn die großen Pharmafirmen haben die Wichtigkeit der Zulieferer erkannt. Sie schließen Kooperationen wie Epigenomics und Johnson & Johnson oder kaufen selbst zu wie zum Beispiel AstraZeneca, die im Mai Cambridge Antibody Technology übernahmen.Dominiert wird der Bereich von amerikanischen Firmen wie Amgen oder Gilead. Das zu ändern hat sich SAP-Gründer Dietmar Hopp auf die Fahnen geschrieben, der in den letzten Jahren insgesamt gut 200 Mill. Euro in deutsche Biotech-Unternehmen investiert hat. Erst kürzlich hat er die einstige Neuer-Markt-Hoffnung Lion Bioscience wiederbelebt. In der Relation zu amerikanischen Unternehmen gelten deutsche Biotechwerte jedoch als günstig bewertet. Generell notieren die Firmen der Branche trotz guter Aussichten auf historisch niedrigem Niveau, wie die Biotech-Analysten von Lehman Brothers anmerken. Lehman ist auch davon überzeugt, dass die Industrie am Beginn eines neuen Zyklus steht. Dennoch bleibt die Bewertung der Bank, die in erster Linie amerikanische Werte beobachtet, vorerst bei “Neutral” für den Sektor, vor allem aufgrund der sehr hohen Zahl an in der Phase III gescheiterten Medikamenten in der jüngsten Zeit. Auch Morgan Stanley bewertet den Sektor derzeit mit “In-line”. Für die europäische Biotechnologieszene ist die WestLB da optimistischer und überschreibt eine aktuelle Studie mit dem Titel “Klein, aber fein”. Die Bank hebt hervor, dass die europäischen Biotech-Unternehmen in der jüngsten Zeit deutlich besser abgeschnitten haben als ihre US-Branchengenossen.So sagt auch Werner Lanthaler, Finanzvorstand der österreichischen Intercell: “Biotechnologie ist immer riskant.” Die auf Impfstoffe spezialisierte Intercell hofft, 2007 erstmals schwarze Zahlen schreiben zu können. Die Aktie des Unternehmens notiert derzeit bei gut 15 Euro, zwei von fünf Analysten empfehlen sie zum Kauf, drei raten zum Halten.Tief in den roten Zahlen ist auch Evotec, deren Aktie in den vergangenen Tagen regelrecht abstürzte. Das Unternehmen machte im zurückliegenden Jahr einen Verlust von 34 Mill. Euro, bei einem Umsatz von 80 Mill. Euro. Evotec hatte vermelden müssen, dass die Weiterentwicklung der Substanz EVT 301 wegen Nebenwirkungen bereits in der frühen klinischen Entwicklungsphase I abgebrochen werde. Dennoch spricht die deutliche Mehrheit der Analysten sich für einen Kauf aus, zum Verkauf rät keiner. Hoher innerer Wert Gewissermaßen eine Mischung aus Aktieninvestment und Fondskauf ist BB Biotech, deren Aktie im TecDax derzeit bei knapp 48 Euro notiert – ihr innerer Wert liegt jedoch deutlich darüber. BB Biotech ist eine Beteiligungsgesellschaft, die in Biotech-Firmen investiert. Analysten empfehlen die Aktie zum Kauf. Überzeugt sind sie auch von anderen im TecDax notierten Biotech-Werten wie Morphosys und GPC Biotech. Auch die aus dem TecDax abgestiegene Medigene habe noch Potenzial und die aktuelle Kursschwäche biete sich zum Einstieg an, so Analysten. Biotech sei generell ein eher langfristiges Investment.Einer der Favoriten der WestLB ist Geneart. Den Lieferanten für die Life-Sciences-Industrie sehen die Analysten als deutlich unterbewertet an, die Wachstumschancen seien nicht im Kurs wiedergegeben. Sie sagen Geneart bis 2010 eine Gewinnverdoppelung voraus.Branchenfonds sind meist vor allem in Nordamerika investiert. Anbieter ist unter anderem Pictet, die für ihre Branchenfonds mehrfach ausgezeichnet wurden, darunter auch der Pictet F Biotech I. Der Biotech P Cap konzentriert sich auf mittelgroße Unternehmen, deren Produkte kurz vor der Marktzulassung stehen. Auch andere Regionen haben die Fondsmanager des Espa Stock Biotech von der österreichischen Erste-Sparinvest im Blick. Zwar liegt der Anlageschwerpunkt auch hier auf Nordamerika, aber es gibt auch einen recht großen Anteil an koreanischen und australischen Firmen im Portfolio. Der Nordea-1 Biotech Fund B investiert in Aktien, Wandelschuldverschreibungen und kurzfristig in Optionsscheine von Biotech-Unternehmen. Größter investierter Wert sind derzeit die amerikanische Genzyme. Die drei Fonds wurden von der Ratingagentur Morningstar mit vier bzw. fünf Sternen bewertet. Auch die Anbieter strukturierter Produkte haben die Biotech-Branche (wieder)entdeckt. So bietet etwa ABN Amro mehrere Knock-out-Endlos-Zertifikate an, die vor allem in jüngster Zeit einen deutlichen Wertzuwachs erzielen konnten. Ebenfalls eine Aufwärtsentwicklung zeigte das Biotech-Zertifikat der Société Générale, das an die Entwicklung von acht amerikanischen und vier europäischen Werten gekoppelt ist. Das Dynamic-Biotec-Zertifikat von Merrill Lynch basiert auf einem Index, der die Performance der 20 Biotech-Werte aus Europa und Nordamerika mit der höchsten Marktkapitalisierung und Liquidität abbildet.