Recht und Kapitalmarkt

Bondemissionen rechnen sich für den Mittelstand

Anschlussfinanzierungen für auslaufende Mezzanine-Programme gesucht - Verbesserter gesetzlicher Rahmen

Bondemissionen rechnen sich für den Mittelstand

Von Michael Schlitt und Susanne Schäfer *)Die Finanzkrise hat die Bereitschaft der Banken, Kredite zu vergeben, stark eingeschränkt. Daher sind viele mittelständische Unternehmen zunehmend auf andere Finanzierungsinstrumente angewiesen. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Vorteile und Voraussetzungen von Bondemissionen und die Folgen, die eine Anleiheemission insbesondere für mittelständische Unternehmen hat.Im Mittelstand zeichnet sich ein erhöhter Bedarf an Fremdkapital ab. Denn viele der in den vergangenen Jahren – neben dem klassischen Bankkredit – bevorzugt von Mittelständlern genutzten Mezzanine-Programme, bei denen typischerweise nachrangiges Kapital gebündelt und nach Verbriefung von Banken am Kapitalmarkt platziert wurde, werden in absehbarer Zeit zur Rückzahlung fällig. Da der Verbriefungsmarkt in der Finanzkrise schwer gelitten hat, dürfte eine Ersetzung durch neue Mezzanine-Programme sehr häufig nicht möglich sein. Als Anschlussfinanzierung bietet sich angesichts der Kreditknappheit daher die Emission einer Anleihe an.Anders als beim Börsengang, bei dem sich der Einfluss der bisherigen Unternehmenseigentümer verringert, ermöglicht eine Anleihe dem Unternehmen den unmittelbaren Zugang zum Kapitalmarkt, ohne dass dies zu einer Änderung der Gesellschafterstruktur führt. Auch sind die Voraussetzungen und damit der Aufwand für das finanzsuchende Unternehmen deutlich geringer als bei einem IPO, so dass die Anleihe häufig eine attraktive Lösung für die anstehenden Finanzprobleme sein kann.Im Gegensatz zu einem IPO ist bei einer Anleiheemission weder eine bestimmte Rechtsform noch eine Mindestkapitalausstattung des Emittenten gesetzlich vorgeschrieben. Auch als GmbH organisierten Mittelständlern und kleineren Aktiengesellschaften steht damit der Zugang zum Anleihemarkt offen. Anders als bei der Aufnahme von Krediten ist in der Regel keine Sicherheitenbestellung erforderlich, so dass Vermögenswerte des Unternehmens weiterhin unbelastet zur Verfügung stehen. Zwar fallen auch bei einer Anleiheemission Kosten für die Platzierung, die rechtliche Begleitung und Vorbereitung der Emission an, die die Kosten der rechtlichen Begleitung und Vorbereitung einer Kreditaufnahme mitunter übersteigen können. Auch bei einem Finanzierungsvolumen von unter 100 Mill. Euro kann sich eine Bondemission jedoch bereits rechnen.Für Zwecke der Platzierung wird üblicherweise eine Emissionsbank beauftragt, die über Kontakte zu potentiellen Investoren verfügt. Soweit das Unternehmen ausnahmsweise selbst über Kontakte zu Anlegern verfügt, könnte es die Anleihe theoretisch auch direkt privat platzieren. Dabei ist jedoch die gesetzliche Grenze für eine Privatplatzierung im Auge zu behalten, die derzeit bei weniger als 100 Personen im jeweiligen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums liegt, voraussichtlich aber bald auf maximal 149 Personen angehoben wird. Zusätzlich zu dieser Maximalzahl können unbegrenzt sogenannte qualifizierte Anleger, also vor allem institutionelle Investoren, angesprochen werden, zu denen aber häufig ein Kontakt nur über eine Emissionsbank zustande kommen wird.Die Beauftragung einer Emissionsbank hat zudem den Vorteil, dass diese die Interessen der Anleger kennt und den Emittenten daher bei der wirtschaftlichen Ausgestaltung der Anleihe beraten kann, um eine erfolgreiche Platzierung in Höhe des gewünschten Finanzierungsvolumens herbeizuführen. So kommt eine Vielzahl an Anleiheformen in Betracht, die jeweils unterschiedliche Anlegerkreise ansprechen und je nach Zuschnitt und Finanzbedarf des Unternehmens ausgestaltet werden können. Hierzu zählen neben klassischen Anleihen (Straight Bonds) etwa Hybridanleihen und Wandelschuldverschreibungen. FlexibilitätIn der Vergangenheit war es ein Nachteil von Anleihen gegenüber Krediten, dass ihre Finanzierungskonditionen zu einem späteren Zeitpunkt kaum noch zu ändern waren. Verschlechtert sich die finanzielle Situation des Unternehmens, kann es bei einem traditionellen Kredit Verhandlungen mit den Kreditgebern aufnehmen, um eine Anpassung zu erwirken. Ähnlich wie bei einem sehr weitläufig syndizierten Kredit, gestaltet sich dies bei einer Anleihe angesichts der Vielzahl der Anleihegläubiger, die unter Umständen dem Unternehmen nicht bekannt sind, schwieriger.Der Gesetzgeber hat im Jahr 2009 mit dem Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) Abhilfe geschaffen. Dieses eröffnet jetzt die Möglichkeit, flexibler auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. So kann bereits in den Anleihebedingungen ein gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger benannt werden, der dem Unternehmen als Ansprechpartner zur Verfügung steht.Sollten Änderungen der Konditionen oder andere inhaltliche Änderungen (z.B. Zinssatzreduzierung, Debt-Equity-Swap) erforderlich werden, kann ein Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger hierzu nach dem gesetzlich vorgesehenen Verfahren innerhalb relativ kurzer Zeit eingeholt werden.Da die kapitalgebenden Investoren regelmäßig ein Interesse an der Liquidität ihrer Anlage haben, empfiehlt es sich häufig, entweder die Einbeziehung der Anleihe in den Freiverkehr oder ihre Zulassung zum Handel an einem regulierten Markt zu beantragen. Eine Einbeziehung in den Freiverkehr, z.B. den Open Market an der Frankfurter Wertpapierbörse, hat den Vorteil hat, dass der Aufwand dafür sehr gering ist: es ist kein Wertpapierprospekt zu veröffentlichen, sondern lediglich ein ausgefülltes Formular und wenige Dokumente über die Gesellschaft (z. B. die Satzung) einzureichen.Zudem gibt es spezielle Segmente, wie das Handelssegment Bondm, mit dem die Börse Stuttgart die direkte Platzierung von Mittelstandsanleihen im Volumen von ca. 50 bis 100 Mill. Euro fördern will. Demgegenüber muss für Zwecke der Zulassung an einem regulierten Markt ein Wertpapierprospekt nach den Vorschriften des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) erstellt werden. Zudem macht die Zulassung an einem regulierten Markt für konzernabschlusspflichtige Unternehmen eine Umstellung auf IFRS zwingend und lässt verschiedene Befreiungsmöglichkeiten bei der Aufstellung des Jahresabschlusses entfallen.Nichtsdestotrotz kann insbesondere für größere Mittelständler eine Zulassung am regulierten Markt ein attraktiver Weg sein, da eine Notierung am regulierten Markt typischerweise das Unternehmen deutlich mehr in den Fokus rückt als eine Anleihenotierung im Freiverkehr. Außerdem ist ein Prospekt nach den Vorschriften des WpPG bei der Ansprache eines breiten Publikums ohnehin erforderlich und etwa auch für Zwecke der Direktansprache von Anlegern nach Einbeziehung der Anleihe in das Bondm-Segment der Börse Stuttgart zu erstellen. Erwägt das Unternehmen ohnehin mittelfristig einen Börsengang, so erscheint eine Zulassung der Anleihe am regulierten Markt deutlich von Vorteil, da beim späteren Börsengang auf die Vorarbeiten der Anleihe, insbesondere den Wertpapierprospekt, zurückgegriffen werden kann. Dies wird in aller Regel ein späteres Initial Public Offering erleichtern. FolgepflichtenWird die Anleihe am Freiverkehr notiert, ist das Unternehmen lediglich sehr eingeschränkt zur Einhaltung von Transparenzvorgaben verpflichtet, die sich aus dem Regelwerk der jeweiligen Börse ergeben. Aber auch die aus einer Zulassung der Anleihe am regulierten Markt resultierenden Folgepflichten sind überschaubar. Zwar gilt die Ad-hoc-Pflicht auch für Emittenten, deren Anleihe am regulierten Markt zugelassen ist.Zudem hat der Emittent für die Laufzeit der Anleihe eine Zahlstelle im Inland zu benennen. Anders als nach der Zulassung von Aktien zum regulierten Markt besteht jedoch keine Pflicht der Führungspersonen, sogenannte Directors’ Dealings zu melden. Mangels Gesellschafterstellung der Anleihegläubiger entsteht mit der Zulassung auch keine Pflicht zur Abgabe von Stimmrechtsmitteilungen durch die Gesellschafter. Der Transparenzgrad fällt damit deutlich geringer als nach einem Börsengang aus.—-*) Prof. Dr. Michael Schlitt und Dr. Susanne Schäfer sind Rechtsanwälte und Partner der internationalen Anwaltsgesellschaft Willkie Farr & Gallagher, Schlitt ist Honorarprofessor an der Universität zu Köln.