Recht und Kapitalmarkt

Boni in der Krise

Schwierige Anpassung oder Streichung führt zu Änderungen der Vergütungssysteme - Rechtsentwicklung noch in den Kinderschuhen

Boni in der Krise

Von Paul Melot de Beauregard *) Während das Festgehalt vieler Manager wenig Aufmerksamkeit erfährt, schaut die Öffentlichkeit in der Wirtschaftskrise auf die variablen Bestandteile der Vergütung – nicht immer richtig, aber dafür kurz und prägnant als “Bonus” bezeichnet. Hier verknüpfen sich in der öffentlichen Wahrnehmung die Begriffe Leistung und Bezahlung. Die Leistung wiederum soll aus dem Ergebnis abgeleitet werden, und Ergebnisse sind derzeit im freien Fall. Ergo, so der unbefangene Betrachter, darf es einen Bonus gar nicht geben.Die Diskussion erhält eine zusätzliche Schärfe durch die horrenden Summen, welche oftmals im Zusammenhang mit Boni genannt werden. Dabei wird verkannt, dass sechs- oder gar siebenstellige Beträge die absolute Ausnahme bilden. Das Gros der Boni liegt im vier- bis fünfstelligen Bereich und stellt nur einen vergleichsweise kleinen Anteil am Gesamteinkommen dar. Dies kann freilich nicht als Argument für Boni dienen. Wenn die Leistung nicht stimmt, ist jeder Cent zu viel. Nicht so volatilVerfolgt man die teilweise leidenschaftlich geführte Diskussion, so sieht die juristische Realität doch anders aus. Dabei muss das Thema in mehreren Schritten abgeschichtet werden, um ihm gerecht werden zu können. Zunächst ist genau zu betrachten, wie variabel ein konkreter Vergütungsbestandteil überhaupt ist. Denn viele als Bonus bezeichnete Leistungen sind ihrem Inhalt nach gar nicht so volatil. Vielmehr handelt es sich um fest garantierte Prämien, Zulagen, Beiträge zur Altersversorgung oder einfach das Weihnachtsgeld. Der Begriff Bonus ist nicht geschützt. Ein Zusammenhang zwischen Zahlung und Leistung muss nicht bestehen. Entsprechend kann das Unternehmen noch so schlecht dastehen; das vertraglich garantierte Gehalt ist zu zahlen.Handelt es sich dagegen tatsächlich um einen Leistungs- oder Erfolgsbonus, der also nur bei guter Leistung des Mitarbeiters bzw. gutem Ertrag des Unternehmens gewährt wird, ist er im Idealfall so definiert, dass aufgrund nicht erreichter Vorgaben eine Zahlung ausscheidet. Die Diskussion um die Höhe des Bonus kommt dann bei schlechter Wirtschaftslage gar nicht auf. Stimmen Leistung und Erträge nicht, wird auch kein Bonus gezahlt. Will der Arbeitnehmer die Zahlung dennoch erhalten, muss er deren Voraussetzungen nachweisen. Zweifel bei der Definition der Voraussetzungen und ihrer vertraglichen Formulierung gehen allerdings zulasten des Arbeitgebers. Dies folgt daraus, dass es sich bei den Bonusvereinbarungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt, die bei Unklarheiten gegen denjenigen ausgelegt werden, der sie gestellt hat. Dies ist in der Praxis fast immer der Arbeitgeber. Bei der Formulierung von Bonuszielen insbesondere im Zusammenhang mit den viel beschworenen Soft Skills, also dem Bezug auf Kriterien wie Teamfähigkeit, Kommunikationsfreude, Leistungswille etc., ist daher unbedingt auf eine präzise und eindeutige Formulierung zu achten.Vergleichbares gilt, wenn die Bonus-Ziele nicht vereinbart werden bzw. eine vertraglich vorgesehene Vereinbarung nicht zustande kommt. Hier unterstellt die Rechtsprechung meist hypothetisch eine volle Erfüllung durch den Arbeitnehmer. Es sei denn, bestimmte Umstände legen dessen Mitschuld am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung nahe (Bundesarbeitsgericht vom 12.12.2007). Ein Unternehmen wird sich schwertun, dies zu beweisen. Häufig sind Bonusvereinbarungen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt. Dadurch will sich ein Unternehmen unabhängig vom Erreichen der Ziele vorbehalten, die Zahlung des Bonus einstellen zu können. Solche Formulierungen wiegen viele Arbeitgeber in trügerischer Sicherheit. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann ein Bonus nämlich dann nicht vorenthalten werden, wenn er durch zurückliegende Leistung bereits erworben wurde, insbesondere wenn seine Kriterien erfüllt wurden. Insoweit geht ein Freiwilligkeitsvorbehalt ins Leere (BAG vom 24.10.2007). Ähnliches gilt für Vorbehalte, in denen sich ein Unternehmen den Widerruf einer Bonuszusage vorbehält. Die Gerichte erkennen die Wirksamkeit solcher Vorbehalte nur an, wenn die Widerrufsgründe detailliert aufgeführt wurden und dem Arbeitnehmer so klargemacht wurde, unter welchen Gesichtspunkten und Rahmenbedingungen eine Bonuszusage widerrufen werden kann (BAG vom 11.10.2006). Diesen Ansprüchen genügen in der Praxis die wenigsten Klauseln. Ganz verloren ist, wer besonders sichergehen will. So gibt es Arbeitsverträge, die das Gürtel-und-Hosenträger-Prinzip anwenden und Freiwilligkeits- mit Widerrufsvorbehalt vereinen: Eine fatale Kombination, die nach BAG-Ansicht zur Unwirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts und zur Aufrechterhaltung der hohen Ansprüche an den Widerrufsvorbehalt führt (BAG vom 30.07.2008). Letztere werden in einer solchen Kombiklausel kaum erfüllt sein, ist ihr Verwender doch von der Freiwilligkeit der Leistung überzeugt. Die ÄnderungskündigungKommt man zum Ergebnis, dass eine Leistung vertraglich garantiert ist und weder aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts vorenthalten noch widerrufen werden kann, so bleibt für eine Veränderung der Rechtslage nur noch die mit hohen Hürden versehene Änderungskündigung.Verzweifelte Arbeitgeber versuchen zuletzt einen moralischen Bezug zwischen den sinkenden Erträgen ihres Unternehmens und den Bonusbezügen ihrer Manager herzustellen. Juristisch hat sich hierfür der Begriff der “Störung der Geschäftsgrundlage” eingebürgert, der seit nicht allzu langer Zeit auch Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch gefunden hat. Dort heißt es in § 313: “Haben sich Umstände schwerwiegend geändert, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.” Es liegt auf der Hand, dass sich Gerichte einer Diskussion, ab wann ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist, kaum aussetzen. Wer sollte auch von ihnen verlangen dürfen, dieses alles andere als juristische Problem einer rechtssicheren Lösung zuzuführen? Entsprechend kommt der Grundsatz der Störung der Geschäftsgrundlage im Arbeitsrecht praktisch nicht zur Anwendung.Bleibt also nur die mit hohen Hürden versehene Änderungskündigung. Hier könnte es jedoch einen Silberstreif am Horizont geben. So wird derzeit das Instrument der Druckänderungskündigung diskutiert (vgl. BZ vom 22.10.2008). Danach soll eine Kündigung des Anstellungsvertrags zur Reduzierung des Entgelts möglich sein, wenn von außen Druck auf das Unternehmen etwa durch das Vorenthalten von Unterstützungsgeldern oder Bürgschaften bei Zahlung eines Bonus ausgeübt wird. Schwere wirtschaftliche Schäden des Unternehmens müssen zu befürchten sein. Zwar lässt die Rechtsprechung Druckkündigungen grundsätzlich zu. Diese können bei schuldlosem Verhalten des Arbeitnehmers jedoch für diesen zu einem Schadenersatzanspruch führen, was einer Bonuszahlung durch die Hintertür gleichkommen könnte. Aufgrund der Tatsache, dass Boni auch in der Krise kaum antastbar sind, wird sich aller Voraussicht nach eine Krise der Boni entwickeln. Denn wenn Unternehmen erst einmal schmerzhaft mit der vergleichsweise schwierigen Anpassung oder gar Streichung von Boni Erfahrungen gemacht haben, werden sie sich in Zukunft zweimal überlegen, wie sie ihr Vergütungssystem ausrichten. Eine zweite Frage ist, wie weit hier Gerichte etwa durch erleichterte Anforderungen an den finanziellen Druck auf ein Unternehmen eine Änderungskündigung zur Gehaltsreduzierung akzeptieren werden. Hier steckt die Rechtsentwicklung noch in den Kinderschuhen. Allerdings scheint eine Entwicklung hin zu einer erleichterten Änderungskündigung nicht völlig ausgeschlossen. —– *) Dr. Paul Melot de Beauregard ist Anwalt bei McDermott Will & Emery.