RECHT UND KAPITALMARKT

Bonusobergrenze ungeeignet für Finanzstabilität

Mangelnde Zuständigkeit in Brüssel - Weg zum Europäischen Gerichtshof möglich - Erhöhung fester Vergütungsbestandteile

Bonusobergrenze ungeeignet für Finanzstabilität

Von Hans-Joachim Liebers *)Im Zuge der Aufarbeitung der Wirtschafts- und Finanzkrise hat der europäische und nationale Gesetzgeber zum wiederholten Male die Vergütung im Finanzsektor ins Visier genommen. Im Fokus stehen insbesondere Bonuszahlungen der Banken.In einem ersten Schritt verpflichtete der europäische Gesetzgeber mit der sogenannten Capital Requirements Directive III (CRD III) die betroffenen Banken, dafür Sorge zu tragen, dass feste und variable Vergütungsbestandteile ihrer Mitarbeiter in einem angemessen Verhältnis zueinander stehen. Gemäß der Richtlinie soll die Festvergütung dabei so bemessen werden, dass eine flexible Festlegung der variablen Vergütung bis zum Verzicht auf jegliche Bonuszahlung möglich ist. Der hiesige Gesetzgeber setzte die CRD-III-Richtlinie unter anderem mit der Institutsvergütungsverordnung ins deutsche Recht um. Für die Vorstandsvergütung waren in der Bundesrepublik bereits vorher das Angemessenheitsgesetz und der verschärfte Corporate-Governance-Kodex in Kraft getreten. Deutlich verschärftZwei Jahre später sollen diese Regelungen nochmals deutlich verschärft werden. Als Hebel dient das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung von Basel III (CRD IV). Der von der Europäischen Kommission im Juli 2011 erarbeitete Richtlinienentwurf zur Umsetzung von Basel III sah insofern keine Änderung der Rechtslage vor. Die betroffenen Banken sollten demnach weiterhin eigenverantwortlich ein angemessenes Verhältnis zwischen fester und variabler Vergütung festlegen. Der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments schlug dagegen im Mai 2012 vor, dass Bonuszahlungen an die Festvergütung gekoppelt werden sollen und diese nicht überschreiten dürfen. Der entsprechende Vorschlag wurde im Ausschuss über alle politischen Lager hinweg mit nur einer Gegenstimme angenommen. Da für die Verabschiedung der geplanten Richtlinie zur Umsetzung von Basel III die Zustimmung des Parlaments zwingend notwendig ist, hatte dieses Votum erhebliches Gewicht. Widerstand im RatBei den nationalen Regierungen im Rat der Europäischen Union traf der Vorstoß des Parlaments auf Widerstand, sodass Vertreter von Parlament, Rat und Kommission bis Ende Februar 2013 über einen politischen Kompromiss verhandelten. Der durch die irische Ratspräsidentschaft vermittelte Kompromiss sieht vor, dass die Bonuszahlungen grundsätzlich auf die Höhe des Festgehalts begrenzt sind. Abweichend davon soll mit Zustimmung der Hauptversammlung höchstens eine Verdopplung der Bonuszahlung möglich sein. Des Weiteren sollen Sonderregelungen für Aktien und Optionen gelten, deren Veräußerung oder Ausübung über fünf Jahre gestreckt wird. Der Kompromiss bedarf im Zuge des laufenden Gesetzgebungsverfahrens noch der Zustimmung des Parlaments und des Rates.Gegen die vorgesehene Begrenzung der variablen Vergütung durch Kopplung an die feste Vergütung bestehen tiefgreifende Bedenken. Zweifelhaft ist bereits die Kompetenz der Europäischen Union für eine derartige Regelung, da für das Arbeits- und Sozialrecht im weitesten Sinne im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union deren Kompetenz für das Arbeitsentgelt explizit ausgeschlossen ist und die Europäische Union über keine Allzuständigkeit verfügt.Neben der fehlenden Gesetzgebungskompetenz ist auch die Verhältnismäßigkeit der Bonusgrenze fraglich. Ausweislich der Begründung des Vorschlags des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Parlaments soll eine Begrenzung der variablen Vergütung auf den Betrag der festen Vergütung dazu dienen, eine übermäßig hohe Risikobereitschaft der Mitarbeiter der betroffenen Banken zu vermeiden. Ob dieser Zweck durch die Kopplung erreicht werden kann, ist zweifelhaft. Die vorgeschlagene Regelung dürfte schlicht zu einer Erhöhung der festen Vergütungsbestandteile führen, sei es zum Erhalt des bisherigen Bonusrahmens oder durch Umwandlung von bisher variablen Vergütungsbestandteilen in Festvergütung.Vor allem im ersten Fall wird die angestrebte Verminderung der Risikobereitschaft der Mitarbeiter nicht erreicht werden. Aber auch im zweiten Fall, der Umwandlung von variabler Vergütung in feste, dürfte die Risikobereitschaft nicht gebremst werden, da bei einer Realisierung der eingegangenen Risiken sogar geringere Konsequenzen für die jeweilige Vergütung der verantwortlichen Mitarbeiter drohen.In der Diskussion über die Bonusobergrenze wird im Übrigen oft übersehen, dass Banken in Krisenzeiten durch die vorgeschlagene Begrenzung der Bonushöhe eine Möglichkeit verlieren, die Gesamtvergütung bestimmter Mitarbeitergruppen der Wirtschaftslage entsprechend kurzfristig signifikant zu senken. In Kombination mit der allgemein erwarteten Erhöhung der festen Vergütungsbestandteile steigert die Bonusobergrenze somit die Krisenanfälligkeit der betroffenen Banken sogar noch, statt sie zu senken. Die geplante Bonusobergrenze ist somit schlicht ungeeignet, die Stabilität des europäischen Finanzsystems zu erhöhen, und somit unverhältnismäßig. Eingriff in BerufsfreiheitDiskussionswürdig ist weiterhin auch die Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Bonusobergrenze mit der in der EU-Grundrechtecharta geschützten unternehmerischen Freiheit. Die Bonusobergrenze greift in die Vertragsfreiheit und die Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Banken und die Berufsfreiheit der Mitarbeiter ein. Aufgrund der fehlenden Eignung der Bonusobergrenze zur Stabilisierung des europäischen Finanzsystems dürfte eine überzeugende Rechtfertigung dieser Eingriffe in die unternehmerische Freiheit der Banken kaum gelingen.Da die geplante Bonusobergrenze in einer Richtlinie verankert werden soll, bedarf es auch nach ihrer Verabschiedung auf europäischer Ebene noch eines nationalen Umsetzungsakts. Um die besondere Dringlichkeit der Verabschiedung der Richtlinie zur Umsetzung von Basel III in den Verhandlungen mit dem Parlament und der Kommission zu demonstrieren, hat die Bundesregierung vorzeitig bereits im August 2012 einen Gesetzgebungsentwurf zur nationalen Umsetzung der strittigen Richtlinie beschlossen. Dieser Entwurf enthält bisher noch keinen Vorschlag für die Umsetzung der Bonusobergrenze. Verschärfung möglichAufgrund der Notwendigkeit der Umsetzung in nationales Recht ist es durchaus denkbar, dass der deutsche Gesetzgeber die europäischen Vorgaben übernimmt oder sogar noch einmal verschärft. Eine derartige Verschärfung könnte vor dem Bundesverfassungsgericht grundsätzlich angegriffen werden. Sofern sich der Gesetzgeber ausschließlich auf die Umsetzung der Richtlinie beschränkt, dürften Verfassungsbeschwerden gegen die Bonusobergrenze aufgrund der bisherigen zurückhaltenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Europarecht zwar schwierig, aber nicht aussichtslos sein. Die fehlende Zuständigkeit des europäischen Gesetzgebers könnte aber relevant werden. Der Rechtsweg zum Europäischen Gerichtshof dürfte jedenfalls auf Vorlage eines nationalen Gerichts eröffnet sein.Trotz der mangelnden europäischen Zuständigkeit und der fehlenden Eignung der angestrebten festen Bonusobergrenze zur Stabilisierung des europäischen Finanzsystems muss mit deren Einführung trotz des weiteren aktuellen Widerstands im Rat gerechnet werden, da die Bonusobergrenze wohl auch dazu dient, die Handlungsfähigkeit der Politik gegenüber dem Finanzsektor unter Beweis zu stellen und dem bankenkritischen Zeitgeist wählerwirksam zu entsprechen.—-*) Dr. Hans-Joachim Liebers ist Partner für Arbeitsrecht bei Hengeler Mueller.