ASSET MANAGEMENT

Böse Überraschungen im neuen Fondsgesetz

Seit 100 Tagen lebt die Branche mit dem Grundgesetz KAGB - Für Anbieter geschlossener Produkte unerwartete Schocks

Böse Überraschungen im neuen Fondsgesetz

Das neue Grundgesetz der Fondsbranche, das Kapitalanlagegesetzbuch, ist jetzt schon mehr als 100 Tage alt. Nachdem sich die Anbieter offener Investmentvermögen damit weitestgehend arrangiert haben, gab es böse Überraschungen für die Betreiber der geschlossenen Produkte. Für die unsichere Besteuerungsfrage scheint derweil die erhoffte Lösung in Sicht.Von Silke Stoltenberg, FrankfurtHumor ist, wenn man trotzdem lacht: Nach diesem Motto kursieren lustige Geschichten am Finanzplatz Frankfurt über die komplett neue Rechtsgrundlage für die Fondsbranche, das Kapitalanlagesetzbuch (KAGB). Der daraus resultierende Bürokratieaufwand ist enorm: Die Gesellschaften brauchen neue Zulassungen, die Produkte neue Dokumente. Daher wird derzeit geunkt, dass die Mitarbeiter mancher Gesellschaften sich neben den Lkw-Kolonnen voller Papierberge mit Ziel Finanzaufsicht hätten ablichten lassen. Und die BaFin-Mitarbeiter hätten keinen Platz mehr in ihren Zimmern wegen der irre großen Dokumentenstapel.1,2 Millionen Seiten müssen bis Mitte 2014 an die BaFin geschickt werden, hatte der Interessenverband der offenen Fonds, der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI), errechnet. “Die Mitarbeiter der BaFin sind verzweifelt über die vollen Eingangskörbe, und die Fondsgesellschaften suchen derzeit händeringend nach Personal, um die Anforderungen zu erfüllen, und wissen genau, dass sie diese Kosten nie mehr reinholen”, so Rechtsanwalt Sven Zeller von der Kanzlei Clifford Chance. Die Union Investment bezifferte allein ihren einmaligen Projektaufwand der KAGB-Umsetzung auf 9 Mill. Euro. Zeller hat derweil das KAGB scherzhaft für den “Darwin Award” für Juristen vorgeschlagen, da auch seine Zunft mit dem 355 Paragrafen schweren Wälzer enorm zu kämpfen hat.Neben Überlastungssignalen bei der BaFin wegen der Papierflut berichten Juristen auch über Verzweiflung der Aufseher wegen vieler unklarer Punkte in dem seit 22. Juli geltenden neuen Gesetzesregime. Rechtsanwälte wie Mario Leißner von der Kanzlei King & Spalding raten daher der Branche dringend, die Spielräume in der derzeit stattfindenden Rechtsauslegung bei der Aufsicht für sich zu nutzen. Fondsgesellschaften und Verbände befinden sich somit in zahllosen und langwierigen Diskussionen mit der BaFin über die Interpretation des KAGB. Ursprüngliche GarstigkeitenAuch wenn die Anbieter der offenen Investmentfonds unter dem hohen Aufwand durch das KAGB stöhnen – sie haben sich derweil mit ihrem neuen Grundgesetz arrangiert, wurden doch ursprünglich vom Gesetzgeber geplante Garstigkeiten wie das Verbot der Neuauflage von Immobilienfonds oder das faktische Ende der Spezialfonds von der Branche abgewendet.Ganz anders sieht es für die Gesellschaften mit geschlossenen Vehikeln aus. Sie kommen nun erstmals unter das Aufsichtsrecht, ebenso wie Private-Equity- oder Hedgefonds, was für sie mit extremen Anstrengungen verbunden ist. Hatte der Interessenverband der geschlossenen Fonds sich aber ursprünglich gefreut, durch das KAGB endlich vom grauen in den weißen Kapitalmarkt aufzusteigen, und das mit der Umbenennung von VGF in BSI (Bundesverband Sachwerte und Investmentvermögen) gefeiert, tauchten unerwartete, existenzbedrohende Probleme auf, die die Branche erschütterten.Der erste Schock kam nach einem handfesten Streit zwischen der Wertpapieraufsicht ESMA und der EU-Kommission über die konkrete Festlegung, was ein offener und was ein geschlossener Fonds ist. Das grundlegende Problem dabei war, dass der Deckel des KAGB-Buchs geschlossen worden war, bevor es Auslegungsanweisungen der ESMA zum EU-Regelwerk AIFM für alternative Fonds gab, deren Umsetzung aber der zentrale Bestandteil des KAGB ist. Plötzlich tauchte nach der Auseinandersetzung zwischen ESMA und EU-Kommission die Definition auf, dass nur diejenigen Produkte als geschlossen bezeichnet werden könnten, die überhaupt keine Rückgabe- oder Kündigungsmöglichkeiten vorsehen. Laut KAGB indes ist ein Produkt geschlossen, wenn es nicht mindestens einmal im Jahr die Rückgabe ermöglicht. Erleichterungen in GefahrDie deutschen Produkte aber räumen den Anlegern nach einigen Jahren eine Kündigungsmöglichkeit ein. Durch die Vorlage der ESMA, die Vorrang vor dem deutschen Gesetz hat, drohte den meisten geschlossenen Fonds hierzulande ein böses Erwachen als offener Fonds oder als verbotenes Investmentgeschäft, Denn ein Sachwertefonds wie etwa ein Schiffsfonds kann nicht so ohne Weiteres oder gar nicht in ein offenes Vehikel transferiert werden. Damit waren auch Erleichterungen im Vergleich zu den offenen Produkten, etwa beim Liquiditätsmanagement, in Gefahr.”Für uns war es extrem unglücklich, dass nach Inkrafttreten des KAGB plötzlich unsere grundsätzlichen Fondsstrukturen in Frage gestellt wurden”, sagt BSI-Hauptgeschäftsführer Eric Romba. Es seien danach nervenaufreibende Wochen mit vielen Gesprächen mit den Behörden ins Land gezogen. Immerhin scheint jetzt auf EU-Ebene eine Lösung in Sicht, womit die geschlossenen Fonds in Deutschland weiter ihren alten Status beibehalten können. Es sollen alle Fonds als geschlossen gelten, die erst nach fünf Jahren ein Rückgabe- oder Kündigungsrecht einräumen. Dies ist bei nahezu allen deutschen Produkten der Fall, lediglich minimale Vertragsänderungen werden in Einzelfällen nötig sein. “Wir sind bei diesem Thema jetzt entspannter und zuversichtlich, dass für uns alles beim Alten bleiben wird und die rechtliche Unsicherheit beseitigt ist.”Während die geschlossenen Fonds noch an dem ESMA-Schock zu knabbern hatten, kam von der BaFin noch ein weiterer Schlag in die Magengegend hinzu. Dabei gibt es um das Ausmaß der Verschuldung der Fonds. Hier hatte der BSI sich einst erfolgreich gegen das ursprüngliche Vorhaben des Gesetzgebers gewehrt, die Fremdkapitalquote auf 30 % des Fondsvermögens, analog zu den offenen Fonds, zu beschränken. Im Zuge der Diskussionen einigte sich die Branche dann mit den Vertretern der Politik auf 60 %, was dennoch für einige Produkte noch eine empfindliche Einschränkung bedeutet (siehe Grafik). Änderung im NennerDiese Zahl fand sich dann auch im veröffentlichten Gesetzestext wieder, jedoch nicht wie üblich als Anteil vom Bruttovermögen des Fonds, sondern vom Wert des Fondsanteils, was vermutlich ein redaktionelles Versehen war. Dies übersahen die Anbieter in ihrer Freude über das Hochschrauben der Quote aber lange, bis ein Vertreter der BaFin ihnen seine Sicht der Dinge unter die Nase rieb und darlegte, dass dies faktisch nur 37,5 % des Fondsvermögens darstelle. “Damit hätte es keinen Fonds mehr für Windkraftanlagen oder andere erneuerbare Energien geben können”, beschreibt Romba die Folgen dieser Änderung im Nenner. Aber auch hier nahm der BSI mit Erfolg den Kampf auf. “Das Thema ist geregelt, in der Rechtspraxis wird die BaFin als Basis den Bruttowert des Fonds nehmen, damit ist also eine Fremdkapitalquote von 60 % erlaubt”, kann Romba Vollzug melden. Nerven gekostetNerven kostete wiederum die gesamte Fondsbranche, dass das notwendige Steueranpassungsgesetz im Bundestag scheiterte. Derzeit gelten in diesen Punkten übergangsweise noch die Bedingungen des alten Investmentrechts. Das bedeutet aber zugleich, dass die Branche weiterhin nicht das erhoffte Pension Pooling für Konzerne anbieten kann, also die Bündelung der betrieblichen Altersvorsorgeansprüche aller Mitarbeiter weltweit in einem steuersparenden Vehikel. Hier wittert die Branche lukrative Geschäfte. Jüngst gab es nun einen neuen Vorstoß aus dem Bundesrat. Nunmehr ist geplant, das Gesetz noch bis Jahresende in der von der Fondsbranche gewünschten Fassung durchzupauken, berichten der BVI und Juristen übereinstimmend.