Investmentfonds - Interview mit Nikolaj Lippmann, Bankinvest

"Brasilien ist ganz klar die Nummer 1"

Portfoliomanager behält Konsumenten im Auge

"Brasilien ist ganz klar die Nummer 1"

Lateinamerika muss sich auf eine Zeitenwende einstellen, sagt Nikolaj Lippmann, Chief Portfolio Manager bei der Bankinvest Group. Es wird für die Konzerne schwerer, Gewinne zu erwirtschaften.- Die lateinamerikanischen Börsen haben sich in den vergangenen Monaten gut entwickelt. Ist das eine nachhaltige Entwicklung oder eher eine Korrektur nach den herben Verlusten von 2008?Noch im Frühjahr, als die Furcht vor einem Zusammenbruch des globalen Finanzsystems am größten war, befanden sich die lateinamerikanischen Börsen auf einem sehr niedrigen Niveau. Die Finanzmärkte vermuteten in China aufgrund der dortigen Cash-Reserven die größten Chancen. Viele Investoren zogen sich infolgedessen aus Lateinamerika zurück. Wir sehen jetzt, dass dieselben Investoren, die sich noch vor kurzem abwendeten, zurückkehren. Die vergangenen sechs Jahre waren von hohen Rohstoffpreisen und einem Überfluss an Geld gekennzeichnet. Das war natürlich ideal für eine Region wie Lateinamerika, da diese von der Rohstoffproduktion lebt und gleichzeitig viel zu hohe Schulden hat. Die Region muss sich nun auf eine Zeitenwende einstellen. Gewinne sind in Zukunft unter härteren Bedingungen zu erwirtschaften und hängen darüber hinaus viel mehr als bisher vom Fortschritt der Strukturreformen ab.- Welche Länder halten Sie für besonders interessant?Brasilien ist ganz klar die Nummer 1. Das Land ist sehr groß und hat seine Schulden enorm reduziert. Es gibt dort viele interessante Firmen, und das Zinsniveau ist noch hoch. Aber auch Kolumbien und Peru sind vielversprechend. Diese Länder und Märkte hängen weit weniger vom internationalen Finanzierungssystem ab als die großen. Darüber hinaus haben sie im vergangenen Jahrzehnt ihre Wirtschaftssysteme weiter gefestigt und im Falle Kolumbiens auch ihr gesetzliches Fundament gestärkt. Nicht mehr “Koks, Kidnapping und Kaffee”, sondern “Konsum, Kohle und Kaffee” stehen in Wirtschaftskreisen für das Kolumbien von heute. Auf der anderen Seite des Spektrums liegt Mexiko. Die Steuern sind dort nach wie vor zu niedrig, und die Abhängigkeit vom Öl ist hoch. Das Eigenkapital des nationalen Ölkonzerns Pemex liegt derzeit nahe null. Auf kurze Sicht ist mit einer Korrektur dieser Dinge nicht zu rechnen. Das Land hat zwar große und rentable Unternehmen, die makroökonomischen Vorgaben sehen jedoch schlecht aus.- Für welche Sektoren erwarten Sie eine überdurchschnittlich positive Entwicklung?Wir denken, dass man vor allem den lateinamerikanischen Konsumenten weiter im Auge behalten muss. Dieser profitierte ein ganzes Jahrzehnt durch die Verschiebung in der Gesellschaft zugunsten der Mittelklasse. Das Zinsniveau ist darüber hinaus niedrig, und die Banken sind noch freigebig genug. Das Thema Rohstoffe halten wir für weiterhin interessant, wenngleich wir nicht die hohen Wachstumsraten der Vergangenheit erwarten. Lateinamerika hat zweifelsohne außerordentliche Rohstoffreserven, große Öl- und Eisenerzvorkommen sowie Agrarrohstoffe in Brasilien und Kupfer in Chile und Peru.- Welche Vorteile bieten die lateinamerikanischen Länder den Investoren, etwa im Vergleich zu den asiatischen Staaten?Als Investor achten wir in erster Linie auf Cash. Die Unternehmensgewinne und Margen sind hoch. Dies gefällt uns sehr. Nicht zu vergessen die Rohstoffe, von denen ganz Asien abhängt und auch jetzt gute Preise dafür zahlt.- Lateinamerikanische Währungen wie etwa der brasilianische Real standen während der Krise sehr unter Druck. Besteht die Gefahr für europäische Investoren, dass Währungseffekte die Renditen drücken?In der Tat ist der brasilianische Real nicht gerade preiswert. Ein Beispiel aus dem aktuellen “Big Mac Index” der Wirtschaftszeitung “Economist”: Ein Big Mac ist in Brasilien 13 % teurer als in den USA und liegt somit fast auf dem Preisniveau der EU. In Mexiko ist er sogar 33 % billiger als in den USA. Das Währungsrisiko ist hier also geringer. Das Thema ist jedoch komplex, und es ist schwer, das richtige Timing zu finden. Dennoch gilt Brasilien in den meisten Bewertungen als recht teuer, Mexiko dagegen als billig.—-Die Fragen stellte Martin Hampel.