Immobilien

Briten haben keine Bange vor einer Krise bei Subprime Mortgages

Britischer Häusermarkt wirkt weniger anfällig als der amerikanische - Anteil von Krediten mit reiner Zinsbedienung wächst - Gefahr durch Konjunkturschwäche

Briten haben keine Bange vor einer Krise bei Subprime Mortgages

Von Norbert Hellmann, London Die Krise im amerikanischen Markt für Subprime Mortgages, also Hypothekenkredite an bonitätsschwache Kunden spezialisierter Kreditinstitute, lässt die Frage aufkommen, ob auch auf europäischen Märkten ein vergleichbares Risikopotenzial lauert. Zuletzt hat man sich auch auf Ebene des Internationalen Währungsfonds mit Ansteckungsrisiken oder der Wiederholung von Entwicklungen, wie man sie in den USA beobachten konnte, beschäftigt. Angstvolle Blicke werden vor allem auf den britischen Immobilienmarkt geworfen, den mit Abstand größten in Europa. Er war in der Vergangenheit für seine Boom-and-Bust-Phasen bekannt, außerdem findet man auf ihm ähnliche Finanzierungsstrukturen wie in den USA. Genugtuung ausgelöstAuf der Insel selber ist man mit der Subprime-Thematik bislang eher gelassen umgegangen. So haben der Niedergang des amerikanischen Subprime-Geschäfts und der Konkurs einiger amerikanischer Finanzierer weniger Bestürzung denn Genugtuung ausgelöst, und zwar darüber, dass der britische Hypothekenmarkt im Vergleich eine wesentlich solidere Angelegenheit ist. Auch sehe man bislang keine “Stresssymptome” im Markt, die sich in geänderten Kreditvergabepraktiken der Hypothekenbanken oder einem Rückzug von Investoren bei Hypothekenverbriefungen auf Basis von Subprime-Krediten manifestieren würden, heißt es in der Branche. Demgegenüber spricht die Ratingagentur Standard & Poor’s durchaus von Stresssignalen und verweist darauf, dass im britischen Subprime-Markt der Anteil der Kreditvergaben mit Zahlungsrückständen in den letzten zwei Jahren von 17 auf 23 % gestiegen ist, während sich die Zahl der Zwangsübereignungen verdreifacht hat. Angesichts tendenziell steigender Zinsen werde sich die Situation weiter verschärfen. Tatsache ist, dass die Finanzierung bonitätsschwacher Immobilienkäufer auch in Großbritannien kräftigen Zulauf erhalten hat. Der Markt wird auf ein Volumen von rund 15 Mrd. Pfund geschätzt. Rasantes WachstumBei allen Abgrenzungsschwierigkeiten, zum Beispiel dem Einrechnen sogenannter Buy-to-Let-Hypotheken, also der Finanzierung von Hauskäufen zu Vermietungszwecken, rechnet der Dachverband Council of Mortgage Lenders damit, dass der Anteil der Subprime-Kredite an den gesamten Hypothekenneuvergaben von rund 5 % zu Anfang 2005 auf etwa 10 % zu Anfang dieses Jahres geklettert ist, also ein rasantes Wachstum aufweist. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass eine steigende Anzahl von Erstkäufern Kredite aufnehmen, die auf eine reine Zinsbedienung ohne Tilgungsanteile ausgelegt sind. Dies mag unproblematisch sein, wenn die Hypothekennehmer andere Arrangements für eine spätere Kapitalrückzahlung treffen. Bei der britischen Finanzaufsicht Financial Services Authority (FSA) wird allerdings vermutet, dass diese Kreditform so populär geworden ist, weil Immobilienkäufer, die neu in den Mark eintreten, angesichts der hohen Immobilienpreise nicht genügend Spielraum für eine gleichzeitige Bedienung von Zins- und Tilgungslast haben. Gelassen bleiben die Finanzierer vor allem deshalb, weil auf der Insel und insbesondere im Großraum London mit weiter steigenden Häuserpreisen gerechnet wird. Damit können sich insbesondere Haushalte, die sich beim “Buy to Let” übernommen haben, im Zweifelsfall durch einen Ausstieg aus der Immobilie aus der Affäre ziehen, ohne dass es zur Zwangsverwertung kommen muss. Eine auf Subprime-Kredite ausgerichtete Adresse wie Kensington Group betont beispielsweise, dass obwohl 9 % des Kreditvolumens von Zahlungsrückständen in irgendeiner Form betroffen sind, die tatsächliche Abschreibungsrate nur bei 0,7 % liegt und damit nicht höher ausfällt als im herkömmlichen Hypothekengeschäft der britischen Großbanken. Ursachen der US-KriseUm die Risiken im britischen Markt zu erörtern, lohnt ein Blick auf Faktoren, die in den USA in die Krise führten. Dort war der rasche Anstieg von Zahlungsrückständen vor allem darauf zurückzuführen, dass die Hauskäufer variabel verzinste Kredite zu günstigen Einstiegssätzen zeichneten und nach Ablauf der Schonfrist bei gleichzeitig anziehenden Leitzinsen einer drastisch höheren Belastung gegenüberstanden. Gleichzeitig lagen die Subprime-Beleihungen oft bei 100 % und mehr des Gebäudewerts und das in einem sich tendenziell abkühlenden Markt. Sanfterer ZinsanstiegZwar sind auch in Großbritannien Lockangebote mit niedrigen Einstiegszinsen immer beliebter, doch ist das Zinsumfeld stabiler und die Gefahr einer radikalen Verteuerung der Kredite geringer. Die Bank von England hat die Zinsen in den letzten zwei Jahren im Vergleich zur amerikanischen Federal Reserve wesentlich moderater angehoben, dürfte in diesem Jahr allerdings nach den neuesten Inflationsentwicklung nochmals einen halben Prozentpunkt höher auf dann 5,75 % gehen. Obwohl britische Institute vereinzelt Beleihungen von 100 % des Gebäudewerts zulassen, fahren sie im Subprime-Geschäft meist eine konservativere Linie als die amerikanischen Häuser und konnten zumindest in der Vergangenheit darauf zählen, dass die Preisdynamik des Häusermarktes das Eigenkapital der Hausbesitzer wieder sukzessive anhebt. Andererseits verweisen Analysten darauf, dass die Relation von Hypothekenausreichungen zur Einkommensentwicklung in Großbritannien auf eine stärkere Lockerung der Kreditkonditionen als in den USA hinweist. Dies wiederum bedeutet, dass sich die Banken auf Kreditsteuerungsmodelle verlassen, für die es wenig Erfahrungswerte gibt. Grundsätzlich sehen Marktbeobachter zwar eine Häufung von Risikofaktoren, die allerdings erst dann zum Tragen kommen könnten, wenn es zu einer Veränderung der Wirtschaftsdynamik und im Zusammenhang damit zu empfindlichen Preiskorrekturen im Häusermarkt kommt. Konjunktur intaktObwohl es historisch gesehen eine relativ enge Korrelation der Häusermarktzyklen in den USA und in Großbritannien gibt, besteht derzeit kein Anlass zu der Vermutung, dass die britischen Privatpersonen über einen scharfen Zinsanstieg in eine Kreditklemme geraten, die sich anschließend auch auf dem Häusermarkt niederschlägt und eine Spirale auslöst. Angesichts stabiler Konjunkturaussichten und eines erwarteten Wirtschaftswachstums von 3 bis 3,5 % in den nächsten zwei Jahren wirkt eine wachsende Verschuldung der britischen Haushalte beherrschbar. Allerdings muss ein Durchschnittsbrite mit einer 75 %- Beleihung einer Immobilie zum Durchschnittspreis von derzeit knapp 200 000 Pfund heute damit rechnen, etwa 45 % seines Nettoeinkommens zur Bedienung der Hypothek aufzuwenden. Vor zehn Jahren lag die Rate nur bei etwa 22 %, in kritischeren Zeiten wie dem Immobilienboom der achtziger Jahre, dem anschließend ein Crash folgte, war dieses Verhältnis aber auf rund 60 % angestiegen. Risiken nehmen zuDie Aussicht auf eine mit den USA vergleichbare Immobilienkrise sei in den nächsten zwei Jahren äußerst gering, betont man beim britischen Thinktank Capital Economics. Aber die Risiken steigen dennoch, weil die Kreditvergabepraktiken den Markt im Falle konjunktureller Rückschläge anfälliger machen. Die eigentliche Gefahr ist weniger, dass die in den USA zu beobachtende Subprime-Problematik auf die Insel überschwappt, sondern eher, dass eine von den USA ausgehende Konjunkturschwäche auf die britische Wirtschaft übergreift. Dann nämlich gerieten zahlreiche Haushalte mit ihrer hohen Schuldenbelastung auf schiefes Terrain.