ASSET MANAGEMENT - SERIE: ANLAGESTRATEGIE IM UMBRUCH (10)

Bundesländer meiden Risikoquellen

Universität Potsdam erforscht Asset-Management-Strategien der Länder - Gelder sind "kaum vor Inflationsverlust geschützt"

Bundesländer meiden Risikoquellen

Die Bundesländer haben bei der Verwaltung ihrer Pensionsfondsgelder großen Nachholbedarf. Auf professionelle Asset Manager wird bislang von Ländern kaum oder gar nicht zurückgegriffen. Der Lehrstuhl von Detlev Hummel, Betriebswirtschafts-Professor an der Universität Potsdam, hat dieses bislang wenig untersuchte Gebiet unter die Lupe genommen.Von Angela Wefers, BerlinFolgt man den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Universität Potsdam, dann liegt bei der Verwaltung der Pensionsfondsgelder der Länder noch einiges im Argen. “Die Anlagepolitik der Bundesländer für doch relativ große Kapitalvermögen muss hinsichtlich der strategischen wie taktischen Asset Allocation sehr kritisch hinterfragt werden”, sagte Detlev Hummel der Börsen-Zeitung. Hummel ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebwirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt “Finanzierung und Banken” an der Universität Potsdam. Dort läuft ein Dissertationsprojekt, das sich der Anlagestrategie der Bundesländer widmet. Die meisten Länder geben keine Zahlen zu ihren Kapitalanlagen bekannt. Nick Dimler hat im Zuge der Dissertation die 16 Bundesländer detailliert befragt.Danach summierten sich die Pensionsrücklagen aller Bundesländer – nach neuesten verfügbaren Zahlen von Ende 2010 – auf 15,4 Mrd. Euro. 8,5 Mrd. Euro davon oder 55 % entfielen auf die bundesgesetzlich vorgeschriebene Versorgungsrücklage, 6,9 Mrd. Euro auf die freiwilligen Pensionsfonds der Bundesländer. Dem standen aber allein im Jahr 2009 rund 20,7 Mrd. Euro an Versorgungsausgaben gegenüber – mit steigender Tendenz. Faktisch müssen die Länder jährlich bis zu einem Viertel ihrer Steuereinnahmen für die Versorgung ehemaliger Landesbeamter aufwenden.Gemessen am Gesamtvermögen aus bundesgesetzlicher und freiwilliger Rücklage steht an der Spitze das bevölkerungsreiche Nordrhein-Westfalen mit rund 3,7 Mrd. Euro, gefolgt von Rheinland-Pfalz mit 2,7 Mrd. Euro und Sachsen mit 2,2 Mrd. Euro. Heruntergebrochen auf einzelne Personen hat das Land Sachsen am besten für seine Beamten vorgesorgt. Dort lag die Ausstattung pro Beamten bei 77 772 Euro. Niedersachsen weist mit nur 3 906 Euro pro Beamten die schlechteste Ausstattung auf. Dort waren sogar aus dem Fonds wieder Mittel entnommen worden. Anlagepraxis verbessern”Wir haben neue Anlagestrategien aus Sicht der Portfoliotheorie geprüft und moderne Kapitalmarktprodukte für Institutionelle verglichen”, erläutert Hummel mit Blick auf die Bundesländer. Mit der Dissertation werden Ende 2012 auch Handlungsempfehlungen erscheinen (Schriftenreihe des Lehrstuhls im Brauner Verlag). Hummel will zudem einen Erfahrungsaustausch der Länder ermöglichen, um die Anlagepraxis der öffentlichen Versorger zu verbessern.Denn gemessen an den schwebenden Versorgungslasten sei das bislang nur geringe angesammelte Kapital “nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein”, so Hummel. Doch auch schon in der Bestandsaufnahme zeigen sich eine Reihe der Schwächen im Management der Pensionsgelder.Sehr unterschiedlich ist in den einzelnen Länder organisiert, wie Entscheidungen über Anlagen fallen. Die Hälfte der Länder hat für den bundesgesetzlichen Fonds, aber auch für die freiwillige Rücklage keinen Anlagenausschuss. Dort, wo es ein solches Gremium gibt, tagt diese nur ein- bis zweimal im Jahr. Nur ein Land hat dafür einen Monatsrhythmus verankert. Hummel bezweifelte indessen selbst dort, wo es ein solches Beratungsgremium gibt, dessen Durchschlagskraft. Wegen der starken Anlagerestriktionen, aber auch politischer Kontroversen und Unschlüssigkeit dürfte die Wirkung “sehr begrenzt” sein, stellte Hummel fest. Aus MisstrauenGetätigt werden die Anlagegeschäfte vielfach über die Bundesbank oder Fachreferate in den zuständigen Ministerien der Länder. Fünf Bundesländer legen für den bundesgesetzlichen Fonds ausschließlich in eigenen Anleihen bzw. eigenen Schuldverschreibungen an. Dienstleistungen aus der Finanzbranche nutzt der Umfrage zufolge bislang nur ein Bundesland. “Um Verwaltungskosten zu sparen, aber auch aus Misstrauen gegenüber Investmentbanken wurden bisher in keinem Bundesland professionelle Asset Manager beauftragt”, erläutert Hummel. Dem widerspreche, dass die Länder teilweise anspruchsvolle Renditeziele formulierten. Bei der Geldanlage dominiert laut Umfrage das Ziel, dass die Rendite höher sein müsse als die Zinskosten für die Kreditfinanzierung des Landes über den Kapitalmarkt. Eine absolute Zielrendite ist nur vereinzelt anvisiert. Nur ein Asset Manager nannte eine Benchmark als Orientierung für die Rendite. Häufige Antworten waren zudem Sicherheit bzw. Kapitalerhalt und Mündelsicherheit. Fünf Länder verfolgen eine Zielduration.Bei der Wahl der Anlageinstrumente beherrschen Anleihen mit einem Anteil von um die 95 % die Portfolien. In Aktien stecken nur rund 2 % der Mittel. Nach der Umfrage zeigt sich, dass größere Vermögen vor allem in Anleihen investiert sind, während Länder mit kleineren Sondervermögen offensichtlich risikofreudiger sind und stärker auf Aktien setzten.Vier Bundesländer setzen ETF (Exchange Traded Funds) ein, für zehn Bundesländer spielt dieses Instrument keine Rolle. Derivate nutzen zwei Bundesländer moderat. Einige Bundesländer schließen diese in ihren Anlagerichtlinien explizit aus. Spezialfonds und die Master-KAG hat nur ein Bundesland für sich entdeckt. Zertifikate und Publikumsfonds werden ebenfalls nur in einem einzigen Bundesland genutzt.Nach den Anlagerichtlinien ist der Kauf eigener Anleihen nur in zwei Ländern ausdrücklich nicht erlaubt. In zwei Bundesländern ist der Kauf landeseigener Anleihen das einzig zulässige Investment. Aktieninvestments und der Kauf von Unternehmensanleihen sind nur in wenigen Bundesländern erlaubt. In allen Ländern grundsätzlich ausgeschlossen sind High-Yield-Anleihen, Immobilien, Rohstoffe und alternative Investments, besonders Hedgefonds und Private Equity. Diversifikation fehltHummel beklagte die mangelnde Möglichkeit, wegen der strikten Anlagerichtlinien die Investments mit Derivaten absichern oder überhaupt die Portfolios ausreichend diversifizieren zu können. “Damit können die angesammelten Kapitalrücklagen abzüglich der Finanzierungskosten der Bundesländer längerfristig kaum vor Inflationsverlust geschützt werden”, stellt er fest. Dies gelte besonders, wenn die jüngste Zinssituation am Markt für erstklassige Staatsanleihen ins Kalkül gezogen werde. Ein Umdenken in der Anlagestrategie der öffentlichen Versorger habe gerade erst begonnen. Immerhin würden indexorientierte Strategien, Absolut-Return-Strategien, internationale Diversifikation und auch nachhaltige Investments in Erwägung gezogen. Allerdings dominierten noch die Käufe mündelsicherer Anleihen sowie Buy-and-Hold-Ansätze. “Risikoquellen werden von den meisten Bundesländern weitestgehend gemieden”, resümierte Hummel. —-Zuletzt erschienen:- “BNP setzt auf Diversifizierung” (21.8.)