RECHT UND KAPITALMARKT

Bundesregierung ebnet Weg für Europäische Staatsanwaltschaft

Kabinettsentwurf sieht Änderungen der Strafprozessordnung vor - Kritik bleibt

Bundesregierung ebnet Weg für Europäische Staatsanwaltschaft

Von David Pasewaldt und Pedram Karami *)Die Bundesregierung hat am 22.1.2020 einen Gesetzentwurf zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) beschlossen. Der Entwurf dient zur Umsetzung eines Beschlusses, mit dem sich die Justizminister von 22 EU-Mitgliedstaaten – neben Deutschland die Länder Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Zypern – auf die Schaffung einer ersten, unabhängigen und dezentralen Strafverfolgungsbehörde der Europäischen Union geeinigt haben.Die Europäische Staatsanwaltschaft mit etwa 115 Mitarbeitern wird ihren Sitz in Luxemburg haben und soll ihre Arbeit noch im Jahr 2020 aufnehmen. Die Behörde leiten wird die erste europäische Generalstaatsanwältin der Europäischen Staatsanwaltschaft, die Rumänin Laura Kövesi, die zuvor der rumänischen obersten Korruptionsbekämpfungsbehörde vorstand.Aufgabe der Europäischen Staatsanwaltschaft wird die Bekämpfung grenzüberschreitender Wirtschaftskriminalität zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union sein. In ihre Zuständigkeit fällt demnach die Verfolgung von Straftaten wie Betrug, Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung, durch die den EU-Mitgliedstaaten jährlich Schäden in Milliardenhöhe entstehen. Ein weiterer Schwerpunkt soll die Zurückgewinnung der von den Tätern erlangten kriminellen Gewinne sein.Zur Erfüllung dieser Aufgaben wird die Europäische Staatsanwaltschaft als zentrale EU-Behörde Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen in den teilnehmenden EU-Ländern unabhängig koordinieren. Darüber hinaus wird sie dezentral über sogenannte Europäische Delegierte Staatsanwälte in den teilnehmenden Mitgliedstaaten Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen durchführen sowie Anklagen erheben. Dabei handelt die Europäische Staatsanwaltschaft jeweils frei von Weisungen europäischer oder nationaler Behörden.Bereits bestehende EU-Behörden wie das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf), die Europäische Stelle für justizielle Zusammenarbeit (Eurojust) und das Europäische Polizeiamt (Europol) sind zur Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungen nicht befugt. Die Europäische Staatsanwaltschaft wird diese Lücke nun schließen und sich bei ihrer Arbeit mit diesen Behörden koordinieren. Auf Mitwirkung angewiesenDer Rat der Europäischen Union hatte bereits im Jahr 2017 eine Verordnung (2017/1939) zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft erlassen (sog. EUStA-Verordnung). Eine entsprechende Rechtsgrundlage enthält Artikel 86 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Mit dem nun vorgestellten Gesetzentwurf sollen die für den Einsatz der Europäischen Staatsanwaltschaft im nationalen Recht erforderlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Konkret werden nach dem Entwurf im Wesentlichen Regelungen zur Zuständigkeit und zu Ermittlungsverfahren in der Strafprozessordnung (StPO) und im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) auf die EUStA und die Europäischen Delegierten Staatsanwälte übertragen, um für sie die Befugnis für die Ermittlung und Verfolgung sowie die Anklageerhebung bei Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union zu schaffen.Kritiker halten der Europäischen Staatsanwaltschaft entgegen, dass die Behörde über kein eigenes Ermittlungspersonal und insbesondere über keine europäische Polizei verfügen wird. Zur Umsetzung ihrer Aufgaben wird sie deshalb auf die Mitwirkung nationaler Ermittlungspersonen der teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten unter Anwendung nationaler Verfahrensvorschriften angewiesen sein. Dadurch werde den nationalen Staaten die Möglichkeit zur mittelbaren Einflussnahme eröffnet, indem sie die Europäische Staatsanwaltschaft bei ungewünschten Ermittlungen durch eine fehlende Bereitstellung von Ressourcen “am langen Arm verhungern” ließen.Ferner wird bemängelt, dass sich neben Dänemark, Irland und Schweden auch die beiden osteuropäischen Staaten Ungarn und Polen nicht an der Europäischen Staatsanwaltschaft beteiligen – und damit ausgerechnet jene beiden Länder, die in der Vergangenheit von großen europäischen Transferleistungen profitierten und in denen immer wieder Betrugsfälle mit EU-Geldern bekannt wurden. Der deutsche Richterbund kritisiert den geplanten Einsatz der Europäischen Staatsanwaltschaft gar als “komplex und kaum überschaubar”.Es bleibt deshalb abzuwarten, inwieweit der Europäischen Staatsanwaltschaft eine grenzüberschreitende Strafverfolgung innerhalb der EU tatsächlich nachhaltig gelingen wird. Vor allem Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zu europäischen Institutionen und Empfänger von EU-Subventionen sollten sich jedenfalls auf eine zunehmende Ermittlungstätigkeit auch auf europäischer Ebene einstellen. *) Dr. David Pasewaldt ist Partner und Dr. Pedram Karami Associate in der Praxisgruppe White Collar, Regulatory & Compliance von Clifford Chance.