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Chinas Fünfjahresplan bietet Anlegern viele Möglichkeiten

Börsen-Zeitung, 20.5.2011 China steht vor einer Reihe externer und interner Herausforderungen. Mit dem kürzlich vorgestellten Fünfjahresplan versucht die Regierung, das Wirtschaftswachstum zu stabilisieren und gleichzeitig soziale Ungleichgewichte...

Chinas Fünfjahresplan bietet Anlegern viele Möglichkeiten

China steht vor einer Reihe externer und interner Herausforderungen. Mit dem kürzlich vorgestellten Fünfjahresplan versucht die Regierung, das Wirtschaftswachstum zu stabilisieren und gleichzeitig soziale Ungleichgewichte abzubauen. Wenn dies gelingt, bieten sich Anlegern große Chancen.Schon im vergangenen Jahr überholte China Japan als zweitgrößte Wirtschaftsnation der Welt. Schätzungen zufolge könnten die USA 2027 als Nummer 1 vom Reich der Mitte abgelöst werden. Mit rund 6 Bill. Dollar entspricht Chinas Wirtschaftsleistung heute der von Indien, Russland und Brasilien zusammen. Das ist die eine Seite der Medaille, doch die Statistiken zeichnen ein widersprüchliches Bild. So liegt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Chinas mit 4 520 Dollar pro Kopf auf dem Niveau der USA im Jahr 1966. Auf der globalen Rangliste reicht das BIP pro Kopf nur für Platz 90, hinter Thailand und vor dem Iran. Das Exportvolumen pro Kopf entspricht jenem der USA von 1980.Diese Kontraste verleihen China einen Doppelstatus: Zum einen ist das kommunistische Riesenreich eine führende Nation mit großer geopolitischer Macht. Zum anderen eine aufstrebende Volkswirtschaft, die noch einiges leisten muss, um den Lebensstandard der Bevölkerung dauerhaft zu heben. Beim zwölften Fünfjahresplan, den die Regierung in Peking kürzlich präsentierte, steht deshalb der Abbau sozialer Ungleichgewichte ebenso im Mittelpunkt wie der Übergang zu einem eher auf Konsum als auf Industrie beruhenden Wachstumsmodell. Mehr RohstoffeffizienzChina ist in hohem Maß auf Rohstoffimporte angewiesen. Deshalb ist das Land anfällig gegenüber schwankenden Rohstoffnotierungen, übt aber auch einen großen Einfluss auf die Preise aus. Dies gilt nicht nur für Industrierohstoffe wie Öl, Eisenerz oder Kupfer, sondern auch für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Laut neuem Fünfjahresplan soll zumindest die Abhängigkeit vom Öl reduziert werden. Dazu setzt Peking vor allem auf neue Technologien und Energieeinsparung. Bis 2015 sollen zudem 11,4 % des Energiebedarfs aus nichtfossilen Brennstoffen gedeckt werden. Heute liegt dieser Anteil bei rund 8 %. Dies ist etwa so, als ob man einer Volkswirtschaft von der Größe Italiens alle fossilen Brennstoffe entziehen würde. China verfolgt das Vorhaben demnach sehr ehrgeizig. Es würde einen starken Ausbau der Atomkapazitäten erfordern, was nach den jüngsten Ereignissen in Japan zumindest einige Fragen aufwirft. Sozialer AusgleichBei Einkommensverteilung und Lebensbedingungen bestehen in China große Ungleichgewichte, vor allem zwischen ländlichen und städtischen Regionen. Die Regierung und die Bevölkerung haben verfolgt, wie soziale Schieflagen im Nahen Osten politische Umwälzungen auslösten. Schwerpunkte auf sozialem Wohnungsbau, Gesundheitsversorgung und Bildung sollen deshalb die Ruhe im Land gewährleisten. In den nächsten fünf Jahren sind 45 Millionen neue Arbeitsplätze in Städten vorgesehen. 20 % der urbanen Bevölkerung sollen Wohnmöglichkeiten erhalten, die auch mit niedrigem Einkommen bezahlbar sind. 36 Millionen neue Unterkünfte sollen erstellt werden, und durch die Förderung höherer Löhne sollen diese erschwinglicher gemacht werden. Auch Finanz- und Steuerreformen sollen das Wachsen der Mittelschicht durch Umverteilung beschleunigen.Für das Finanzsystem sieht der neue Fünfjahresplan Systemsicherheit und die Entwicklung des Anleihemarktes vor. Derzeit dominieren in China Geschäftsbanken den Finanzierungssektor mit einem Anteil von 85 %. In den USA dagegen wird der Finanzbedarf nur zu 16 % über Banken gestillt, zu 60 % aber über Anleihen und zu 22 % über die Ausgabe von Aktien. Auch China möchte seine Finanzierungsstrukturen diversifizieren, um weniger verwundbar zu sein. Die wirtschaftliche und währungspolitische Abhängigkeit von den USA soll durch die Etablierung einer neuen Reservewährung verringert werden. Deshalb soll die Internationalisierung der Landeswährung gefördert werden, was bis zum Ende des Fünfjahresplans zur völlig freien Konvertierbarkeit des Renminbi führen könnte. Inflation dämpfenMit jährlich 7 % sieht der neue Fünfjahresplan ein deutlich geringeres Wachstum vor, als während des vorherigen Plans erreicht wurde. Hiermit soll vor allem eine Überhitzung vermieden und die Inflation gedämpft werden. Im laufenden Jahr ist eine Teuerung von maximal 4 % angepeilt. Peking setzt dazu auf Liquiditätskontrollen und einen Umbau der Lebensmittelversorgung, bei dem Regionalregierungen stärker in die Pflicht genommen werden. Aufgrund der mit steigenden Rohstoffpreisen importierten Inflation dürfte es allerdings schwer werden, dieses Inflationsziel zu erreichen. Auch das angestrebte, konsumorientierte Wirtschaftsmodell geht eher mit struktureller Inflation einher, weil es steigende Einkommen impliziert. Höhere Löhne und Gehälter könnten ihrerseits Probleme für die Profitabilität von Unternehmen und die Gesamtproduktivität nach sich ziehen.Auch wenn China viele Herausforderungen zu meistern hat: Das Land bietet durch sein starkes strukturelles Wachstumspotenzial auf längere Sicht attraktive Investmentchancen. Der chinesische Einfluss auf die Welt in den nächsten 20 Jahren scheint noch nicht ganz berücksichtigt zu sein. Die steigenden Einkommen sorgen für große Wachstumsmöglichkeiten, vor allem im Konsumsektor. Der chinesische Touristiksektor und der Luxusgütermarkt sollten bis 2020 beziehungsweise 2025 zu den größten der Welt zählen. Auch der Dienstleistungssektor bietet für Anleger Chancen, denn sein Volumen im Verhältnis zum BIP liegt unter dem entsprechenden Niveau Japans vor 40 Jahren. Elektronischer Handel und Bezahlung dürften ebenfalls einen Aufschwung erleben, denn der Online-Anteil am Einzelhandelsumsatz kann bis 2015 mühelos von jetzt 2 auf 7 % wachsen. Attraktiver FinanzsektorDer Finanzdienstleistungssektor bietet ebenfalls attraktive Investmentaussichten. Die vier größten chinesischen Banken zählen bereits jetzt zu den 25 weltweit führenden Finanzinstituten, und der Markt für Lebensversicherungen im Reich der Mitte dürfte zwischen 2010 und 2015 um 200 % wachsen. Er wäre dann größer als der japanische Markt im Jahr 2009. Schließlich ist auch der Rohstoffsektor ein Bereich mit interessanten Möglichkeiten, denn China wird trotz aller Einsparbemühungen weiterhin für eine hohe Nachfrage sorgen. Der Stahlbedarf Chinas könnte auch 2015 noch 75 % der weltweiten Nachfrage ausmachen. Beim Öl dürfte bis zu diesem Jahr der Anteil Chinas am Weltbedarf immer noch bei 14 % liegen. Anleger können vom Wachstum im Reich der Mitte jedoch nicht nur durch Investitionen in chinesische Firmen investieren. Auch globale Konzerne, die in China einen wesentlichen Teil ihrer Gewinne und ihres Wachstums erzielen, bieten gute Partizipationsmöglichkeiten am chinesischen Aufschwung.