Immobilien - Interview mit Eric Wong

"Chinas Immobilienmarkt ist stabil"

Der Chef Immobilienresearch Asien der UBS über die komplexe Dynamik des chinesischen Immobilienmarkts

"Chinas Immobilienmarkt ist stabil"

Auf dem chinesischen Immobilienmarkt haben sich infolge eines anhaltenden Investmentbooms erhebliche Überkapazitäten gebildet. Obwohl die Regierung in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Beruhigung der Lage erlassen hat, steigen die Preise für Wohnimmobilien weiter. In diesem ungebrochenen Trend sehen viele Beobachter die Bildung einer Blase, deren unweigerliches Platzen auch das Bankensystem gefährden könnte. Eric Wong, Chef Immobilienresearch Asien der UBS, schätzt die Lage in China und Hongkong dagegen als stabil ein.- Herr Wong, hat sich auf dem chinesischen Immobilienmarkt eine Blase gebildet?Ich denke nicht. Allerdings hängt es davon ab, wie eine Blase definiert wird. Für eine Blase braucht es drei Faktoren. Erstens müssen die Preise von den Fundamentalwerten abgehoben haben. In China trifft das allerdings nur auf Großstädte wie Peking, Schanghai oder Shenzhen zu. Im näheren Einzugsbereich der Agglomerationen gibt es dagegen durchaus noch Wohnraum, der auch für Durchschnittseinkommen erschwinglich ist. Zwar sind diese urbanen Zentren heute teilweise noch drei bis vier Stunden entfernt. Doch werden sie jetzt nach und nach an das U-Bahn- und Schnellbahnsystem angeschlossen, womit sie bald schon innerhalb kürzester Zeit erreichbar sein werden.- Haben nicht auch in China die Banken mit einer zu großzügigen Kreditpolitik die Immobilienpreise die Höhe getrieben?Nein, in China ist der Fremdfinanzierungsgrad bis heute niedrig. Auch deshalb gibt es im klassischen Sinn keine Blase auf dem Immobilienmarkt. Die Regierung hat schon in einer sehr frühen Phase das Wachstum der Hypothekenkredite gebremst. Damit ist die Lage in China anders als in den USA vor Ausbruch der Finanz- und Bankenkrise, wo Immobilienkäufe teilweise zu 100 % fremdfinanziert worden sind.- In der wirtschaftlich autonomen Sonderverwaltungsregion Hongkong sind die Immobilienpreise innerhalb Jahresfrist um mehr als 40 % hochgeschossen. Hier muss sich mittlerweile doch eine Blase gebildet haben?Ich denke nicht, denn die Regierung ist schon früh eingeschritten. Der Kauf von Wohnraum etwa, der nicht zum Eigengebrauch bestimmt ist, muss mittlerweile zu 50 % mit Eigenmitteln finanziert werden. Ich bin mit solchen Maßnahmen, wie sie auch in Deutschland bestehen, einverstanden, denn warum soll die Bank Immobiliengeschäfte finanzieren, die rein der Spekulation dienen. Dass es hier keine Blase gibt, die nach dem Platzen auch das Bankensystem gefährden könnte, zeigt sich auch daran, dass in Hongkong heute das Volumen der Bankeinlagen das der vergebenen Hypothekenkredite übersteigt. Vor dem Ausbruch der asiatischen Finanzkrise war das genau umgekehrt.- In China gibt es aber auch ein großes Schattenbanksystem. Gehen von hier aus nicht verdeckte Risiken aus?Es trifft zu, dass es in China eine große Zahl von Unternehmen gibt, die als Vehikel zur Finanzierung von Immobiliengeschäften benutzt werden. Das von hier ausgehende Kreditvolumen ist naturgemäß nur schwer bestimmbar. Allerdings haben Privathaushalte kaum Zugang zu solchen Krediten, was die von solchen Vehikeln ausgehenden Risiken verringert.- Es ist zu beobachten, dass gerade in Großstädten wie Peking oder Schanghai ein beträchtlicher Teil des neu erstellten erstklassigen Büroraums leer steht und die Preise dennoch nicht fallen. Warum spielen hier nicht die Marktkräfte?Das lässt sich durch die Natur des chinesischen Wachstumsmodells erklären. In der Vergangenheit wurde das Wachstum vor allem vom Export angetrieben. Als die Ausfuhren infolge der globalen Finanzkrise zeitweise einbrachen, fiel die Last vor allem auf Investitionen wie eben auch im Bereich Immobilien. Beamte auf Gemeindeebene schauen wie gebannt auf das in ihrem Zuständigkeitsbereich fallende Wirtschaftswachstum, denn davon hängt meist die Beförderung ab. Allerdings sind sie dabei in ihren Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Mangels einer eigenen fiskalen Einnahmequelle haben sie keine frei verfügbaren Gelder. Der Privatkonsum bewegt sich weiterhin auf einem sehr tiefen Niveau. Somit bleibt ihnen einzig übrig, durch den Verkauf von Land Investitionen anzulocken. Damit sind erhebliche Überkapazitäten geschaffen worden.- Kann das vom Markt innerhalb einer absehbaren Frist überhaupt absorbiert werden?Zuerst sollte daran erinnert werden, dass beispielsweise der heute vor Leben sprühende Schanghaier Finanzdistrikt Pudong noch vor fünf bis zehn Jahren eher desolat aussah. Zwar bleibt auch dort der Leerstand angesichts zusätzlicher auf den Markt gekommener Kapazitäten relativ hoch. Obwohl hier offensichtlich Ressourcen verschleudert werden, wächst doch auch die Nachfrage enorm schnell.- Wie lange kann China das Wachstum noch so antreiben?Damit diese Kapazitäten absorbiert werden, setzt die Regierung allmählich auf ein anderes Wachstumsmodell. Nach unseren Schätzungen beläuft sich der Leerbestand an Wohnimmobilien in Großstädten so um 20 %. Als Folge einer Kombination von durch Altersabnützung verursachten Wertverminderung und der Migration vom Land in die Städte dürfte der Leerbestand jetzt aber beschleunigt abnehmen. Für Investoren aus den traditionellen Industriestaaten mag das zugegebenermaßen etwas seltsam klingen, aber es widerspiegelt die Lage des Schwellenlands China.- Für Ausländer bleibt der chinesische Immobilienmarkt weitgehend verschlossen. Wie können das interessierte Ausländer umgehen?Ich rate Leuten ganz allgemein von Immobilienkäufen in Schanghai oder Peking ab. Denn eine Rendite von 2 % oder gar noch mehr entspricht einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 50 oder mehr. Auf der anderen Seite werden Aktien von Immobilen unternehmen gerade mal mit einem KGV von fünf gehandelt. Dazu kommt noch, dass sich hier das Management um den Werterhalt kümmert, während im Falle eines direkten Immobilienbesitzes die Verantwortung bei Problemen mit Nachbarn oder Wettereinflüssen auf den Eigentümer fällt.- Was ist der Unterschied zwischen den an der Börse Hongkong gehandelten lokalen Immobilientiteln und solche aus dem Festland Chinas?Unternehmen aus China sind direkt auf den Heimatmarkt ausgerichtet, während Hongkonger Immobiliengesellschaften direkt und indirekt vom Chinaboom profitieren. In Hongkong etwa durch Festlandschinesen, die hier einkaufen oder auch Immobilien erwerben. Das Risiko ist hier geringer als mit Unternehmen, die hauptsächlich in China tätig sind.—– Das Interview führte Ernst Herb