RECHT UND KAPITALMARKT

Corona-Finanzhilfen unterliegen dem EU-Beihilferecht

Konzerne müssen Risiko rechtswidriger Subventionen prüfen

Corona-Finanzhilfen unterliegen dem EU-Beihilferecht

Von Gökhan Cetintas *)Immer mehr Unternehmen greifen auf die neuen Finanzprogramme von Bund und Ländern zu. Nicht nur die Bonitätsprüfungen der Banken setzen diesen Corona-Finanzhilfen Grenzen. Auch das EU-Beihilferecht stellt eine Hürde dar. Es gilt grundsätzlich für jedes Unternehmen, das staatliche Unterstützung etwa für Darlehen und Zuschüsse und damit aus Sicht der EU Beihilfen erhält.Um die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19 Pandemie aufzufangen, hat die EU-Kommission die Spielregeln zwar erleichtert und den nationalen Regierungen insbesondere mit dem sogenannten “Befristeten Beihilferahmen” große Spielräume eingeräumt. Auch diese müssen die Empfänger der Gelder allerdings im Blick behalten.So sind die Finanzspritzen nach den Corona-Sonderregeln nur zulässig, wenn das Unternehmen bis Ende 2019 keine wirtschaftlichen Schwierigkeiten hatte. Ein Kriterium hierfür ist unter anderem, ob ein Unternehmen die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals aufgezehrt hat oder Gegenstand eines Insolvenzverfahrens ist oder von einer laufenden Rettungsbeihilfe profitiert. TransparenzpflichtenDer gesamte Darlehensbetrag darf zudem die von der EU-Kommission vorgegebene maximale Obergrenze je Unternehmen nicht übersteigen. Gesamtdarlehensbeträge sind grundsätzlich begrenzt auf 25 % des Gesamtumsatzes im Jahr 2019, auf das Doppelte der Lohnkosten im Jahr 2019 oder den künftigen Liquiditätsbedarf für die kommenden 18 Monate bei KMU bzw. 12 Monate bei Nicht-KMU. Alle Darlehen aus dem “KfW-Sonderprogramm 2020”, den Kreditprogrammen der Länder sowie Kreditbürgschaften nach der “Bundesregelung Bürgschaften 2020” zählen hier mit.Unternehmen riskieren bei einem Verstoß gegen das Beihilferecht, dass die Finanzhilfe einschließlich Zinsen zurückgezahlt werden muss. In diesem Zusammenhang drohen Beschwerden oder Klagen von Wettbewerbern, die rechtswidrige Subventionen anprangern. Insbesondere Beschwerden bei der EU-Kommission sind bei Beihilfen üblich. Die EU-Kommission hat so etwa in den letzten Jahren mehrere Verfahren gegen staatliche Unterstützungshandlungen für Flughäfen und Luftverkehrsunternehmen auf Grundlage von Beschwerden eingeleitet. Aktuell prüft die EU-Kommission beispielsweise, ob bestimmte Maßnahmen zugunsten von Ryanair am Flughafen Frankfurt-Hahn und dem Flughafenbetreiber mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang stehen.Nachvollziehen lässt sich jede Beihilfe sehr einfach aufgrund von Transparenzpflichten: Alle staatlichen Beihilfen, die auf Grundlage des “Befristeten Beihilferahmens” gewährt werden, müssen bis spätestens zwölf Monate nach Auszahlung im Internet veröffentlicht werden. Im Übrigen gelten für andere staatliche Beihilfen grundsätzlich ab einer Größenordnung von 500 000 Euro Veröffentlichungspflichten innerhalb von sechs bzw. zwölf Monaten.Umgekehrt können Mitgliedstaaten der EU und Unternehmen auch die Chancen nutzen, die das EU-Beihilferecht bietet. Gedeckelte Zuschüsse in der Höhe von maximal 800 000 Euro können etwa durch Kumulierung mit einer sogenannten De-minimis-Beihilfe ganz legal grundsätzlich um 200 000 Euro in einem Zeitraum von drei Steuerjahren erhöht werden.Außerhalb des “Befristeten Beihilferahmens” können Unternehmen zudem staatliche Unterstützung auf Grundlage des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) beantragen. Einen ähnlichen Fonds gab es in der Finanzkrise bereits für Banken. Die Commerzbank und die Hypo Real Estate wurden seinerzeit etwa mit dem Finanzmarktstabilisierungsfonds unterstützt. Stabilisierungsmaßnahmen nach dem WSF unterliegen noch einer gesonderten Anmelde- und Genehmigungspflicht bei der EU-Kommission. Unternehmen, die nicht auf Maßnahmen des WSF angewiesen sind oder denen die Bedingungen des WSF zu weit gehen, sollten sich primär an nationale Beihilfeprogramme wenden, die gestützt auf den “Befristeten Beihilferahmen” von der EU-Kommission bereits genehmigt wurden. Auftakt mit CondorAuch Unternehmen aus besonders stark betroffenen Sektoren der Coronavirus-Pandemie können unter Umständen außerhalb des “Befristeten Beihilferahmens” von den Mitgliedstaaten Entschädigungen durch gesonderte Beihilfeprogramme oder Einzelbeihilfen erhalten. Hierzu zählen etwa die Branchen Verkehr, Tourismus, Gastgewerbe, Einzelhandel oder Organisatoren abgesagter Veranstaltungen. Hierfür müssen die EU-Mitgliedstaaten die etwaigen Programme oder Einzelbeihilfen bei der EU-Kommission zur Genehmigung anmelden. Deutschland hat hiervon bisher nur zugunsten von Condor Gebrauch gemacht. Dänemark dagegen ließ sich bereits mehrfach entsprechende Maßnahmen genehmigen. Für Unternehmen hätten solche Beihilfen den Vorteil, dass sie kombiniert werden könnten mit Beihilfen, die unter den “Befristeten Beihilferahmen” fallen.Unternehmen, die vom “Befristeten Beihilferahmen” nicht profitieren, da sie zum Stichtag wirtschaftliche Schwierigkeiten hatten, können zudem Rettungsbeihilfen in Form von Darlehensbürgschaften oder Darlehen nutzen, um akute Liquiditätsengpässe zu überwinden. *) Gökhan Cetintas ist Anwalt bei SZA Schilling, Zutt & Anschütz und im Brüsseler Büro der Kanzlei tätig.