Immobilien

Countdown für Ende des Booms in Spanien

Preisanstieg bei Immobilien kühlt deutlich ab - UN nehmen Markt unter die Lupe - Übernahmewelle rollt

Countdown für Ende des Booms in Spanien

Von Angelika Engler, Madrid Im überhitzten spanischen Immobilienmarkt fällt das schnelle Geldscheffeln immer schwerer: Nach zehn Jahren des Booms, den die niedrigen Zinsen in Euroland sowie Steuervorteile für Eigenheime vorangetrieben hatten, sind die Preise erstmals seit fünf Jahren um weniger als 10 % gestiegen. Schon ziehen Pessimisten erste Parallelen zu der Abkühlung, die im Immobilienmarkt der USA zu beobachten ist. Doch von einem Platzen der Spekulationsblase – die Häuserpreise sind nach Meinung der spanischen Notenbank Banco de España um etwa 35 % überbewertet – scheint der Markt immer noch weit entfernt. Zumal die Politik angesichts der vielen Familien, die sich mit dem Häuserkauf hoch verschuldeten und vor jedem weiteren Zinsschritt in Euroland zittern müssen, einen solchen Zusammenbruch nicht zulassen dürfte.”Es wird zwar eine deutliche Abkühlung geben, aber keinen schnellen Preissturz”, sagt Juan Carlos Martínez Lázaro von der Businessschool Instituto de Empresa in Madrid. “Binnen zwei Jahren werden die Preise nur noch um die Inflationsrate von 3 bis 4 % zulegen”, lautet seine Prognose. Die steigenden Zinsen in Euroland haben sich seiner Beobachtung nach bereits auf die Nachfrage ausgewirkt: Häuser und Wohnungen verkaufen sich merklich langsamer.Von September 2005 bis September 2006 verteuerte sich der Quadratmeter um 9,8 %, während im Jahr 2004 der Preisanstieg mit 18,5 % den bisherigen Höhepunkt des Booms markierte. Seit 1998 verdoppelten sich im Durchschnitt die Preise für Eigenheime, während sich die Gewerbeimmobilien wesentlich gemächlicher verteuerten. Trotz des vergleichsweise nur noch moderaten Zuwachses ist Spanien weit davon entfernt, wieder erschwingliche Preise zu bieten. In der Hauptstadt Madrid, die mit ihren Mieten und Quadratmeterpreisen mittlerweile zu den 20 teuersten Städten der Welt zählt, kostet eine – nicht unbedingt neue oder sanierte – Wohnung mit 100 Quadratmetern im Durchschnitt 372 000 Euro und damit soviel wie in Deutschland ein Haus mit Garten. Nicht ohne Grund gibt es die ersten Demonstrationen von Bürgern, die bezahlbare Mieten einfordern und das Problem in einen sozialen Sprengsatz umwandeln könnten. Sozialisten unter DruckDie sozialistische Regierung, die im Frühjahr 2004 überraschend die Parlamentswahl gewonnen hatte, konnte ihr Versprechen für einen funktionierenden Mietwohnungsmarkt und erschwingliche Mieten bislang nicht annähernd erfüllen. Die staatliche Agentur für Wohnungsvermittlung gilt als Flop. Dafür wollen jetzt die Vereinten Nationen das Negativbeispiel Spanien unter die Lupe nehmen. Denn anders als etwa Irland, wo der Sektor in den vergangenen Jahren ähnlich boomte, vereint das Land gleich mehrere Rekorde – den größten Preisanstieg, den kleinsten Mietmarkt und die meisten leerstehenden Häuser als Produkt einer weitverbreiteten Spekulation. Punktuell bekommen die ersten Bauherren die sinkende Nachfrage schon zu spüren, etwa an den Mittelmeerküsten, wo die Bauwut zu einem Überangebot führte.Die Nachforschungen der UN schmeicheln der sozialistischen Regierung freilich überhaupt nicht. Immerhin wird Spanien damit in gewisser Weise auf eine Stufe mit wesentlich weniger entwickelten Ländern wie Afghanistan, Rumänien oder Peru gestellt. Dabei muss gerechterweise gesagt werden, dass Zapatero den Boom mit all seinen Problemen von der konservativen Vorgängerregierung geerbt hat.Schon seit geraumer Zeit mahnt etwa der Internationale Währungsfonds an, die unter den Konservativen geschaffenen steuerlichen Abschreibungshilfen für den Wohnungskauf zu kürzen, um der Sache ihren Reiz zu nehmen. Mit der Reform der Einkommensteuer, die Anfang 2007 in Kraft tritt, wird aber lediglich der erzielte Verkaufsgewinn mit 18 statt der bisher üblichen 15 % besteuert. Alles andere ließen die Sozialisten unangetastet.Immerhin aber geht die Regierung Zapatero derzeit merklich eifriger gegen die Korruption in Gemeinden vor, die ihr Scherflein zum Boom beitrug. Das große Geschäft liegt hierbei in den Neubewertungen von Bauland, den sogenannten “recalificaciones”. Zahlt ein Bauherr kräftige Provisionen, sorgen Lokalpolitiker oftmals dafür, dass bisherige Naturschutzgebiete oder unbebaubares Gelände plötzlich zu Bauland erklärt werden. Das wiederum verschafft den Bauherren als Eigentümer dieses Landes angesichts der immensen Preissteigerung im Sektor schlagartig wertvolle Aktiva, die sich beim anschließenden Verkauf der gebauten Häuser bei der bisher großen Nachfrage schnell in bare Münze umwandeln ließen. Dem Sektor haftet wegen der manchmal zweifelhaften Art, schnelles Geld zu verdienen, ein gewisser Ruch an. Die Neubewertung von Boden, die allerdings nicht immer mit Korruption einhergehen muss, hat bereits mehrere Fußballvereine – darunter den Spitzenclub Real Madrid – saniert. Fußballclubs sanieren sichSie verkauften für teures Geld frühere Trainingsgelände in prominenter Lage, die nun für den Bau von Bürogebäuden genutzt werden. Das Geschäft mit Bauland, gepaart mit dem Preisanstieg, erklärt auch zu einem guten Teil, warum in jüngerer Zeit plötzlich bislang unbekannte Bauherren in der Lage sind, milliardenschwere Kaufofferten für größere und eingesessene Immobilienfirmen lancieren zu können (siehe Tabelle). Luis Portillo erwarb kürzlich für 3,7 Mrd. Euro das börsennotierte Unternehmen Colonial. Fernando Martín will sich für 4 Mrd. Euro die börsennotierte Fadesa einverleiben. Die großen Firmen wie Branchenführer Metrovacesa oder auch Colonial haben vor der erwarteten Abkühlung im Segment der Eigenheime bereits vorgebeugt und schichteten ihr Hauptgeschäft mit den Übernahmen französischer Reit-Gesellschaften, die keine Steuern zahlen, aber den Gewinn zu fast 100 % ausschütten müssen, auf das Vermieten von Gewerbeimmobilien um. Doch noch gehen alle von weiterem Wachstum aus. Von Januar bis September 2006 erzielten die 14 börsennotierten Immobilienfirmen einen Nettogewinn von insgesamt 1,5 Mrd. Euro, knapp 58 % mehr als im Vorjahreszeitraum. Sämtliche Aktien, auch die der Baufirmen, haussieren und fahren trotz der teuren Bewertung weiter spektakuläre Kursgewinne ein: Die Fiesta ist noch nicht zu Ende.